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Es gibt zweifelsohne Übersetzungen des Atmabodha neueren Datums; die Entwicklung des Verständnisses ist allerdings auch von Bedeutung und man kann ja dies mit Übersetzungen neueren Datums vergleichen.

Franz Hartmann gab auch 2 verschiedene Übersetzungen der Bhagavad Gita ins Deutsche heraus. Meinen Informationen nach war er Arzt gewesen, hatte eine, durchaus Erfolge zu verzeichnende, Methode gegen TBC entwickelt.

Informationen betreffs Franz Hartmann findet man u.a. bei der Theosophischen Gesellschaft in Deutschland. (https:/ /theosophische-gesellschaft.org/de/franz-hartmann.htm). Die Güte seiner Übersetzungen kann man sehr gut per Vergleich mit anderen Übersetzungen nachprüfen.

Den Geburtsort von Shankara fand Jagadguru Sri Sacchidananda Shivabhinava Nrisimha Bharati Mahaswamigal in Kalady lt. Sringeri Math., notabene. Eine Biografie zum Vorstehenden findet man in der WEB-Seite von Sringeri Math in Englischer Sprache.

vgl. www. sringeri.net

 

Dem Bayerischen Staat und der Bayerischen Staatsbibliothek, deren Exemplar ich hier wiedergebe, sei gedankt.

 

Der Verfasser dieser WEBSeite

 

 

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Atma Bodha

(Selbsterkenntnis)

von

SANKARACHARYA

 

――――――

 

Übersetzt

von

FRANZ HARTMANN,M.D.

LEIPZIG.

Verlag von Wilhelm Friedrich.

 

 

 

 

Vorbemerkungen.

―――

 

Die wahre Selbsterkenntnis, mit anderen Worten die Erkenntnis der Wahrheit, Gotteserkenntnis oder Theosophie besteht darin, dass der Mensch sein eigenes, innerstes, wahres und göttliches Wesen, das Licht, welches der Grund und die Ursache seines Daseins als persönliche Erscheinung ist, selber im Geiste und in der Wahrheit erkennt. Diese göttliche Selbsterkenntnis, die Selbsterkenntnis Gottes im Menschen ist der Endzweck alles Daseins, aller Religion, aller Kultur und Wissenschaft; denn ohne sie ist der irdische Mensch nur ein Gebilde der Täuschung und wesenlos. Nur mit dem Anfange der wahren Selbsterkenntnis beginnt des Menschen wirkliches Sein.

 

Diese Selbsterkenntnis wird weder durch ein Anhängen an ein finsteres Zelotentum,

 

 

 

- ii -

noch durch pfaffische Unterwürfigkeit unter die Dogmen irgend eines Systems, noch durch moderne Zweifelsucht, noch durch objektive wissenschaftliche Beobachtung, noch durch ein gläubiges Annehmen irgend welcher Theorien und Hypothesen, noch durch irgend einen Personenkultus, sondern lediglich durch das eigene innerliche Erwachen der Seele erlangt.

 

Um dieses Erwachen möglich zu machen, dazu gehört die Fähigkeit, vorurteilsfrei zu denken , eine klare Weltanschauung, selbstlose Hingebung zum Besten der ganzen Menschheit und aller Kreaturen, innerliche Ruhe und Zufriedenheit und der Wille, von den Irrtümern, Verlockungen und Täuschungen der Sinneswelt, sowie von allen Begierden und Leidenschaften, die dem Egoismus und der Selbsttäuschung entspringen, frei zu sein.

 

Der Weg hierzu ist in allen Schriften der Weisen, der ,,Heiden" sowohl als der ,,Christen" beschrieben und wird von allen wirklichen Philosophen seit undenklichen Zeiten gelehrt. Nirgends aber findet sich diese Lehre kürzer,

 

 

 

- iii -

klarer und deutlicher ausgesprochen, als in Sankaracharyas Atma Bodha und Viveka

Chudamani (Palladium der Weisheit). Seine

Tattwa Bodha (Daseinserkenntnis) bildet hierzu den streng wissenschaftlich erläuternden Teil.

 

 

Der Übersetzer.

 

 

 

 

 

Das Wesen der Selbsterkenntnis wird hiermit zum Wohle derjenigen erklärt, deren Dunkel durch den Feuereifer der Liebe zerstreut worden ist, die den Frieden gefunden, deren Leidenschaften verschwunden sind, und die nach der Freiheit streben.

 

 

1.

Die Weisheit ist das Einzige, was zur Freiheit verhilft. Wie man ohne Feuer nicht kochen kann, so kann man auch ohne Weisheit keine vollkommene Freiheit

erlangen.

 

 

 

2.

Da Erkenntnis und Wirken einander nicht entgegengesetzt sind, so wird auch durch das Vollbringen von

(guten) Werken allein, die Nichterkenntnis nicht aufgehoben; aber durch die Weisheit wird die Thorheit zerstört, sowie die Dunkelheit durch das Licht, wenn die Wolken verschwinden.

 

Sankaracharya, Atma Bodha.

 

— 2 —

3.

Das wahre Selbst, in Nichterkenntnis gehüllt, wird, wenn diese Hülle zerstört wird, in seinem eigenen Lichte leuchten, wie die Strahlen der Sonne, wenn die Wolken verschwunden sind.

 

4.

Wenn das durch die Nichterkenntnis verdunkelte Leben durch die Annäherung der Weisheit aufgeklärt wird, so verschwindet der Wahn von selbst, so wie das Wasser durch Zusatz eines hierzu geeigneten Mittels sich klärt.

 

5.

Diese Welt ist wie ein Traum, erfüllt mit Lieben und

Hassen. So lange dieser Traum dauert, sieht er aus wie die Wirklichkeit; wer aber erwacht, der erkennt, dass er bloss eine Täuschung ist.

 

6.

Diese flüchtige Welt erscheint als eine Wirklichkeit, so wie der Silberglanz einer Perle dem Silber gleicht, so lange das Ewige nicht erkannt wird, das eine Wesen von allem, zu dem es kein zweites giebt.

 

 

 

 

— 3 —

 

7.

In dem wahren bewussten Selbst, dem .

alles durchdringenden und (ewig) dauernden Selbst, das alles erfüllt, sind alle offenbaren Dinge enthalten, so wie im Golde Armbänder enthalten sind.

 

 

8.

Wie der Äther, der Herr der Sinne, der Strahlende, in viele Gestalten gekleidet, selber geteilt zu sein scheint, weil seine Gewänder geteilt sind, aber als nur ein einziger in seiner Reinheit erkannt wird, wenn diese Hüllen zerstört sind.

 

 

9.

So wird auch infolge der Verschiedenheit der Formen, Geschlechter, Namen und Wohnplätze diese

Verschiedenheit auf das Selbst bezogen, so wie man sagt; der Geschmack und die Farbe dieses Wassers ist von jenem Wasser verschieden, während Wasser in seiner Reinheit doch nur ein einziges ist.

 

 

10.

Aus den fünffach vermischten Elementen zusammengesetzt, infolge der Summe der Werke, ist der Leib (Sthula-Sharîra) der Ort, in welchem Lust und Schmerz erfahren werden.

 

 

 

 

— 4 —

11.

Indem der Astralkörper (Sukshma-Sharîra)

der Träger des fünffachen Lebensatems*), des

Gemütes, der Seele und der zehn Kräfte ist,

welche aus den unvermischten Elementen

gebildet sind, ist er das Instrument zum Genusse

von Freude und Leid.

 

12.

Aus ewiger unaussprechlicher Nichterkenntnis**) ist das himmlische Gewand, der ursächliche Körper (Kârana-Sharîra) geboren, aber das Selbst sollte als etwas von diesen drei Gewändern Verschiedenes betrachtet werden.

 

 

13.

Durch den fünffachen Schleier (Maya) verhüllt, scheint es, als ob das Selbst (Atma) an der Natur dieser Gewänder Teil hätte, wie ja auch ein Krystall auf blauem Grunde blau zu sein scheint.

———————

*) Siehe ,,Tattwa Bodha", II. Teil, ,,Lotusblüten" XII.

 

**) Die ,,Nichterkenntnis", von welcher hier die Rede

ist, ist nur insofern vorhanden, als selbst in diesem

erhabenen verklärten Zustande die Idee des von

Allselbstbewusstsein verschiedenen Selbstbewusstseins vorhanden ist.

 

— 5 —

14.

Durche den Verstand sollte das wahre

innere Selbst von den dasselbe umgebenden

Hüllen unterschieden werden, so wie man

durch das Sichten den Reis von Spreu und

Hülsen befreit.

 

15.

Wenn auch das Selbst (Atma) überall

vorhanden ist, so erscheint es doch nicht überall

in seinem eigenen wahren Lichte. Lasst es

in eurer reinen Vernunft scheinen, wie ein

reines Licht in einem klaren Spiegel.

 

16.

Vielheit undVerschiedenheit entsteht durch

Leiber, Kräfte, Gemüter, Seelen und Naturen;

findet das Selbst (in euch selbst), welches

der Zeuge dieses Daseins ist, den ewigen

Herrscher von allem.

 

17.

Infolge der Geschäftigkeit der Kräfte scheint es

denjenigen, die nicht zu unterscheiden verstehen, als ob das Selbst (Atma) geschäftig wäre, wie auch der Mond durch die Abendwolken zu wandern scheint.

 

 

— 6 —

 

18.

Tritt aber die wahre Selbsterkenntnis ein, so wird erkannt, dass sich Leib, Kräfte, Gemüt und Vernunft in ihren eigenen Gegenständen bewegen, so wie die Leute im Sonnenschein.

 

19.

Die Eigenschaften des Leibes und der Kräfte, der Werke und Merkmale sind infolge der Nichterkenntnis in Bezug auf das reine, fleckenlose Selbst wie das Himmelblau in Bezug auf den Himmel.

 

20.

Infolge der Nichterkenntnis (der Täuschung des

,,Ichseins") wird die Thäterschaft der geistigen Hüllen dem Selbst (Atma) zugeschrieben, wie wenn der Mond sich im bewegten Wasser spiegelt, es aussieht, als ob der Mond sich darin bewege.

 

 

21.

Leidenschaften, Begierden, Lust und Schmerz bewegen sich in der reinen Seele hin und her, aber im tiefsten Innern ist Ruhe; sie gehören der Seele, nicht aber dem Selbst.

 

 

 

— 7 —

 

22.

Im kalten Lichte der Sonne strahlend, erwärmen die Wasser der Feuer eigene Natur. Das Sein, das Bewusstsein, Glückseligkeit, beständige Fleckenlosigkeit, dies ist das Selbst.

 

 

23.

Wenn das dem Selbst angehörende Sein

(die Wahrheit) und das Bewusstsein, beide

mit der Thätigkeit der Vernunft durch die

Nichterkenntnis (die Täuschung des ,,Ichs")

verbunden sind, dann entsteht die Vorstellung

des ,,Ich weiss!"

 

 

24.

Im Selbst (Atma) findet keine Veränderung statt. In ihm ist kein Wissen durch die Vernunft. Durch das Auftreten des Lebens als Einzelerscheinung entsteht der Irrtum, die Vorstellung eines Ichs, welches handelt und wahrnimmt.

 

 

25.

Man hält die Lebensthätigkeit im Selbst

für das Selbst, wie einen Strick für eine

Schlange, und dadurch entsteht die Furcht

In der Erkenntnis aber, dass ich nicht die

Lebensthätigkeit, sondern das höhere Selbst

(das Leben selber) bin, verschwindet die Furcht.

 

 

 

— 8 —

 

26.

Das Selbst allein erleuchtet die Vernunft

und die anderen Kräfte, so wie eine Lampe

ein Wassergefäss. Das Selbst aber kann durch

diese trägen Kräfte nicht erleuchtet werden.

 

 

 

27.

In der Selbsterkenntnis hat die Kenntnis

eines anderen keinen Wert, weil die Erkennt-

nis des Selbsts eigenes Wesen ist. Ein Licht

braucht kein anderes Licht, um es zu er-

leuchten, es scheint aus sich selbst.

 

 

28.

Suchet die Einheit des Selbsts im Leben

mit dem höchsten Selbst durch die Übung

der grossen Worte zu finden, indem Ihr euch

sagt: ,,Es ist nicht dieses! Es ist nicht das!"*)

 

 

29.

Das Sichtbare, nämlich der Leib und alles, was aus der Nichterkenntnis (Avidya) entspringt, ist ebenso vergänglich wie eine Seifenblase. Ganz abgesehen von diesem müssen wir das unbefleckte ,,Ich bin derEwige!" finden.

 

———————

*) Die ,,grossen Worte" sind diejenigen, durch deren

Aussprechen der Mensch sich seines eigenes höheres Selbst ins Gedächtnis ruft und daran festzuhalten strebt, wie z. B. Tatwam asi: ,,Ich bin Du."

 

— 9 —

 

30.

Da ich etwas anderes bin als der Leib, so sind nicht mein die Geburt, Verfall, Leiden und Auflösung, noch bin ich an die Wahrnehmungen durch die Sinne oder andere Gegenstände gebunden, denn das Selbst (Atma) ist von den Kräften verschieden.

 

31.

Da ich etwas anderes bin als das Gemüt, so sind nicht mein der Schmerz, Zorn, Hass und die Furcht; über aller Lebensthätigkeit und Fühlen und Denken steht das reine Selbst. So hat es seine Offenbarung gelehrt.

 

32.

Aus diesem (Atma) wurden geboren die Lebenskraft, das Gemüt und alle die anderen Kräfte, Äther, Luft, Feuer, die Wässer und die Erde, die alles erhält.

 

33.

Ohne Eigentum oder Thätigkeit, (ewig) dauernd, frei von Zweifel, fleckenlos, unveränderlich, grenzenlos und völlig frei bin Ich, der unbefleckte Eine.

 

 

 

— 10 —

 

34.

Ich bin wie der Äther, aussen und innen

alles. Ich bin niemals (in Sünde) gefallen,

stets das Allgute, rein und an nichts klebend,

fleckenlos und unbegrenzt.

 

35.

Der ewig reine alleinige Eine, die ungeteilte Seligkeit, der Unvergleichliche, die Wahrheit, Weisheit, endlos, der Allerhöchste, Ewige, der bin Ich.

 

36.

Die Erinnerung ,,Ich bin der Ewige" nimmt,

wenn sie festgehalten wird, den Irrtum der

Nichterkenntnis hinweg, so wie ein Heilmittel

eine Krankheit entfernt.

 

37.

In einer einsamen Stelle sitzend, leidenschaftslos, die Kräfte der Sinne wohl beherrsehend, richte dein ganzes Gemüt auf Mich und gieb keinem anderen Gedanken Raum, als an den Ewigen.

 

38.

Von gutem Willen erfüllt und in deinen

Gedanken alles Sichtbare in dem Selbst ver-

 

 

— 12 —

senkend, richte dein Herz auf das Eine, das

Selbst, das rein ist wie der strahlende Äther.

 

 

 

39.

Wirf ab Name, Farbe und Form; der Erkenner des Höchsten ruht in dem Wesen des vollkommenen Bewusstseins und Seligkeit.

 

 

 

40.

Im höheren Selbst giebt es keine Verschiedenheit zwischen dem Erkenner, dem Erkennen und dem Erkannten, denn durch sein eigenes Wesen, Bewusstsein und Seligkeit leuchtet dieses strahlende Selbst aus sich selbst.

 

 

41.

Befestige die Fackel des Gedankens im

Sockel des Selbsts und lasse die entzündete

Flamme der aufsteigenden Weisheit dasjenige

zerstören, was die Nichterkenntnis ernährt.

 

 

42.

Wie beim Anbruch der Morgendämmerung

die Nacht, so wird durch die Selbsterkenntnis

das Dunkel zerstört. Dann wird das Selbst

offenbar, leuchtend wie eine strahlende Sonne.

 

 

— 12 —

43.

Wenn auch jeder das Selbst ewig besitzt,

so ist es doch, als ob er es nicht besässe, so

lange er es nicht erkennt. Wenn aber die

Nichterkenntnis verschwindet, so wird es offen-

bar, wie eine Perle, die man am Halse trägt.

 

 

44.

Die Vorstellung des Geteiltseins des Lebens

im Ewigen entsteht durch Irrtum, ähnlich wie

man (von der Ferne gesehen) einen Mann für

einen Pfahl halten kann; wird aber die Wirklichkeit erkannt, so hört dieser Irrtum auf.

 

45.

Durch den Genuss (das Selbstbewusst-

werden) seiner wahren Natur wird im Menschen die Weisheit geboren und die Thorheit (Avidya) des ,,Ich" und ,,Mein" verschwindet, so wie ein Irrtum, wenn er aufgeklärt wird.

 

 

 

46.

Derjenige, welcher nach der Vereinigung (Yoga) strebt und in den Besitz der wahren Erkenntnis gelangt, sieht mit dem Auge der Weisheit, dass alles auf seinem eigenen Selbst beruht.

 

 

 

— 13 —

 

47.

Diese ganze sich bewegende Welt ist das Selbst; alles, was nicht Selbst ist, ist nichts *), so wie alle irdenen Töpfe Lehm sind so sind für den Weisen alle Dinge das Selbst.

 

48.

Wenn du diese Wahrheit einsiehst, so mache dich frei von den Eigenschaften, von allem, was deine wahre Natur verbirgt, und tritt ein in die Wirklichkeit (das wahre Sein), in das (wahre) Bewusstsein, in die (wahre) Seligkeit, vergleichbar mit der Raupe, aus der ein Schmetterling wird.

 

 

 

 

49.

Wer nach der Vereinigung (mit seinem göttlichen Selbst) ernsthaft trachtet, der uberschreitet das Meer der Täuschung, er tötet

 

———————

*) D. h. was nichts Wesentliches ist, ist blosser Schein; es scheint etwas zu sein, ist aber im Grunde genommen

nichts. Wie könnte aber der Scheinmensch einsehen, dass er nichts ist als ein Schein, da doch dieser Schein ihm als etwas Wirkliches erscheint, solange sich nicht die Wahrheit in ihm offenbart und er sich dadurch in ihr erkennt? Desbalb sind diese tiefen Weisheitslehren auch nicht für jedermann nach Selbsterkenntnis zu streben bemüht sind verständlich, und nur für diejenigen geschrieben, welche nach Selbsterkenntnis zu streben bemüht sind.

 

 

— 14 —

 

die Ungeheuer der Leidenschaft und des Hasses, und indem er den vollkommenen Frieden erlangt hat, strahlt er (im Lichte der Frieden erlangt hat, strahlt er (im Lichte der Wahrheit) in dem Garten des Selbsts.

 

50.

Er schüttelt die Fesseln der äusserlichen vergänglichen Freuden ab, und indem er zu der Seligkeit es wahren Selbsts zurückkehrt, strahlt er in innerlicher Reinheit wie das Licht in einer Lampe.

 

 

51.

Wer Selbsterkenntnis errungen hat, und wenn er auch in Verkleidungen (Körper u. s. w.) verborgen ist, wird durch deren Eigenschaften nicht besudelt, wie auch der reine Äther nichts von den Eigenschaften der Dinge annimmt; der Weise, wenn er auch alles kennt, steht (als Person betrachtet) als ob er nichts wusste; er bewegt sich unbehindert, frei wie die Luft*).

 

———————

*) Diese, sich stets wiederholende, aber auch allgemein missverstandene Lehre, die sich auch im Christentum vorfindet (I. Johannes III, 6) mag vielleicht einer weiteren Erklärung bedürfen. Es ist nämlich hier nicht von dem persönlichen Menschen, sondern vom Gottmenschen die Rede. Wer mit ,,Christus" (dem Selbst) vereinigt bleibt,

 

 

 

— 15 —

52.

Der Weise, frei von allen Verkleidungen (Maske — persona) geht vollständig auf im allgegenwärtigen, alles durchdringenden, alles erfüllenden Einen, wie ein Wassertropfen im Meere, Äther im Äther, wie ein Feuerfunke im Licht.

 

 

 

53.

Der alles übertreffende Gewinn, die alle Freuden übertreffende Seligkeit, die alle

 

———————

der sündigt nicht und hat auch kein Verlangen zu ,,sündigen"; ist aber das Verlangen zur Sünde in seiner Natur, und beherrscht er dasselbe nicht, so ist er auch nicht mit ,,Christus" vereinigt und nicht der Beherrscher seiner Natur, viel weniger ein Beherrscher der Welt, sondern ein gewöhnlicher Mensch, der sich selber belügt. (I. Johannes I, 10.) Und wie mit dem ,,Sündigen", so ist es auch mit allem Selbstwissen, Selbstwollen, Selbstrechthaben, Selbstgefälligkeit u. s. w. Deshalb sagten die alten Rosenkreuzer: ,,Ich verlange nichts anderes zu wissen, zu können oder zu lieben, und habe einen anderen Wunsch, Freude oder Verlangen weder im Himmel noch auf Erden, als dasjenige, was von dem lebendigen Worte kommt, das in uns Fleisch geworden ist: (Secret Symbols. I, 12.) Wer das Scheinselbst verlassen hat, dem alle Scheintugenden und Scheinlaster, Scheinwissen, Scheinliebe u. s. w. angehören, der hat mit diesen Scheinwesen nichts mehr zu thun; wer aber noch damit zu thun hat, der hat es auch noch nicht verlassen, wenn er sich dabei auch einbildet, darüber erhaben zu sein.

 

 

 

 

— I 6 —

Kenntnisse übertreffende Weisheit; opfere darin dich auf; dies ist das Ewige*).

 

54.

Wer dies sieht, für den giebt es weiter nichts zu sehen; wer dieses selber ist, für den giebt es nichts mehr zu werden; wo dieses erkannt wird, da ist nichts weiteres zu erkennen. (Er ist und erkennt alles selbst, und erfreut sich in allem seines eigenen Daseins.)

 

55.

Aufwärts und abwärts und nach allen Richtungen vollkommenes Sein , Bewusstsein, Seligkeit ohnegleichen; endlos und ewig nur der Alleinige. Opfere dich darin auf, denn dies ist der Ewige.

 

56.

Durch die Erkenntnis, dass es kein anderes (wirkliches) Dasein giebt, gelangt der Schüler des Veda (des Wortes) zur Anschauung des Unwandelbaren, der unteilbaren Seligkeit, dem Alleinigen. Opfere dich darin auf denn dies ist der Ewige.

 

———————

*) Indem er als beschränkte Persönlichkeit alles auf-opfert, wird er selbst zum grenzenlosen Sein, zur Liebe, zur Selbsterkenntnis, zur Seligkeit, die sich selber geniesst.

 

— 17 —

57.

Brahma und alle die Götter nehmen Teil an der Seligkeit des unteilbaren Einen, indem sie von Ihm abhängig sind (wie die Zweige eines Baumes ihre Nahrung aus der Wurzel erhalten).

 

58.

Jedes Wesen ist an dieses Selbst gebunden, alles bewegt sich nach ihm; der allesbewegende Ewige ist im Weltall wie das Geronnene in der ganzen Menge der Milch.

 

59.

Derjenige, durch dessen Schein die Sonne

und alles Licht leuchtet, der aber von keinem anderen Dinge sein Licht empfängt, Er, durch den alles entsteht; Er ist der Ewige. Dies sollst du bejahen.

 

 

60.

Allgegenwärtig, innerhalb und ausserhalb; Er, der die ganze sich bewegende Welt scheinen macht (was sie ist), Er, der Ewige, leuchtet (in seinem eigenen Lichte) wie die Glut in einer glühenden eisernen Kugel.

Sankaracharya, Atma Bodha 2

 

— I8 —

61.

Der Ewige ist nicht die sich bewegende Welt; Er ist von dieser verschieden. Dennoch ist alles, was nicht Er ist, ein Nichts und an sich selbst wesenlos (blosse Erscheinung). Alles, was etwas anderes als der Ewige zu sein scheint, ist Täuschung, ähnlich der Luftspiegelung in der Wüste.

 

62.

Alles was man sieht oder hört ist (wesentlich) nichts anderes, als der Ewige. Durch die Erkenntnis der Wahrheit (Wirklichkeit) wird erkannt. Dies ist das Dasein, Bewusssein, Seligkeit ohnegleichen.

 

63.

Das Auge der Weisheit allein (nicht das Auge des Gelehtendünkels, der Schwärmerei oder Phantasie) schaut die allbewegende Dreiheit von Dasein-Bewusstsein-Seligkeit (Satchitananda), das Selbst (Atma). Das Auge der Unweisheit (Nichterkenntnis) sieht es ebensowenig, als der Blinde die leuchtende Sonne.

64.

Das persönliche Leben aber, welches durch das Feuer der Selbsterkenntnis, durch reines

 

 

 

 

 

— 19 —

 

Leben und Denken entzündet, durch und durch geläutert ist, wird frei von allen Flecken und scheint wie ein reines Gold.

 

65.

Das Selbst (Atma), welches am Firmamente des Herzens aufersteht, ist die Sonne der Weisheit, welche das Dunkel zerstreut; überall gegenwärtig und alleserhaltend strahlt es und erleuchtet das All.

 

66.

Wer Raum und Ort und Zeit nicht mehr beachtet und mit völliger Zuversicht in dem geheiligten Tempel des göttlichen Selbsts, dem alles Bewegenden, dem Herrn der Natur, dem Unbeschränkten und Fleckenlosen sein Dasein zum Opfer bringt; der erlangt die Selbsterkenntnis des Alleinigen, und indem er im Ganzen lebt, wird er unsterblich.

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"Atma Bodha - (Selbsterkenntnis) von SANKARACHARYA!", übersetzt von FRANZ HARTMANN,M.D., LEIPZIG., Verlag von Wilhelm Friedrich.

 

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