Professor Dr.Paul Deussen's Übersetzung und Anmerkungen der bzw zur Mâṇḍûkya-Upanishade:
Vorbemerkungen vom Autor dieser WEBSeite:
Im dritten Abschnitt
genannt Advaitam, »die Zweiheitlosigkeit'« heißt es u.a. wie folgt:>>
...
34. Dieser Vorgang besteht darin,
Daß zwangweis alle Regungen
Des Geistes unterdrückt werden,
Anders ist es im tiefen Schlaf
...
<<
Statt der Worte
zwangsweise", unterdrücken" würde man auch, im Sinne der Transzendentalen Meditation, jenem Wissen, jenem Know-How" das Swami Brahmananda Saraswati, lt. Mr. Mahesh, wiederbeleben habe können und wiederbelebt habe - aber auch ÜbersetzerInnen der Patañjali Yogasutren, wie zB Deshpende/Betina Bäumer (O.W. Barth-Verlag, zB Jubeläumsausgabe) - von einem den Geist mithilfe richtiger Meditation zur Ruhe finden lassen" erfahrungsgemäß sinnvollerweise übersetzen können.
Im Buch
Vivekananda -Leben und Werk" von Swami Nikhilananda", findet man auf den Seiten 190 und 191 Einiges über einen Aufenthalt von Swami Vivekananada in der Schweiz. (Das war anscheinend ca 1896). Ua erreichte Vivekananda dort ein Brief von Professor Paul Deussen aus Kiel. Vivekananda änderte sein Reiseroute und besuchte Prof. Deussen in Kiel. Swami Nikhilananda erwähnt, daß Professor Deussen wohl der einzige Indologe in Europa war, der Sanskrit fließend sprechen konnte.Prof. Deussen begleitete Vivekananda dann nach London, um mehr Zeit mit Ihm verbringen zu können.
Es heißt, er habe von Vivekananda mehr darüber erfahren wollen, wie man das was in den Patañjali-Yogasutren stehe, praktisch zu verstehen habe, wie man dieses
Samyama" ausübe, wie das gehe", wie man das mache".Vgl.: Nikhilananda, Swami, "Vivekananda Leben und Werk" von Swami Nikhilananda, Drei Eichen Verlag München 60 + Engelberg /Schweiz, deutsche Bearbeitung von Spengler-Zomak aus dem Jahre 1972
Insofern wird es interessant sein nachzusehen, wie Prof Deussen nach seinen Gesprächen mit Vivekananda, also in Werken, die er nach 1896 verfaßte, ähnliche Stellen übersetzte bzw evtl. neu übersetzte.
Die Übersetzung "Unterdrücken des Geistes" würde Professor Deussen nach den Gesprächen mit Vivekananda wohl nicht gebraucht haben. Andererseits hat Prof Deussen sicherlich formal korrekt übersetzt, da der Zustand der
Unterdrücktheit des Geistes" (wenn das möglich sein sollte) derselbe Zustand wäre wie der Zustand der unübertrefflichen inneren Ruhe", des bhouma". Und nach deutschen Sprachregeln kann man dafür auch schreiben der Zustand, der sich aus unterdrücken des Geistes ergibt/ergäbe".Gemäß Vivekananda Übersetzung der und Darstellungen zu den Pâtañjali-Yogasutren, wird Professor Deussen dann wohl ein Wort, ausgehend vom englischen Wort
concentration" in den Vordergrund gerückt haben.Prof. Deussen habe sich sehr für die Kraft der
Konzentration" und insofern für die Kontrolle über die eigenen Gedanken interessiert, berichtete auch Swami Nikhilananda in obiger Biografie, notabene.
In Swami Nikhilanandas Biografie zu Swami Vivekananda findet man im Anhang - siehe Seiten 338 bis 340 - einen Abschnitt titels
Meditation"; die Stellen sind, wie es heißt, entnommen aus Büchern von Swami Vivekananda, nämlich Swami Vivekananda on Religion and Philosophy" und außerdem Teachings of Swami Vivekananda". Vivekanandas Darstellungen wurden ins Deutsche übersetzt. Er beschreibt darin Konzentration" als entscheidendes Mittel und erwähnt auch eine eigene Erfahrung; es erinnert etwas an Gopi Krishnas Meditationsübung". Andererseits lehnt er an einer Stelle jedoch ein Unterdrücken" ab.Gelegentlich übersetze ich - aus Gründen der Neutraliät und Unparteilichkeit - die ca 2 Seiten aus Swami Vivekanandas Büchern.
Im Abschnitt
26) Patañjali" im Kapitel Ad: TM-Hintergrund, Basis" gehe ich etwas auf Patañjalis Yogasutren ein. In meiner WEBSeite klassische-indische-texte-91-19i.de" findet man im Kapitel Allgemeines" einen Abschnitt Patañjali-Yogasûtren" und dort findet man auch einige der Überlegungen von Swami Vivekananda übersetzt; außerdem befasse ich mich dort auch etwas ausführlicher mit Unterdrücken?" Konzentration?" und zitiere darüberhinaus die Übersetzung der entsprechenden englischen Worte ins Deutsche, sodaß die englischen Worte wie concentration" unparteiisch, sachlich-korrekt verfügbar sind.
Wenn es in Chândogya-Upanishads siebenter Lektion, der Belehrung des Nârada durch Sanatkumar, ua heißt, daß alles was Nârada bislang gelernt habe nur Worte seien und als Nârada fragte, ob es denn was Höheres gäbe, die Antwort des Sanatkumar lautete, daß dies die
Rede" sei, usw und auf diese Weise, per Fragen und Antworten, der weise Sanatkumar den suchenden Nârada schließlich zur unübertrefflichen inneren Ruhe" führte, kommt eben auch das zum Ausdruck, was Prof. Deussen im Zusammenhang mit der Mâṇḍûkya-Upanishad mit Unterdrücken des Geistes" übersetze.Allerdings geht es dabei um kein gewaltätiges Unterdrücken, sondern um ein zur Ruhe kommen, wie es Pater Rixner, der u.a. jene Upanishade 1808 ins Deutsche übersetzt hat und es als Buch herausgegeben werden hatte können, gemäß der Biografie von Prof. Lipp wohl verstanden hatte.
(Siehe dazu: Chândogya-Upanishade in
klassische-indische-texte-91-19i.de"; siehe auch den vierten Abschnitt 4) Chândogya-Upanishad < - > Mr. Mahesh-Buch" im Kapitel III titels Antworten" im Menüpunkt Home, verpfuschtes Leben"/ 4) in schulerlebnis91-19i.bayern.)In
Knaurs Grosses Handbuch der Heilmethoden" geht es in den Seiten 834, 836 und 837 um das Thema Meditation", wie es sich jene Ärzte oder auch Psychologen vorstellen.Da wird im Zusammenhang mit
Mantra-Meditation" ebenfalls von Konzentration geschrieben (Seite 835 unten und Seite 836 oben). Es wird jedoch betont, daß es nicht um ein Erzwingen gehe.Solange man versucht
die innere Ruhe" bzw den Zustand des Samadhi (= Turiya) zu erzwingen, ist man ja noch - mehr oder weniger intenstiv mit Erzwingen" beschäftigt, also im Wachzustand und keinesfalls in dem Zustand unübertrefflicher innerer Ruhe".In der Mâṇḍûkya-Upanishad findet man auch ähnliche Überlegungen, wenn es um Widersprüchlichkeiten usw geht.
Man muß eben auch Abstand nehmen vom
Zur Ruhe kommen wollen", da man eben auch von dieser Absicht, diesem Wollen, das noch eine Aktivität ist und den Geist im Bereich des Aktivseins sein läßt, erst zur Ruhe kommen müsse. So wird die Ruhe insofern in sich selber gefunden, im eigenen subjektiven Wollen oder auch Beabsichtigen oder auch Ausprobieren oder auch Unternehm; aber auch im Bereich der Außenwelt, der Sinne, was anfänglich für die Hauptunruhe gehalten werden mag, wird eben jene Ruhe" gefunden, sodaß man dann schließlich merkt, daß man ja noch mit dem Wollen" befaßt ist und da insofern eben noch eine tieere Ruhe möglich sein sollte, indem man auch das Wollen zur Ruhe kommen läßt, davon Abstand nimmt ohne neuerliches Wollen zu starten.Nach diesen einfachen Überlegungen, ist festzustellen, daß es in diesem Vers 34 im dritten Abschnitt
genannt Advaitam, »die Zweiheitlosigkeit'«" um genau den Bereich der Meditation geht.Im Pater Abss Buch
Halle aller Religionen, der Sanatana Dharama" von 1923, erschienen im Kurt Schröder Verlag, findet man dazu ausführliche, von den Initiatoren der Halle aller Religion" sehr bemüht ausgewählten kompetenter Personen, verfaßte Informationen zu u.a. den Themen Hatha-Yoga, Mantra-Yoga, Laya-Yoga und Raja-Yoga und insofern eben auch zum Thema Meditation.Mr. Mahesh vertrat übrigens stets den Standpunkt, daß Meditation nicht mittels Büchern gelehrt werden könne, sondern grundsätzlich nur von kompetenten, erfahrenen MeditationslehrerInnen, die selbst ausreichende Erfahrung betrefß Meditation haben, gelehrt werden könne.
Die Geschichte des Nârada (Chândogya-Upanishads siebente Lektion) zeigt denselben Standpunkt. Nârada hatte alles studiert was es an Angeboten gab und konnte die
Innere Ruhe" jedoch nicht finden.Insofern kann man nicht erwarten, daß ich das hier versuchen würde.
Nun aber Professor Deussens Übersetzung dieser Upanishade:
(Überarbeitung nochmals nötig. Stand 10.9.2024):
>>
...
Die Mâṇḍûkya-Upanishad
des Atharvaveda,
mit der Kârikâ des Gauḍapâda über dieselbe.
EINLEITUNG.
Die Mâṇḍûkya-Upanishad, in Prosa, trägt zwar den Namen einer halbverschollenen Schule des
Ṛigveda, wird aber zum Atharvaveda gerechnet und ist, wie nicht nur die zahlreichen Zitate, sondern auch die systematische Geschlossenheit ihrer Darstellungsweise zeigen, erheblich später als die prosaischen Upanishad's der drei ältern Veden, von deren Weitschweifigkeit ihre Kürze und Präzision sehr merklich absticht. Mit der Maitrâyaṇa-Upanishad bieten sich mehrere Berührungspunkte, und es wird noch näherer Untersuchung bedürfen, auf welcher Seite die Priorität ist. Hingegen macht die Mâṇḍûkya-Upanishad den meisten Upanishad's des Atharvaveda gegenüber einen mehr altertümlichen Eindruck, namentlich sofern sie an dem Worte Om nur drei und noch nicht dreiundeinehalbe Mora's unterscheidet.Der Grundgedanke der Mâṇḍûkya-Up. ist, daß
in der Silbe Om die ganze Welt ausgedrückt ist. Den Beweis für diesen Satz führt sie wie folgt: Die Welt ist Brahman, Brahman ist der Âtman, der Âtman aber ist der Om-Laut, sofern dessen Moren die vier Viertel oder Füße, d. h. die vier Zustände des Âtman entsprechen. Diese vier Zustände sind: 1) das Wachen, Vaiçvânara (so benannt, weil seine Eindrücke allen gemeinsam sind; vielleicht, nach Çañkara, auf Chând. 5,1118 zurückgehend), in welchem der Âman nach außen erkennt; 2) der Traumschlaf, Taijasa (der lichte, weil in ihm der Âtman sein eigenes Licht ist, svena bhâsâ, svena jyotishâ prasvapiti, Bṛih. 4,3,9), in welchem der Âtman nach innen
574
Atharvaveda
.
erkennt; 3) der Tiefschlaf, Prâjña (weil in ihm der Âtman nach Bṛih. 4,3,21 mit dem prâjña âtman, d. h. Brahman, vorübergehend eins wird; 4) der ,,Vierte", Caturtha (Turîya, Turya), in welchem die Auslöschung der Weltausbreitung nicht, wie beim dritten Zustande, unbewußt, sondern mit Bewußtsein vollbracht wird. Dem ersten Zustande entspricht in Om (a + u + m) das a, dem zweiten das u, dem dritten das m, dem vierten der moralose (amâtra) Teil des Wortes, wie durch Etymologiespiele bewiesen wird.
Die Mâṇḍûkya-Upanishad wird von Çañkara im Kommentar zu den Brahmasûtra's auffallenderweise nicht benutzt; hingegen ist sie nicht nur auf mehrere Upanishad's des Atharvaveda von großem Einflüsse gewesen, sondern dient auch, wiewohl mit veränderter Bedeutung ihrer Grundbegriffe. mehr als irgendeine andre Upanishad den geistvollen Konstruktionen des Vedântasâra zur Voraussetzung.
Ihre größte Bedeutung aber liegt darin, daß sie Anlaß gegeben hat zu einem der merkwürdigsten Monumente der indischen Philosophie. nämlich zu der Kârikâ des Gauḍapâda, einem Werk, dessen Wertschätzung sich schon darin kund gibt, daß seine vier Teile (deren erster die Mâṇḍûkya-
Upanishad einschließt) als vier Upanishad's gerechnet zu werden pflegen.
Daß der Autor dieser Kârikâ; welcher in der schrofßten Weise den reinen Advaita-Standpunkt vertritt, derselbe Gauḍapâda sei, der in seinem Kommentar zur Sâñkhyakârikâ die Lehre des Kapila als das Mittel der Erlösung preist, können wir nicht glauben, und wenn Spätere, wie Vâcâcspatimiçra und Vijñânabhikshu die verschiedensten Systeme kommentiert haben, so ist das doch etwas andres; denn die Mâṇḍûkya-Kârikâ ist in ihren drei letzten Teilen ein vollkommen selbständiges Werk, und der Autor desselben proklamiert, offenbar aus tießter Überzeugung, einen Standpunkt, welcher es ihm unmöglich machen mußte, sich auch nur vorübergehend zum Interpreten der Lehre der ,,Zweiheitler" zu machen. die er so entschieden bekämpft. Hingegen ist es sehr glaublich, daß unser Gauḍapâda der Lehrer des Govinda, des Lehrers des Çañkara gewesen sei; beide, Gauḍapâda und Çañkara, stehen in allem Wesentlichen auf demselben Standpunkte, und viele Gedanken und Bilder, in denen Çañkara sich ergeht, sehen wir bei Gau
ḍâpâda schon auftauchen (Akkomodation der Schrift, Polemik gegen die Kausalität, das objektlose Erkennen usw.; Schlange und Strick, Weltraum und Topfraum, Traum, Mâyâ, Wüstenspiegelung usw.); ja, man Kann sagen, daß Çañkara die Lehren des Gauḍapâda in ähnlicher Weise zum Systeme fortbildet wie Platon die des Parmenides.Gauḍapâda und Parmenides,
dieser Vergleich wird sich jedem Leser des hier zum erstenmal übersetzten indischen Gedichtes von selbst aufdrängen, da der Grundgedanke beider Philosophen derselbe ist, ja auch die Ausführumg desselben oft merkwürdige Berührungspunkte zeigt. Alle Behauptungen des Parmenides laufen auf die beiden hinaus, daß es 1) keine Vielheit und 2) kein Werden gibt; und dem entsprechend bewegt sich das indische Gedicht von Anfang bis zu Ende in den beiden Begriffen 1) des advaitam, der Nichtvielheit, 2) der ajâti, des Nichtwerdens; und
575
Maṇḍûkya-Upanishad, Einleitung.
wenn wir auch, wie gewöhnlich in Indien, eine geordnete Disposition vermissen, so daß dieselben Gedanken in ermüdender Weise immer wieder vorkommen, wenn wir auch oft statt der Erklärungen nur Bilder, statt der Beweise bloße Behauptungen empfangen, so wird doch jeder Sachkenner den Eindruck gewinnen, daß das Gedicht des Gauḍapâda ebenso wie das des Parmenides auf tiefer und echter, wenn auch nur intuitiver, metaphysischer Einsicht beruht.
Wir wollen hier nur noch den Gedankengang der vier Teile in seinen Hauptzügen andeuten, indem wir im übrigen auf unsere Übersetzung verweisen, welche, durch den Zwang des Metrums und der dadurch geforderten Kürze, nicht überall so wörtlich sein konnte, wie es nach andrer Seite erwünscht gewesen wäre; doch hoffen wir den Gedanken nirgendwo verfehlt zu haben. Nicht aber befinden wir uns überall in Übereinstimmung mit dem unter Çañkara's Namen überlieferten Kommentar, welcher oft entschieden fehl greift; z. B. wenn er 4,83 von den vier Thesen 1) asti, 2) na asti, 3) asti, na asti, 4) na asti, na asti, iti
Er ist nicht", die vierte für gleichbedeutend mit na asti, na asti, iti (vielleicht las er so) nimmt und auf den Atyantaçûnayavâda, d. h. wohl die buddhistische Schule der Mâdhyamikas, bezieht; und so in vielen andern Fällen.
576
577
Mâṇḍûkya-Upanishad, Einleitung.
IV. Alâtaçânti, die Beilegung des Feuerbrandkreises.
1) Vers 1 - 46. nachdem die Hauptsätze des vorigen Abschnitts, daß ein Werden weder des Seienden noch des Nichtseienden denkbar ist, und daß kein Ding je anders werden kann, als es seine Natur nach ist, nochmals eingeschräft worden, weist der Dichter die Widersprüche, die im Kausalitätsbegriff liegen, nach; Die Verhältniss von Ursache und Wirkung (kâraṇam und kâryam), Grund und Erfolg (hetu und phalam), Wahrgenommenem und Wahrnehmung sind undenkbar; daher es kein Werden gibt, auch nicht des Saṃsâra, welcher nie, und der Erlösung, welche immer bestanden hat (Vers 30 -31). Auch in dem vorsteööenden Subjekte ist kein Werden: Die Vorstellungen des Wachens beruhen ebenso wie die des Traumes, wie hier abermals ausgeführt wird, auf Irrtum, sodaß es weder im Objekte noch im Subjekte ein Werden gibt.
2) Vers 47 -52. ...
3) Vers 53 -77. ...
4) Vers 78 - 100. ...
Erster Teil.
§ 1.
1. Om! Diese Silbe ist die ganze Welt. Ihre Erläuterung ist wie folgt.¹
Das Vergangene, das Gegenwärtige und das Zukünftige.
¹ Diesselbe Wendung Chând. 1,1,1.
DEUSSEN, Upanishad's
...
578
Atharvaveda
dieses alles ist der Laut Om. Und was außerdem noch über die drei Zeiten hinausliegend ist, auch das ist der Laut Om.
2. Denn dies alles ist Brahman, brahman aber ist diesr Âtman (die Seele), und dieser Âtman ist vierfach.
3. Der im Standes des Wachens befindliche, nach außen erkennende, siebengliedrige ¹, neunzehnmündige², das Grobe genießende Vaiçnâvara ist sein erstes Viertel.
4. Der im Stande des Träumens befindliche, nach innen erkennende, siebengliedrige¹, neunzehnmündige², das Auserlesene genießende³ Taijasa ist sein zweites Viertel.
5. der Zustand,
wo er, eingeschlafen, keine Begierde mehr empfindet und kein Traumbild schaut" (Bṛih. 4,3,19), ist der Tießchlaf. Der im Stande des Tießchalß befindliche einsgewordene" (Bṛih. 4,4,2), durch und durch ganu aus Erkenntnis bestehende" (Bṛih. 4,5,13), aus Wonne bestehende" (Taitt. 2,5), die Wonne genießende, das Bewußtsein als Mund habende Prâjña ist sein drittes Viertel. 6. Er ist der Herr des Alls" (Bṛih. 4,4,22), er ist der innere Lenker" (Bṛih. 3,7), er ist die Wiege des Weltalls (vgl. Muṇḍ. 1,1,6), denn er ist Schöpfung und Vergang" (Kâṭh. 6,11) der Wesen.
1. Allwärts, außenbewußt Viçva,
Innenbewußt ist Taijasa,
Ganz nur Bewußtsein ist Prâjña,
Einer ist's, der für dreie gilt.
2. aus rechtem Auge blickt Viçva,
im Manas drinnen Taijasa,
im Raum im Herzen weilt ,
So ist dreifach im Leib sein Stand.
3. Grobes genießend ist Viçva,
Auserlesenes Taijasa,
¹ Chând. 5,18,2 (Çañkara).
² Zehn Indriya's, fünf Prâṇa's, Manas, Buddhi, Ahañkâra, Cittam (Çañkara). Vgl. unten, S. 623 Anm.
³Bṛih. 4,2,3 oben S. 462
579
Mâṇḍûkya-Kârikâ 1,3
.Wonne genießend ist Prâjña, Dreifach so sein Genießen ist.
4. An Grobem sättigt sich Viçva,
An Auserles'nem Taijasa,
An Wonne sättigt sich Prâjña,
Dreifach ist seine Sättigung.
5. Wer ist in diesen drei Ständen
Genießer? was Genuß-Objekt?
Wem dieses wohlbewußt beides,
Der genießt und wird nicht befleckt (Içâ 2).
6. Ein Ursprung ist aller Wesen
Als seiender, das ist gewiß:
Der Geist (purusha) als Lebenskraft (prâṇa) schuf sie
Getrennt wie Sonnenstrahlen nur.
7. Manche halten die Weltschöpfung
Für eine Machtentfaltung (vibhûti) nur,
Andre wieder für Traum halten
Die Schöpfung und für Blendwerk (mâyâ) nur.
8. Viele lassen die Weltschöpfung
Auf Wunsch Gottes allein entstehn,
Andre glauben, die Zeit habe
Alle Wesen hervorgebracht.
9. Zum Genuß sich, zum Spielzeuge
Schuf sie Gott, meinen andere;
Nein! sie ist Gottes Selbstwesen!
Was kann wünschen, wer alles hat?
§ 2.
7. Nicht nach innen erkennend und nicht nach außen erkennend, noch nach beiden Seiten erkennend, auch nicht durch und durch aus Erkenntnis bestehend, weder bewußt noch unbewußt,
unsichtbar,unbetastbar, ungreifbar, uncharakterisierbar, undenkbar, unbezeichenbar, nur in der Gewißheit des eignen Selbstes gegründet, die ganze Weltausbreitung auslöschend, beruhigt, selig, zweitlos, das ist das vierte Viertel, das ist der Âtman, den soll man erkennen.
580
Atharvaveda.
10. Allgenugsam zur Austilgung
Aller Schmerzen, unwandelbar,
Als Einheit alles durchdringend
Ist der Gott, der der Verte heißt.
11. Wirkung und Ursache-behaftet
Sind der viçva und Taijasa,
Ursachbehaftet ist Prâjña,
Beide gelten vom Vierten nicht.
12. Nicht der Wahrheit noch Unwahrheit,
Nicht seiner selbst noch anderer
Ist irgend sich bewußt Prâjña,
Ewig alles der Vierte schaut.
13. Im Nichterkennen der Vielheit
Sind der Prâjña und Vierte gleich;
Doch Prâjña liegt im Keimschlummer,
Der Vierte keinen Schlummer kennt.
14. Traum und Schlaf sind der zwei ersten,
Traumloser Schlaf des Prâjña ist,
Weder Träumen noch auch Schlafen
Schreibt zu dem Vierten, wer ihn kennt.
15. Der Träumende erkennt irrig,
Gar nicht erkennt der Schlafende;
Beide irren; wo das schwindet,
Da wird der vierte Stand erreicht.
16. In anfanglosem Weltblendwerk
Schläft die Seele; wenn sie erwacht,
Dann wacht in ihr das zweitlose Schlaf-
und traumlose Ewige.
17. Bestünde die Weltausbreitung,
So müßte sie vergehen erst;
Doch alle Vielheit ist Blendwerk,
Vielheitlos ist die Wirklichkeit.
18. Widerlegbar sind Annahmen
Nur, wenn einer sie aufgestellt;
Doch hier sind sie nur Lehrmittel;
Dem, der weiß, ist die Vielheit nichts.
581
Mâṇḍûkya-Kârikâ § 3
.§ 3.
8. Dieser Âtman nun ist in bezug auf die Laute [adhyaksharam, analog gebraucht wie adhidaivatam, adhyâtmam] die Silbe Om, nämlich in bezug auf seine Moren; die Moren sind die Viertel [des Âtman], und die Viertel sind die Moren, nämlich der a-Laut, der u-Laut und der m-Laut.
9. Der im Stande des Wachens befindliche Vaiçvânara ist der a-Laut, die erste Mora, von dem Erlangen (â-pti) oder von dem Erstersein (â-dimattvam).
Der, fürwahr, erlangt alle Wünsche und wird zum Ersten, der solches weiß!
10. Der im Stande des Träumens befindliche Taijasa ist der u-Laut, die zweite Mora, von dem Hochhalten (u-tkarsha) oder von dem Beiderseitssein (ubhayatvam).
Der, fürwahr, hält hoch die Tradition des Wissens [in seiner Familie] und wird von beiden Seiten [Freund und Feind] gleich geachtet, und keiner, der nicht das Brahman kennte, wird in seiner Familie sein, der solches weiß!
11. Der im Stande des Tießchlafes befindliche Prâjña ist der m-Laut, die dritte Mora, von dem [durch mi minoti bezeichneten] Aufbauen (miti) oder auch von dem [durch minâti bezeichneten] Vernichtetwerden (apîti).
Der, fürwahr, baut [aus sich] diese ganze Welt auf und ist ihre Vernichtung der solches weiß!
19. Sehr gleicht Viçva dem a-Laute
Durch Ähnlichkeit des Erster-seins,
Durch-Moren-Übereinstimmung
Sind auch gleich im Erlangen sie.
20. Taijasa gleicht dem u-Laute
In dem Hochhalten offenbar,
Durch Moren-Übereinstimmung
Sind auch gleich sie im Beidessein.
21. Sehr gleicht Prâjña dem m-Laute.
Durch des Aufbauens Ähnlichkeit,
Durch Moren-Übereinstimmung
Sind auch gleich im Vernichten sie.
582
Atharvaveda.
22. Weil er in den drei Zuständen
Klar durchschaut diese Ähnlichkeit,
Darum gebührt dem Hochweisen
Von allen Wesen Ehr' und Preis.
23. Der a-Laut führt zum Ziel Viçva,
Der u-Laut führt den Taijasa,
Der m-Laut führt zum Ziel Prâjña,
Kein Ziel des Moralosen ist.
§ 4.
12. Moralos ist. der Vierte, unbetastbare, die ganze Weltausbreitung auslöschende, selige, zweitlose.
In dieser Weise ist die Silbe Om der Âtman (das Selbst).Der geht mit seinem [individuellen] Selbste in das [höchste] Selbst ein (Vâj. Saṃh. 32,11), wer solches weiß,
wer solches weiß.
24. Nach Vierteln wisse den 0m-Laut,
Seine Moren die Viertel sind;
Wer nach Vierteln den Om-Laut kennt,
Braucht nichts weiter zu wissen mehr. .
25. Im heil'gen Ruf geh' auf denkend,
Er ist Brahman, das furchtlose,
Wer stets im heil'gen Ruf aufgeht,
Der fürchtet sich vor keinem mehr.
26. Der heil'ge Ruf ist das nied're,
Er ist das höh're Brahman auch,
,,Ohne Früheres und Spät'res,
Ohne Inn'res und Äußeres" (Bṛih. 2,5,19).
27. Denn er ist aller Welt Anfang,
Ist Mitte ihr und Ende auch,
Wer so den heil'gen Ruf weiß, der
Wird alsbald mit ihm eins sodann.
28. Den heil'gen Ruf als Gott wisse,
Der im Herzen von allem thront;
583
Mâṇḍûkya-Kârikâ 1,28
.Der Weise, der den Orn-Laut kennt
Als allerfüllend, trauert nicht.
29. Unendlichteilig und teillos,
Ist er der Zweiheit sel'ge Ruh;
Wer als solchen den Om-Laut kennt,
Ist ein Muni, kein anderer.
Zweiter Teil
,genannt Vaitathyam, ,,die Unwahrheit".
1. Alles, was wir im Traum sehen,
Ist unwahr, sagen Weise uns,
Weil alles dies nur inwendig,
Weil es in uns bechlossen liegt;
2. Auch weil die Zeit zu kurz wäre
Zum Besuch ferner Gegenden,
Und weil wir ja beim Aufwachen
Nicht sind in jenen Gegenden.
3. ,,Da sind nicht Wagen, nicht Straßen,"
Lehrt die Schrift (Bṛih. 4,3,10) und das Denken uns,
So ist des Träumens Unwahrheit
Erwiesen und auch offenbart.
4. Weil Vielheit hier nur inwendig,
Ist sie es auch im Wachen nur;
Hier wie dort ist nur Vorstellung,
In uns beschlossen, hier wie dort.¹
5. Des Träumens Zustand und Wachens
Als derselbe den Weisen gilt,
Denn gleich ist beiden die Vielheit,
Aus diesem wohlerwiesnen Grund.
6. Was nicht vorher und nicht nachher,
Ist auch nicht in der Zwischenzeit;
Obwohl es unwahr ist, wird es
Für nicht unwahr doch angesehn.
¹ Lies: saṃvṛitatve na bhidyate.
584
Atharvaveda.
7. Des Wachens Tun ist zweckmäßig,
Aber nicht, wenn wir träumen, mehr;
Drum, weil es anfängt und aufhört,
Kann auch es nur auf Trug beruhn.
8. Auch was am Träume neu, stammt nur
Aus dem Geld, und wenn Götter ihm
Erscheinen, schaut er sie so nur,
Wie er über sie ward belehrt.
9. Was er träumend im Geist bildet
Innerlich, das ist unreal,
Wiewohl sein Geist es griff draußen,
Als gesehn unwahr beides ist.
10. Was er wachend im Geist bildet
Innerlich, das ist unreal,
Wiewohl sein Geist es griff draußen,
Folgerecht unwahr beides ist.
11. Wenn nun beiderlei Vielheiten
Unwahr im Traum und Wachen sind,
Wer erkemt beide Vielheiten,
Wer stellt sie im Bewußtsein vor?
12. Durch Selbsttäuschung der Gott Âtman
Stellt sein Selbst durch sich selber vor,
Erkennend beide Vielheiten,
Feststeht dieser Vedântasatz.
13. Umwandelnd stellt er als andres
Vor, was nur im Bewußtsein ist,
Als draußen und als notwendig
Stellt in sich es der Âtman vor.
14. Geist ist des Innern Zeitmesser,
Die Vielheit der des Äußeren,
Ihr Unterschied liegt nur hierin,
Als Vorstellung sind beide gleich.
15. Undeutlich ist die Welt drinnen
Deutlich die Welt, die draußen liegt;
Dem Sinnorgan nach verschieden,
Sind sie Vorstellung beide gleich.
585
Mâṇḍûkya-Kârikâ 2,16
.16. Die Seele stellt man vor erstlich,
Sodann der Dinge Sonderheit,
Der äußeren und der drinnen,
Wie man weiß, so erinnert man.
17. Wie ein Strick, nicht erkannt deutlich
Im Dunkeln, falsch wird vorgestellt
Als Schlange, als ein Strich Wassers,
So wird falsch vorgestellt das Selbst (âtman).
18. Wie, wenn der Strick erkannt deutlich, .
Und die falsche Vorstellung weicht,
Er nur Strick bleibt unzweiheitlich,
So, wenn deutlich erkannt, das Selbst.
19. Wenn er sah Prâṇa's, als alle
Die vielen Dinge uns erscheint,
So ist das alles nur Blendwerk (mâyâ),
Mit dem der Gott sich selbst betrügt.
20. Prâṇa-Kennern ist er Prâṇa's (Vaiçeshika's),
Elemente dem, der sie kennt (Lokâyatika's),
' Gujµ-Wissern ist er Guna's (Sâñkhya's),
Tattva's ist' er dem, der sie kennt (Çaiva's).
21. Viertelwissern ist er Viertel (Mâṇḍûkya-Up.),
Sinnlichkeitswissern Sinnlichkeit (Vâtsyâyana),
Den Weltraumwissern Welträume (Paurâṇika's),
Götter den Götterkundigen (Veda-Anhängern).
22. Den Vedawissern ist Vedas,
Den Opferwissern Opfer er,
Genießer denen, die diesen,
Genußobjekt, die dies verdehn.
23. Subtil für solche, die dieses,
Grob für solche, die dies verstehn,
Gestaltet denen, die dieses,
Ungestaltet, die dies verstehn.
24. Zeit ist er für die Zeitwisser,
Für Raumkenner ist er der Raum,
Künste ist er für Kunstkenner,
Weltschichten dem, der diese kennt.
586
Atharvaveda.
25. Für Manas-Kenner ist Manas,
Für Buddhi-Kenner Buddhi er,
Geist ist er für die Geistwisser,
Recht und Unrecht dem, der sie kennt.
26. Fünfundzwanzigfach fiir diese (Sâñkhya's),
Jenen als secbsundzwanzigster (Pâtañjala's),
Einunddreißigfach für andre (Pâçupata's),
Unendlich gilt für viele er (vgl. Cûlikâ 14).
27. Welten ist er dem Weltkenner,
Lebensstadien, dem der sie kennt,
Drei-Genushaft den Sprachlehrern,
lindern nied'res und höheres (sc. Brahman).
28. Für Schöpfungswisser Weltschöpfung,
Für Vergangwisser Weltvergang,
Weltbestand für Bestandwisser,
So ist alles er allerwärts.
29. Welches Sein man so andichtet
Dem Âtman, dafür hält er sich,
Das hegt er und, zu ihm werdend,
Gibt er ihm sich als Dämon hin.
30. Er Selbst kennt alle Seinsformen,
Von denen er verschieden scheint,
Wer dies weiß, wird sich vorstellen
Ohne Scheu, wie es wirklich ist.
31. Wie Traum und Blendwerk man ansieht,
Wie eine Wüstenspieglung,
So sieht an dieses Weltganze,
Wer des Vedânta kundig ist.
32. Kein Vergang ist und kein Werden,
Kein Gebundner, kein Wirkender,
Kein Erlösungsbedürftiger,
Kein Erlöster, der Wahrheit nach.
33. Als unreale Seinsformen
Und als Einer wird er gedacht,
Doch wer sie denkt, ist stets Einer,
Drum die Einheit den Sieg behält.
587
Mâṇḍûkya-Kârikâ 2,3
4.34. Nicht auf den Âtman stützt Vielheit
Und auch nie auf sich selber sich,
Nicht neben ihm und nicht durch ihn
Kann bestehn sie, das ist gewiß.
35. Furcht, Zorn und Neigung ablegend,
Schaut zweiheitlos und wandellos
Der Weltausbreitung Aufhören
Der Muni, der den Veda kennt.
36. Wer so erkannt der Welt Wesen,
Der halte an der Einheit treu;
Der Zweiheitlosigkeit sicher,
Geht er kalt an der Welt vorbei.
37. Von Preisen frei und Lobsingen,
Ja, auch ohne den Manenkult,
In allem, was da lebt, heimisch,
Lebt er so ,,wie es eben kommt" (Bṛih. 3,5).
38. Das Wesen in sich selbst sehend,
Das Wesen in der Außenwelt,
Zu ihm werdend, in ihm ruhend,
Hält er treu an dem Wesen fest.
Dritter Teil,
genannt Advaitam, »die Zweiheitlosigkeit'.
1. Verehrung das Gebot fordert
Des Brahman als Gewordenen,
Eh' es ward, war es noch nicht da,
Drum armselig Verehrer sind.
2. Was nicht armselig, hört jetzo,
Ungeboren, gleich allerwärts,
Und warum nichts entsteht irgend,
Obwohl entstehend überall.
3. Der Âtman gleicht dem Weltraume,
Der Jîva gleicht dem Raum im Topf,
Die Töpfe sind die Leibstoffe,
Was ,,entstehn" heißt, dies Gleichnis zeigt.
588
Atharvaveda.
4. Wenn die Töpfe zugrund gehen,
Was wird dann aus dem Raum im Topf?
Er zergeht in dem Weltraume,
-So der Jîva im Âtman auch.
5. Wie, wenn in einem Topfraume
Staub sich vorfindet oder Rauch,
Nicht alle Räume dies teilen,
So die Jîva's nicht Lust und Leid.
6. Ja, Formen, Wirkungen, Namen
Sind verschieden nach ihrem Ort,
Doch der Raum, den sie einnehmen,
Ist sich gleich,
so die Jiva's auch.
7. Wie der Topfraum vom Weltraume
Kein Produkt ist und auch kein Glied,
So ist der Jîva vom Âtman
Kein Produkt, auch kein Glied von ihm.
8. So wie der Himmelsraum Kindern
[Obwohl farblos,] als blau erscheint,
So scheint behaftet mit Flecken
Unerfahrnen der Âtman auch.
9. Was Sterben und Entstehn angeht,
Fortgehn und Wiederherkommen
Und alle Körper Durchsetzen,
Ist dem Raume vergleichbar er.
10. Doch traumgleich alle Leibstofie
Als Trug der Âtman breitet aus;
Weder als gleich, noch als ungleich
An Rang lassen sie denken sich.
11. Als Seele (jîva) in den fünf Hüllen,
So lehrt das Taittirîyakam (Taitt. Up. 2),
Der höchste Âtman versteckt ist,
Er, den dem Raum verglichen wir.
12. Im Honigteile (Bṛih. 2,5) wird paarweis
Das höchste Brahman aufgezeigt,
Wie in der Erd' und im Leibe,
Er, den dem Raum verglichen wir.
589
Mâṇḍûkya-Kârikâ 3,13
.13. Wenn die Schrift Jîva und Âtman
Durch Gleichsetzung für eins erklärt,
Verwerfend alles Vielheitein,
So ist das wahr in vollem Sinn.
14. Doch wenn auch vor der Weltschöpfung
Sie beide auseinander hält (Chând. 6,3,2),
So gilt das bildlich, nicht wörtlich,
Und nur von dem, was werden soll.
15. Und wenn sie überhaupt Schöpfung
Im Bild von Ton, Erz, Funken lehrt (Chând. 6,1,3.
Bṛih. 2,1,20),
So dient dies nur als Lehrmittel (vgl. 1,18),
Denn ,,nicht ist Vielheit irgendwie" (vgl. Bṛih. 4,4,19).
16. Schüler gibt es in drei Stufen,
Schwache , mittlere, treffliche ;
Um ihrer willen, aus Mitleid
Verehrungsobjekt Brahman wird.
17. Auf ihrer Sätze Standpunkt stehn
Zuversichtlich die Zweiheitler,
Doch widersprechen sie selbst sich,
Bei uns fehlt dieser Widerspruch.
18. In Wahrheit ist die Unzweiheit,
Zweiheit nur in der Spaltungswelt;
Sie lehren beiderseits Zweiheit,
Bei uns fehlt solcher Widerspruch.
19. Als Blendwerk nur besteht Spaltung
Jenes Einzigen, Ewigen,
Denn wäre Spaltung in Wahrheit,
Sterblich würde, was ewig ist.
20. Vom ungewordnen Sein nehmen
Jene Lehrer ein Werden an,
Was ungeboren, unsterblich,
Wie könnte sterblich werden das!
21. Was unsterblich, kann nicht sterblich,
Was sterblich, nicht unsterblich sein,
Kein Ding kann anders sein jemals,
Als es seiner Natur nach ist.
590
Atharvaveda.
22. Wenn ein unsterbliches Dasein
Überginge in Sterblichsein,
Nur scheinbar wär' es unsterblich,
Wo bliebe seine Ewigkeit?
23. Von Wahrheit oder Schein redend,
Stets von der Schöpfung Gleiches lehrt
Die Schrift, sicher und grundhabend,
Ist's, wie sie sagt, und anders nicht.
24. ,,Nicht ist hier Vielheit" so heilßt es (Bṛih. 4,4,19),
,,Durch Blendwerk vielfach Indra geht" (Bṛih. 2,5,19),
,,Als ungeboren wird vielfach" (Vâj. Saṃh. 31,19)
Durch Blendwerk nur geboren er.
25. Durch Bestreituog der Sambhüti (Îçâ 12)
Wird ein Entstehen abgewehrt;
,,Wer könnte ihn hervorbringen?"
Dies Wort (Bṛih. 3,9,28) zeigt ihn als ursachlos.
26. Das Wort: ,,er ist nicht so, nicht so" (Bṛih. 4,2,4.),
Absprechend alles Sagbare,
Kann, wie die Unerkennbarkeit
Zeigt, auf Ihn sich beziehen nur.
27. Das Seiende kann nicht werden,
Es wäre denn durch Blendverk nur;
Wer es in Wahrheit läßt werden,
Läßt werden, was schon war vorher.
28. Nicht in Wahrheit, noch als Blendwerk
Kann je entstehn Nichtseiendes;
Ein Sohn der Unfruchtbaren wird
Nicht in Wirklichkeit, noch im Schein.
29. Wie im Traume der Geist regt sich,
Als viel scheinend durch Täuschung nur,
So im Wachen der Geist regt sich,
Als viel scheinend durch Täuschung nur.
30. Ab viel erscheint, der nur eins ist,
Im Traum der Geist,
das ist ja klar;Als viel erscheint, der nur eins ist,
Der wache Geist,
auch das ist klar.
591
Mâṇḍûkya-Kârikâ 3,31.
31. Alles wird nur im Geist sichtbar,
Was als Vielheit hier geht und steht;
Und wenn der Geist von sich selbst kommt,
Ist die Vielheit nicht sichtbar mehr.
32. Sobald der Geist nicht mehr vorstellt,
Weil ihm aufging das Âtman-sein,
Nimmt, als Nichtgeist, er nicht wahr mehr,
Weil nichts mehr wahrzunehmen bleibt.
33. Als ewig wandellos Wissen,
Vom Gewußten verschieden nicht,
Das Brahman wird gewußt allzeit,
Vom Ew'gen Ew'ges wird gewußt.
34. Dieser Vorgang besteht darin,
Daß zwangweis alle Regungen
Des Geistes unterdrückt werden,
Anders ist es im tiefen Schlaf
35. Der Geist erlischt im Tießchlafe,
Nicht erlischt er, wenn unterdrückt,
Sondern Brahman, das furchtlose,
Wird er, ganz nur Erkenntnislicht,
36. Das ew'ge, schlaf- und traumlose,
Das ohne Namen und Gestalt,
,,Mit eins aufleuchtend" (Chând. 8,4,1), allwissend,
Ihm gilt keine Verehrung mehr.
37. Von ihm weicht alle Wehklage,
In ihm ist keine Sorge mehr,
Ganz befriedigt, mit eins Licht, ist
Festes, furchtloses Sinnen es.
38. Kein Nehmen ist da, kein Geben,
Wo keine Sorge mehr besteht,
Dann ist nur in sich selbst ruhend
Das ew'ge Wissen, selbst sich gleich.
39. Das heißt der Ungefühl-Yoga,
Schwer zu schauen dem Yogin selbst,
Da auch selbst Yogin's ihn scheuen,
Vor dem Furchtlosen fürchtend sich.
592
Atharvaveda.
40. Der Geist muß unterdrückt werden,
Damit zuteil dem Yogin wird
Das Furchtlose, das Schmerzlose,
Die Erweckung, die ew'ge Ruh.
41. Wie wenn zerfließt im Weltmeere¹
Der Tropfen, der am Grashalm hing,
So des Geistes Unterdrückung
Erfolgt ohne Beschwerlichkeit.
42. Man unterdrücke methodisch
Den Geist, den Wunsch und Lust zerstreut,
Ganz ruhig wird er dann schwinden,
Sein Schwinden ist wie Liebeslust.
43. Man welß, daß alles voll Schmerzen,
Und wendet sich von Wunsch und Lust;
Man welß, daß alles nur Brahman,
Und sieht nicht das Gewordne mehr.
44. Weckt den Geist, will er nichts werden (einschlafen),
Sammelt ihn, will er sich zerstreun;
Beides wisse man als sündhaft;
Ward er brahmangleich, stört ihn nicht!
45. Freilich schmeckt er dann nicht Lust mehr,
Keiner Begierde sich bewußt:
Sein Denken, ungestört wirkend,
Strebe eifrig zur Einheit hin.
46. Wenn dann weder im Schlaf schwindet
Der Geist, noch auch Zerstreuung sucht,
Dann tritt hervor er als Brahman,
Regungslos und vom Scheine frei.
47. Als frei, beruhigt und leidlos,
Als unaussprechlich höchste Lust,
Als ewig, ewigen Objekts
Allbewußt, schildern Kenner es.
¹ Vielleicht ist udadhau zu lesen. Zur Auffasstmg des Scholiasten kann ich mich nicht entschließen.
593
Mâṇḍûkya-Kârikâ 3,48
.
48. Keine Seele entsteht jemals,
Kein Entstehn ist der ganzen Welt,
Das ist die höchste Heilswahrheit,
Daß es nirgend ein Werden gibt!
Vierter Teil,
genannt Alâtaçânti, ,,die Beilegung des Feuerbrandes¹".
1. Der wie Wolken im Weltraume
Die Vielheiten im Einen welß,
Das Subjekt und zugleich Objekt
Ist,
ihn ehr' ich, den Purusha!
2. Den wir als Ungefühl-Yoga,
Allem Seienden freund und gut,
Widerspruchlos, unanfechtbar,
Aufgezeigt (3,39),
ihm Verehrung sei!
3. ,,
Ein Werden ist nur des, was ist",So sagen manche Denker uns;
,,
Nein! des, was nicht ist", so andre,Gegenseitig in Widerspruch.
4. ,,
Was ist, das kann doch nicht werden!" ,,
Was nicht ist, kann auch werden nicht!" So streitend, für das Nichtwerden,
Gleich Nichtzweiheitlern, zeugen sie.
5. Uns freut, wenn sie dadurch zeigen,
Daß ein Werden unmöglich ist;
Daß wir uns nicht, wie sie alle,
Widersprechen, das höret jetzt.
6. Des Ungewordenen Werden
Nehmen jene Behaupter an,
Doch, was nicht ward, was unsterblich,
Wie könnte sterblich werden das?
¹) D. h. wohl: ,,die Widerlegung des (scheinbaren, durch Umschwingung des Feuerbrandes entstehenden) Funkenkreises".
DEUSSEN, Upanishad's.
594
Atharvaveda.
7. Was unsterblich, kann nicht sterblich,
Was sterblich, nicht unsterblich sein,
Kein Ding kann anders sein jemals,
Als es seiner Natur nach ist (= 3,21).
8. Wenn ein unsterbliches Wesen
Überginge in Sterblichsein,
Nur scheinbar wär' es unsterblich,
Wo bliebe seine Ewigkeit (= 3,22) ?
9. Wesenseigen , bestandbildend,
Angeboren und ungemacht,
Das eigne Sein nie aufgebend,
So ist, was ,,die Natur" (prakṛiti) man nennt.
10. Ungeboren und unsterbend
Sind Selbstheiten (dharma) dem Wesen nach;
Der ist der Selbstheit unkundig,
Der sie entstehn und sterben läßt.
11. Für wen die Ursach wird Wirkung,
Der läßt werden die Ursache,
Wie kann, was ewig ist, werden?
Wie, was eigen ist, trennen sich?
12. Wird die Ursache selbst Wirkung,
Dann ist ewig die Wirkung schon,
Und doch wird sie! und ihr Werden
Läßt die Ursach verloren gehn!
13. Nein! Wer das Ew'ge läßt werden,
Dem steht keine Erfahrung bei;
Und wer Gewordnes läßt werden,
Verfällt in ewigen Regreß!
14. Wenn ein Erfolg des Grunds Ursprung,
Und der Grund Ursprung des Erfolgs,
Dann wären anfanglos beide,
Grund und Erfolg, wie kann das sein?
15. Wenn ein Erfolg des Grunds Ursprung,
Und der Grund Ursprung des Erfolgs,
Dann ist wohl das Entstehn beider,
Wie wenn der Sohn den Vater zeugt?
595
Mâṇḍûkya-Kârikâ 4,16
.16. Grund und Erfolg, wenn entstanden,
Erheischen Reihenfolge doch;
Denn entstehen sie gleichzeitig,
Wie zwei Hörner, so fehlt das Band.
17. Daß aus Erfolgen entspränge
Der Grund selbst, ist beweisbar nicht,
Und ist der Grund unbeweisbar,
Wie kann er wirken den Erfolg?
18. Wenn aus Erfolg der Grund folgte
Und aus dem Grunde der Erfolg,
Welcher von beiden ist früher,
Und sein Folgen nur relativ?
19. So legt Unmöglichkeit (4,14), Unsinn (4,15)
Und Verwirrung der Zeitordnung (4,16
18),In die die Gegner stets fallen,
Für das Nichtwerden Zeugnis ab.
20. Der Fall von Samen und Pflanze
Ist nur scheinbar beweisend hier¹;
Was aber nur beweist scheinbar,
Ist zum Beweisen tauglich nicht.
21. Der Widersinn der Zeitfolge (4,15)
Bestätigt das Nichtwerden nur;
Da Werdendes zurückweisen
Sicher würde auf Früheres.
22. Nicht aus sich selbst, noch aus anderm
Kann ein Wesen entstehen je;
Nicht als seiend, noch nichtseiend,
Noch als beides, kann es entstehn.
¹ Das Verhältnis zwischen Same und Pflanze muß entweder einen Anfang haben oder anfanglos sein; beides aber ist unmöglich. Es hat
keinen Anfang: denn jede Pflanze setzt immer schon den Samen, jeder Same wiederum die Pflanze voraus. Es kann auch nicht anfanglos sein: denn jede Pflanze, jeder Same ist in der Zeit entstanden, hat also einen Anfang. Oder sollen alle Glieder zeitlich, und nur ihr Verhältnis anfanglos sein?Auch das ist unmöglich; na hi vîja-añkura-vyatirekeņa vîja-añkura-saṃtatir nâma ekâ abhyupagamyate; denn das Verhältnis ist nur das Band zwischen den Gliedern, setzt also diese schon voraus und ist ohne dieselben nichts (nach Çañkara).
596
Atharvaveda.
23. Grund und Erfolg, wenn anfanglos,
Schließen das Werden von sich aus;
Wofür es gibt keinen Anfang,
Dafür gibt keinen Anfang es.
24. Wahrnehmung müsse Grund haben,
Weil unmöglich ihr Wechseln sonst,
Auch sei von uns unabhängig
Schmerz und Wahrnehmung,
meinen sie.
25. Wahrnehmung müsse Grund haben,
So beweisen sie künstlich uns,
Doch daß der Grund keinen Grund hat,
Das lehrt Wesensbetrachtung uns.
26. Der Geist berührt nicht Objekte
Und auch nicht der Objekte Schein;
Wenn unreal die Objekte,
Ist's auch, vom Geist getrennt, ihr Schein.
27. Auch nicht, in den drei Zeitläuften,
Berührt je ein Objekt den Geist;
Grundloser Schein noch viel wen'ger;
Wie könnte werden der zum Grund!
28. Darum ist nirgend ein Werden,
Im Subjekt nicht, im Objekt nicht;
Wer eins von beiden läßt. werden,
Der wandelt in den Wolken nur.
29. Weil sonst das Ewige würde,
Ist unwerdend die Wesenheit;
Kein Ding kann anders sein jemals,
Als es seiner Natur nach ist (= 3,21. 4,7)
30). Wär' anfanglos der Samsâra,
So könnte er nicht endlich sein;
Wär' die Erlösung einfangend,
Sie könnte nicht unendlich sein.
31. Was nicht vorher und nicht nachher,
Ist auch nicht in der Zwischenzeit;
Obwohl es unwahr ist , wird es
Für nicht unwahr doch angesehn (= 2,6).
597
Mâṇḍûkya-Kârikâ 4,3
2.32. Des Wachens Tun ist zweckmäßig,
Aber nicht, wenn wir träumen, mehr;
Drum, weil es anfängt und aufhört,
Kann auch es nur auf Trug beruhn (= 2,7).
33. Was im Träume wir wahrnehmen,
Ist irrig, weil im Körper nur;
Wie ließen Dinge sich schauen
In diesem eingeschlossnen Raum ?
34. Auch ist die Zeit nicht hinreichend,
Hinzugehen, um sie zu sehn;
Auch finden wir beim Aufwachen
Und nicht da, wo wir sie gesehn (vgl. 2,2).
35. Und was mit ändern man absprach,
Besteht nicht mehr, wenn man erwacht;
Und was im Traume man faßte,
Hält man, erwacht, in Händen nicht.
36. Auch was wir von dem Leib träumen,
Ist unwahr und nicht wie es ist;,
Unwahr wie dieses, ist alles,
Was der Geist. nimmt im Wachen wahr.
37. Was wir, wie wachend, wahrnehmen
Im Traum, hat seinen Grund in uns;
So hat in uns seinen Grund auch,
Was wir im Wachen nehmen wahr.
38. Unbegreiflich ist Entstehung;
Alles als ewig lehrt die Schrift;
Nimmermehr kann hervorgehen
Aus Seiendem Nichtseiendes (Werdendes).
39. Nichtseiendes sehn wir wachend;
Das Traumbild ist aus gleichem Stoff.
Nichtseiendes sehn wir träumend;
Wenn wir erwachen, ist es nichts.
40. Nichtsein gebiert doch nicht Nichtsein,
Nichtsein gebiert auch nicht das Sein:
Und auch das Sein gebiert Sein nicht;
Sein kann Nichtsein gebären nicht.
598
Atharvaveda.
41. Wie man im Wachen als Irrtum
Unmögliches als seiend fasst,
So auch im Traume aus Irrtum
Sieht man Wesen erscheinen sich.
42. Aus Wahrnehmung und Herkommen
Halten am Realismus sie;
Was sie kennen ist nur Werden,
Zurückschreckend von dem, was ist.
43. Manche¹ vom Sein zurückschreckend,
Wenn auch nicht bloße Wahrnehmer,
Des Werdens Mängel nicht meiden;
Mängel bleiben es, wenn auch klein.
44. Durch Wahrnehmung, durch Herkommen
Heißt auch ein Blendwerk Elefant;
Durch Wahrnehmung, durch Herkommen
Heißt auch das Ding ein seiendes.
45. Werden ist Schein, Bewegung Schein,
Das Dingliche ist bloßer Schein;
Nichtwerdend, unbewegt, dinglos,
Still, zweiheitlos die Wahrheit ist.
46. So ist kein Werden im Subjekt,
Im Objekte kein Werden ist;
Wer dieses hat erkannt einmal,
Fällt nicht zurück ins Gegenteil.
47. Wie Funkenschwingung den Schein gibt
Grader und krummer Linien,
So den Schein Bewußtseinsschwingung
Von Auffassen und Aufasser.
48. Wie ungeschwungen der Funke
Nicht erscheint, nicht entsteht (als Kreis),
So Bewußtsein ungeschwungen
Erscheint nicht und entsteht auch nicht.
1 Die Anhänger des (religiösen) Herkommens (samâcâra), welche das Seiende in der Form des Werdens, die Wahrheit im Gewande des Mythos besitzen.
Bemerkenswert ist die Zurückhaltung, mit der sie hier getadeltwerden.
599
Mâṇḍûkya-Kârikâ 4,49
.49. Schwingt der Funke, so kommt der Schein
Nicht von anßen her irgendwie,
Nicht von anderm als dem Schwingen,
Nicht ist Zuwachs dem Funken er.
50. Auch nicht entflieht er dem Funken,
Weil er nicht hat ein Wirklichsein,
Ebenso ist's beim Erkennen,
Denn auch dieses ist bloßer Schein.
51. Schwingt Erkenntnis, so kommt der Schein
Nicht von außen her irgendwie,
Nicht von anderm als dem Schwingen,
Nicht ist Bewußtseinszuwachs er.
52. Nicht entflieht er dem Bewußtsein,
Weil er nicht hat ein Wirklichsein;
Weil Verursachtsein unwirklich,
Ist als wirklich undenkbar er.
53. Ein Ding, so meint man, sei Ursach
Des Daseins für ein andres Ding,
Doch für die Wesenheit gibt es
Kein Dingsein und kein Anderssein.
54. Weder aus Geist entspringt Dasein,
Noch aus Dasein entspringt der Geist;
Drum nehmen Weise kein Werden
Des Grunds oder Erfolges an.
55. Wer noch Grund und Erfolg annimmt,
Dem entstehn aus einander sie;
Wer frei von dieser Annahme,
Für den entstehen sie nicht mehr.
56. Wer noch Grund und Erfolg annimmt,
Für den streckt der Saṃsâra sich;
Wer frei von dieder Annahme,
Der ist auch vom Saṃsâra frei.
57. Wer geistumnachtet, sieht werdend
Alles, ein Ew'ges kennt er nicht;
In Wahrheit alles ist ewig,
Vernichtetwerden gibt es nicht.
600
Atharvaveda.
58. Die Wesenheiten, die werden,
Die werden nicht in Wirklichkeit;
Ihr Entstehen ist nur Blendwerk,
Und Blendwerk ist nicht Wirklichkeit.
59. Wie, wo der Same nur Blendwerk,
Auch die Pflanze ein solches ist,
Nicht wesenhaft noch austilgbar,
So stehts mit allen Dingen hier.
60. Da alle Dinge nicht wirklich,
Gibt nicht Dauer es noch Vergang;
Wo alle Farben wegfallen,
Ist keine Unterscheidbarkeit.
61. Wie in des Traumes Scheinvielheit
Der Geist irrtümlich ist verstrickt,
So in des Wachens Scheinvielheit
Ist irrtümlich der Geist verstrickt.
62. Wie träumend eine Schein-Vielheit
Erblickt der vielheitlose Geist,
So wachend eine Schein-Vielheit
Erblickt der vielheitlose Geist.
63. Was man, im Traum umherschweifend
In allen Himmelsgegenden,
An Tieren, Vögeln, Insekten
Nur immer wahrzunehmen meint,
64. Das besteht nirgendwo anders
Als im Geiste des Träumenden;
Drum alles, was er dann sieht, ist
Nur Bewußtsein des Träumenden.
65. Was man, wachend umherschweifend
In allen Himmelsgegenden,
An Tieren, Vögeln, Insekten
Nur immer wahrzunehmen meint,
66. Das besteht nirgendwo anders
Als im Geiste des Wachenden;
Drum alles, was er dann sieht, ist
Nur Bewußtsein des Wachenden.
601
Mâṇḍûkya-Kârikâ 4,67
.
67. Das Ding und seine Vorstellung
Bedingen gegenseitig sich;
Bestandlos ist für sich jedes,
Nur im Bewußtsein stehn sie da.
68. Wie wir von einem bloß träumen,
Daß er geboren wird und stirbt,
So sind all diese Weltwesen
Wirklich und doch auch wirklich nicht.
69. Wie wir im Wahngebild schauen,
Daß einer lebt und wieder stirbt,
So sind all diese Weltwesen
Wirklich und doch auch wirklich nicht.
70. Wie Zauberkunst uns läßt schauen,
Daß einer lebt und wieder stirbt,
So sind all diese Weltwesen
Wirklich und doch auch wirklich nicht.
71. Keine Seele entsteht jemals,
Kein Entstehn ist der ganzen Welt;
Das ist die höchste Heilswahrheit,
Daß es nirgend ein Werden gibt (= 3,48).
72. Was zweifach als Subjekt-Objekt
Scheint, ist Bewußtseinsschwingung nur (4,47);
Der Geist ist ewig objektlos,
,,An ihm haftet nichts", lehrt die Schrift (Bṛih. 4,3,15).
73. Wie es künstlich durch Annahme (3,15),
So ist es nicht in Wirklichkeit;
Was andre Schulen aunehmen,
Ist für sie, nicht in Wirklichkeit.
74, Was als ewig sie annehmen
Künstlich, ist wirklich ewig nicht;
Das Resultat andrer Schulen
Zeigt als Irrtum und werdend es.
75. An das, was nicht ist, Anpassung
Beweist nicht, daß es Zweiheit gibt;
Ist ihr Nichtsein erkannt, dann fällt
Die Anpassung als zwecklos weg.
602
Atharvaveda.
76. Wenn man nicht annimmt Ursachen
In allen Reichen der Natur,
So auch nicht ihre Vorstellung;
Mit der Ursach' die Wirkung fällt.
77. Geist ist grundlos; das Nichtwerden,
Zweiheitlos, ist ihm eigen stets;
Geisterscheinung nur ist Zweiheit
Des Ewigen, das alles ist.
78. Grundlosigkeit als wahr wissend,
Verwerfend Einzel-Ursachen,
Gelangt man zu dem furchtlosen,
Wunschlosen, kummerlosen Ort.
79. Sich anpassend dem, was nicht ist,
Bleibt in solches vertrickt der Geist;
Der Dinge Nichts erkannt habend,
Kehrt er zum Anhaftlosen (4,72) sich.
80. Wer dies ergreift und nicht läßt mehr,
Des Stand bleibt unbeweglich dann;
Der Weisen Ziel ist dies ew'ge
Zweiheitlose Identischsein.
81. Das schlummerlose, traumlose
Ew'ge ist dann sich selber Licht (Bṛih. 4,3,14. Kâṭh. 5,15):
,,Für immer licht" (Chând. 8,4,1) ist dies Wesen,
Ist diese Wesenheit an sich.
82. Gar leicht verbirgt er uns immer,
Gar schwer enthüllt sein Wesen er,
Solang wir einzeln auffassen
Die Dinge,
er, der heilige.
83. ,,Er ist!" ,,Ist nicht!" ,,Ist und ist nicht!"
,,Er ist nicht nicht!" so denkend ihn
Unstät, stät¹ zwiefach, neinsagend,
Verbirgt sein Wesen sich der Tor.
84. Durch dieser vier Gesichtspunkte
Verfolgung bleibt verborgen stets
¹ Man erwartet: ,,stät (er ist), unstät (ist nicht)".
603
Mâṇḍûkya-Kârikâ 4,84.
Der Heil'ge, unberührt durch sie,
Doch allschauend ist, wer ihn schaut.
85. Wer voll besitzt die Allschauung,
Den zweiheitlosen Brahman-Ort,
An dem nicht Anfang, Mitt', Ende,
Dem bleibt nichts zu erstreben mehr.
86. Das heißt echte Gemütsruhe,
Das ist die wahre Priesterzucht,
Das ist der Selbstnatur Zähmung,
Wer sie kennt, geht zur Ruhe ein.
87. Wahrnehmunghaft und objekthaft
Ist die zweithafte Weltlichkeit (Wachen);
Wahrnehmunghaft und objektlos
Ist geläuterte Weltlichkeit (Traum).
88. Wahrnehmunglos und objektlos,
Das heißt die Überweltlichkeit;
Ihr Subjekt ist zugleich Objekt,
So lehrten Weise aller Zeit.
89. Subjekt und die drei Objekte (4,87
88)
Stufenweis als in sich erkannt,
Daraus entsteht die Allschauung,
Allerwärts des Hochsinnigen.
90. Erst frage man: was soll werden
Geflohn, erkannt, erlangt und reif?
Fürs Erkennen gilt Wahrnehmung,
Und so auch für die andern drei.
91. Alle Wesen sind ursprünglich
Unbegrenzt und dem Raume gleich (3,3 fg.),
Und nicht ist irgendwo Vielheit
Unter ihnen, in keinem Sinn.
92. Alle Wesen sind ursprünglich
Urerweckte (âdibuddha), das ist gewiß;
Wer dieses sich genug sein läßt,
Der ist reif zur Unsterblichkeit.
93. Sie alle sind auch ursprünglich
Urberuhigt, voll Seligkeit;
604
Atharvaveda.
Sich gleich alle und unteilbar,
Ew'ge, reine Identität.
94. Doch diese Reinheit ist nicht mehr,
Wenn sie vielfach zersplittern sich;
Vielheitversunken, zwiespältig
Heißen darum armselig (3,1) sie.
95. Doch wem hier zur Gewißheit ward
Die ewige Identität,
Der welß in dieser Welt Großes,
Die Welt aber versteht es nicht.
96. Wissen des Ew'gen ist ewig
Auch, mit nichts sonst befassend sich;
Als nichtbefassend sich, heißt dies
Wissen das unanhaftende (4,72. 79).
97. Doch wo die kleinste Ungleichheit
Für wahr hält der unweise Geist,
Da ist weder Nichtanhaftung
Noch Weichen der Verdunkelung.
98. Alle Seelen sind ursprünglich
Frei vom Dunkel und fleckenlos,
Urerweckt schon und urerlöst
Erwachen sie, der Meister spricht.
99. Wie die Sonne durch sich leuchtet,
So Wissen ohne Dinge auch;
Alle Dinge sind nur 'Wissen,
Unsagbar dem Erweckten selbst.
100. Die dunkle, überaus tiefe,
Ew'ge, reine Identität,
Der Einheit Stätte nach Kräften
Erkannt habend, verehren wir!
605
Garbha-Upanishad.
¹...
<<
Deussen, Prof. Dr. Paul, "Sechzig Upanishad's des Veda - aus dem Sanskrit übersetzt und mit Einleitungen und Anmerkungen versehen von Dr. Paul Deussen, Professor an der Universität Kiel", zweite Auflage, Leipzig, F.A. Brockhaus, 1905
Swami Nikhilananda's Übersetzung der Mândûkya-Upanishade, des Kommentars von Gaudpada sowie Shankara's Kommentar dazu wie vom Autor dieser WEBSeite ins Deutsche übersetzt.
Da muß ich erst noch einige Urheberrechtsaspekte klären.
Fertig wäre meine Übersetzung, bis auf Überarbeitungen im Laufe der Zeit dann, durchaus schon.