ins Deutsche übersetzt vom Kapuzinerpater Josef Abs
Hier ein Auszug zum Thema Yoga
In einem Buch von 1923, titels "Indien Religion, der Santana-Dharma, Eine Darstellung des Hinduismus, übersetzt und erläutert vom Kapuziner-Pater Pater Josef Abs, erschienen bei Kurt Schroeder in Bonn/Lepizig, findet man dazu auf den Seiten 36 bis 42 nähere Ausführungen, die jedoch ein gänzlich anderes Bild ergeben als das was Pfarrer Haak und Andere der Lehre der "Transzendentalen Meditation" demzufolge dann anzudichten - versehentlich oder auch absichtlich - unternahmen.
Man kann das Buch bei www.archive.org/USA lesen: siehe https://ia803408.us.archive.org/0/items/dli.ministry.14744/ignca-s14929-rb.pdf bzw https://archive.org/search.php?query=Der%20Sanatana-Dharma
Pater Josef Abs (siehe zB.: https://opacplus.bsb-muenchen.de/title/BV006212881) wurde 1889 geboren, sei Kapuziner-Pater und Indologe gewesen. Per des angebenen Links findet man bei Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Abs_(Indologe), daß er 1914 in Calcutta Professor werden,was durch den Ausbruch des 1. Weltkriegs dann nicht zustande kam. Er sei nach 1935 verstorben und habe zuletzt in Bonn gelebt gehabt.
| >> |
Die "Introduction" des Orginaltextes beginnt mit dem Vedavers: "Saṃgacchadhvaṃ saṃvadadhvaṃ saṃ vo manāṃsi jānatām, devā bhāgaṃ yathā pūrve ṡaṃjānānā upāsate" (Rg. V. X, 191,21), der sich also übersetzen ließe: "Eins im Geist zu Wort und Rede mögt ihr all zusammenwollen, wie die Götter einst ohn' Fehde zogen zu den Opferhallen." |
| |
Nach dem Weltkriege entstand in Indien die Idee, ein "würdiges Kriegsdenkmal" zu errichten. Dieses Dekmal sollte ein Symbol des großen Friedens und der zu erhoffenden Völkerversöhnung werden. Es war in Form einer "Hall of all Religions" gedacht, mit der Aufgabe, das Studium der Weltreligionen und der Philosophien der Völker zu fördern. Diese "Hall of all Religions" mit dem Hauptsitz Benares (Anm. des Verfassers dieser Webseite: auch Varanasi genannt) sucht durch Gründung einer Akademie der vergleichenden Religionswissenschaft und Philosophie, Bibliothek und Kultstätten für die einzelnen Religionen wie durch Publikation einschlägiger Werke älteren und neueren Ursprungs dieser Aufgabe gerecht zu werden. Eines der Hauptunternehmen in literarischer Hinsicht bildet eine Sammlung unter dem Titel "Hall of all Religions", das in den einzelnen Bänden die Weltreligionen möglichst aus der Feder ihrer eigenen Bekenner zur Darstellung bringen will. Der Herausgeber hat es unternommen, diese Bände in deutscher Sprache zugänglich zu machen, ohne sich damit mit ihrem Inhalt identifizieren zu wollen. Die einzelnen Bände sollen möglichst von Fachleuten übersetzt und bearbeitet werden. Jeder Bearbeiter übernimmt die Verantwortung für seine Arbeit. Die Veröffentlichung hat der Verlag Kurt Schröder, Bonn und Leipzig, in großzügiger Weise übernommen. In Benares hat sich, um die Idee der "Hall of all Religions" zu verwirklichen, der "Sri Bharat Dharma Mahamandal" gegründet, was man mit "indische Religionsgesellschaft" wiedergeben könnte. Seit den wenigen Jahren ihres Bestehens entfaltet sie eine rührige Tätigkeit. Das vorligende Buch ist die Übersetzung und Bearbeitung des ersten Bandes der "Hall of all Religions", das von dem Sri Bharat Dharma Mahamandal in englischer Sprache und zahlreichen Saṃskṛt-Texten veröffentlicht wurde unter dem Titel: "The World's Eternal Religion. Published by the Department of Sri Bharat Dharma Mahamandal, Benares (India) (1920)." Wie aus der "Introduction" hervorgeht, wurde das Buch von dem literarischen Institut des Sri Bharat Dharma Mahamandal unter der Leitung von Sri Guru Dev verfaßt. Der Zweck des Buches ist die Darlegung des Wesens, Sinnes und Zweckes des "Sanātana-Dharma", der "ewigen Religion", wie hier Indiens Religion genannt wird, nicht nur für Inder, sondern für alle, die sich für vergleichende Religionswissenschaft interessieren. Erstes bis vierundzwangsten Kapitel ist die Übersetzung des englischen Orginaltextes, der übrige Inhalt ist die Arbeit des Herausgebers. Der Zweck der "Halle der Religionen" soll der sein, eine möglichst ausführliche und objektive Darstellung aller größeren und bedeuteren Religionen der Welt zu geben. Mit der Darlegung der großen Religionen Indiens, des "Hinduismus", wurde der Anfang gemacht. Es ist schwer, wenn nicht unmöglich, die großen und kleinen Religionen Indiens als einheitliches, streng geschlossenes Ganze darzustellen, und es ist noch schwerer, den Hinduismus als einheitliche Religion zusammenzufassen und zu definieren. ... |
| << | |
| | "Indiens Religion, der Sanātana-Dharma", Eine Darstellung des Hinduismus, übersetzt und erläutert vom Kapuziner-Pater Pater Josef Abs, erschienen bei Kurt Schroeder in Bonn/Lepizig, aus Seite XI bis XVII |
>> | ||
Zweites Kapitel.
DER DHARMA. Die Universalreligion.
Bedeutungen und Ableitungen des Wortes Dharma. - Das Wort Dharma ist abgeleitet von der Wurzel dhṛ, halten. Es bedeutet:"Das was hält" oder "Das, durch welches das Universum gehalten wird". Das Mahābhārata erkennt diese etymologische Erklärung von dharma an und bestimmt sie als alle Schöpfung haltend, so daß alles Dharma ist, was den Charakter des Haltens hat,1). Ähnlich sind Nutzen und Macht des Dharma in der Nārāyaṇā-Upaniṣad beschrieben, wo Dharma eine Quelle der Hilfe für alle und alles, ein Tilger der Sünden ist ²). Viel weiter ist noch die Bedeutung des Wortes Dharma. Jene Śakti (als göttliche Macht, göttliches Gesetz, göttlicher Wille) ist Dharma, die das ganze Universum durchdringt und ihr harmonisches Wirken lenkt, die der Urgrund ist für das Entstehen, die Erhaltung und die endliche Auflösung oder Aufnahme des Alls in das Göttliche. ------------------
Dharma als göttliches Gesetz. - Der göttliche Wille oder das göttliche Gesetz, das sich also offenbart, wird gleichfalls Dharma genannt ³). Wir sehen das beständige Wirken der Kräfte der Anziehung und Abstoßung im Universum. Dharma ist die Kraft, die das Gleichgewicht beider Kräfte in der Schöpfung erhält. Die Sonne zieht die Erde an, die Erde bewegt sich um die Sonne, der Mond um die Erde, und alle bleiben in ihrer Lage; das ist das Wirken des Dharma. Es ist durch Dharma, daß ein Ding ist, was es ist 4). Wenn Dharma nur für einen Augenblick aufhörte zu wirken, würde alles und jedes in Verderb und Ruin untergehen; die Erde würde, den Mond niederdrängend, mit ihm in einem mächtigen Krach zusammenstoßen; die Sonne würde Planeten und kleinere Sonnen an sich ziehen, und das ganze Himmelsgebäude wäre in einem Augenblicke zerschmettert. Wo wäre unsere schöne Welt ohne diesen Dharma? Die Astronomie lehrt uns, daß jedes Weltsystem seine eigene Sonne, seine Planeten, Satelitten und Sterne hat, die alle im Gleichgewicht gehalten werden durch das Gesetz der Anziehung und Abstoßung. Die Sonne drängt und treibt die Erde nicht aus ihrer Stelle, sie zu zerstören. Die größeren Planeten zerschmettern die kleineren nicht zu Atomen, sie im Fluge treffend. Was erhält die Ordnung im Weltsystem? Es ist Dharma. Die materielle Wissenschaft nimmt an, die Kräfte von Anziehung und Abstoßung stehen im Zusammenhang mit Molekülen und Atomen. Es wurde gezeigt, daß Dharma das Gleichgewicht zwischen beiden hält. Alles in der Natur, der Praktṛti, von dem Sonnenball bis zum kleinsten Atom, steht unter dem Dharma, der schon als göttliche Macht oder göttliches Gesetz bezeichnet wurde. -----------------
Die Beziehung von Dharma zur Schöpfung. - Unsere Welt entstand aus dem Dharma. Im Anfang der Schöpfung überwog die Kraft der Anziehung. Moleküle zogen Moleküle an, und so entstand diese sichtbare Welt. Die endliche Auflösung kommt durch das Überwiegen der Abstoßungskraft, - Moleküle werden so lange stoßen und zerteilen, bis alle Dinge zersetzt sind; das Ende wird Pralya - allgemeiner Untergang - sein. Es gibt ein Gleichgewicht zwischen den Kräften der Anziehung und Abstoßungin allen Körperformen des Universums und das, was das Gleichgewicht bewirkt, ist Dharma. ----------------- Dharma als Evolution. - Die alten Hindu's kannten das Prinzip der Entwicklung, lange, lange eher Darwin und andere es im Westen lehrten. Die Hinud's nehmen an, daß der Jīva (Lebewesen)5) auf seinem Wege zum Ziele, stetig, stufenweise weitergeht, erst als Pflanze, dann als Tier, durch unzählige Yoni's (Mutterschöße) oder Pforten der Wiedergeburt, bis er zuletzt als Mensch geboren wird. Es ist Dharma oder göttliches Gesetz, das den Jīva, noch ganz unentwickelt und fast empfindungslos im Anfang, zur Stufe des Menschentums, zum vollbewußten und vollentwickelten Wesen geführt hat. Und im Laufe der Zeit wird Dharma ihn noch höher leiten. Alle Jīva's befolgen diesen strengen Lauf der Entwicklung von der allerfrühesten denkbaren materiellen Daseinsbedingung bis zur höchsten, regelmäßigen Entwickelung in der Form von Selbstbewußtsein und denkendem menschlichen Sein. Die Stufen leiten vom grobmateriellen zum intelligenten Sein. Das Leben, als Erstanfang genommen, ist die Offenbarung im Pflanzenreich. Jedes entwickelte Sein entfaltet die Eigenschaften, die seinen konstituierenden Elementen entsprechen. Im pflanzlichen leben ist das "Grobe" vorherrschend, Sepise (anna), was in der wohldurchdachten Sprache der Ṛṣi's Annamya-kośa (Speise-Hülle) heißt. Dann kommt das schweißgeborene Leben (Svedaja-sṛṣṭi), in welchem der Annamya-kośa (Denksinn-Hülle) höher steht als die beiden andern. Zuletzt folgt die Jarāyuja-sṛṣṭi, das vom Mutterleib geborene Leben, wo der Vijñāmaya-kośa 6) (Freuden-Hülle) obenansteht. In dieser Stufe der Entwickelung offenbart sich klar das Gefühl der Freude in dem speziellen Akt des Lachens, das in keiner vorherigen Stufe beobachtet wurde. Schüler der Logik werden sich der treffenden Definition des Menchen erinnern: "Der Mensch ist ein lachendes Wesen." -Dharma ist es, der diese aufsteigende Kette der Entwickelung hält, aus der es kein Entrinnen gibt. Wer kann diesem allmächtigen, göttlichen Dharma widerstehen? Das Gesetz kennend, können wir nur mit ihm wirken, es unterstützen, ohne Härte zu wirken, daß es uns sicher zu unserer Bestimmung leite. Gegen das Gesetz gehen heißt unsere Entwickelung hindern. Dharma selbst lehrt uns, wie wir feinfühlig und harmonisch mit ihm wirken können, um unsere stufenweise Entwickelung zu sichern. Alle Jīva's, die nicht Menschen sind, stehen völlig unter der Macht der Prakṛti (Natur) und folgen automatisch ihren Gesetzen. Diese Jīva's werden liebevoll genährt und aufgezogen von einer besorgten Mutter. In den niederen Stufen der Entwickelung gehorchen sie wie pflichttreue Kinder instinktiv ihren Anordnungen, in all, ihren Handlungen wie Essen, Trinken, Schlafen, Begatten. Wenn dann der Jīva Mensch wird, das höchstentwickelte Wesen auf Erden, dann entfaltet er die Macht des Verstandes und der Vernunft und teilweise des freien Willens. Erkenntnis erlangend, erwirbt er die schreckliche Macht über Gut und Böse. Jetzt strebt er sogar nach der Macht der Natur. Siehe, wie der Mensch durch seine Kenntnis der Naturgesetze deren Kräfte verwertet zu seinen Absichten! Als Folge seiner ungeheuren Kräfte, die den Stolz in ihm wecken, wagt der Mensch sogar, die Naturgesetze zu verletzen. Das Ergebnis davon ist, daß die stufenweise und stetige Entwickelung eines solchen Wesens gehemmt wird; es muß hinab auf die niederen Stufen. Dharma allein kann ihn wider emporheben. Deshalb können wir sagen: Das Gehen mit der Natur und nie gegen sie, ihre Gesetze befolgend und stufenmäßig uns entwickelnd, bis wir zuletzt das Ziel unserer Entwickelung erreichen, - das ist Dharma. Das Zurückfallen in die niederen Stufen der Entwickelung durch Zuwiderhandeln gegen die Natur und ihre Gesetze, - das ist Adharma oder Nicht-Dharma. --------------------
Dharma im Menschen. - Die indischen Ṛṣi's erklären den Begriff des Dharma noch in anderer Weise. Sie sagen, daß alle geschaffenen Dinge drei Guṇa's, Prinzipien, haben, nämlich: Sattya (Güte, Licht, Glückseligkeit, Reinheit, usw.), Rajas (Aktivität), Tamas (Übel, Dunkel, Unwissenheit, Inaktivität), die später erklärt werden. Die Handlungen, die die Prinzipien von Tamas und Rajas unterdrücken und das Wachstum von Sattva befördern, sind Dharma. 7). Im Universum offenbart sich das Prinzip des Rajas als Anziehungskraft, Tamas als Abstoßungskraft. Was das Gleichgewicht beider Prinzipien in der Welt erhält, ist, wie schon gesagt, Dharma. Im Menschen offenbart sich Rajas als Rāga (Neigung) und Tamas als Dveṣa (Abneigung). Wo das Gleichgewicht zwischen beiden im Menschenherzen waltet, tritt Sattva als Erkenntnis in die Erscheinung. Jedes Handeln, das diesen Zustand bewirkt, ist Dharma. Der Jīva wandert gemäß dem Prinzip der Evolution folgenweise durch die Stufen des Pflanzenlebens, des Schweißlebens, des eingeborenen Lebens, des leibgeborenen Lebens, Bewußtsein und Macht höher und höher entfaltend, bis er den Zustand des Menschen erreicht, wo sein Bewußtsein zum vollen Selbst-Bewußtsein entwickelt wird. Deshalb ist kein Wesen außer dem Menschen verantwortlich zu machen für gute und böse Taten oder, mit anderen Worten, für Puṇya und Pāpa (Verdienst und Sünde)8). Die Handlungen des Menschen, ob sie auf Geist, Leib odr Worte sich beziehen, die die Erkenntnis vermehren und zur Unterscheidung von Dharma und Adharma führen, werden in den Veda's Dharma genannt.
Der Dharma der Hindu's ― Der Hindu-Dharma ist das eherne Naturgesetz. Da dies gesetz alldurchdringend ist, muß jeder Mensch und jede Nation auf der Erde, bewußt oder unbewußt, dem Hindu-Dharma unterworfen sein. Alle Religionen der Welt gehören unter diesen Dharma. Wir kennen die Namen verschiedener Glaubensrichtungen unter dem Namen Dharma, wie Buddhismus, Jainismus, Christentum, Mohamedanismus. Aber Indiens ewiger Dharma ist "der Dharma" schlechthin; es ist der Universal-Dharma. Obwohl in unserer modernen Zeit dieser ewige Dharma mit verschiedenen Lieblingsnamen benannt worden ist, so finden wir in den heiligen Hinud-Schriften gar keine anderen Namen als "der Dharma". Fürwahr, "der Dharma" ist der einzige passende Name dafür, auf Grund der Universalität, Liberalität, der friedlichen Toleranz und einer alles umfassenden Sphäre, wie des allmächtigen Gottes selbst, der ihn charakterisiert. ――――――
Die drei Guṇa's ― Dharma oder das göttliche Gesetz, auch Śakti genannt, wird in unseren Śāstra's, wie schon bemerkt, unter drei Gsichtspunkten betrachtet, als Sattva, Rajas und Tamas. Diese drei durchdringen die ganze Schöpfung. Das Vorherrschen von sattva im Menschen macht ihn rein, gut, beschaulich. Rajas bewirkt sein Handeln. Dieses Pinzip wiegt vor in den Nationen des Westens. Tamas gibt Anlaß zu schlechten Gedanken und üblen Leidenschaften. Jedes Menschen Ziel sollte es sein, das Sattva-Prinzip in sich zu vermehren. Denn dieses Prinzip hilft ihm positiv, die natürliche Entwicklung des Jīva zu seinem Ziele hin zu erreichen, während die anderen Prinzipien das verhindern. Das Wachen von Sattva im Menschen macht ihn selbstlos, sich selbst verleugnend, rein, heilig, gerecht und gütig. Es bringt ihm Segen und Frieden. So wird sein Weg zum Ziele nach und nach gerade und leicht. Deshalb sind die Taten, die das Wachstum dieses Guṇa befördern, Dharma. Tamas nährt Unwissenheit, Selbstsucht, Inaktivität, Eitelkeit, Gier, alle bösen Lüste und niederen Leidenschaften im Menschen. So wird seine Knechtschaft härter; er bleibt an die niedrige Erde gefesselt; seine Entwicklung wird verzögert. Deshalb ist alles, was dieser Guṇa fördert, böse, es ist Adharma, Nicht-Dharma. So fallen nach den Hindu-Śāstra's alle Handlungen des Menschen, ob geistige, ob physische, unter Dharma als Puṇya oder Tugend und unter Adharma als Pāpa oder Sünde. Aus diesem Grunde heißt es in den Hindu-Schriften, werden die Handlungen des Essens, Trinkens, Schlafens, Sehens, Hörnes und alle andere Handungen des Menschen als Dharma oder Adharma gewertet. Nach der Kenntnis, die wir von der Religion haben, liegen alle Dinger in der Welt und alle Handlungen der Lebewesen in der Sphäre von Dharma oder Adharma, mit denen sie verschlungen bleiben.
――――――
Des Menschen Ziel gemäß dem Dharma. ― Für die Religion der Hindu's, als praktischer Teil des Dharma genommen, haben wir keinen besonderen Namen. Alle Religionsübungen gründen auf Sadā-cāra, auf den Übungen des Guten und Weisen. Das ganze Leben eines Hindu ist Religion. Bei andern Völkern ist Religion nur ein Teil des Lebens; eine scharfe Linie wird gezogen zwischen Religion und täglichem Leben, als hätte Religion wenig zu tun mit dem Alltagswirken. Nicht so die Hindu's. Sie machen keinen Unterschied zwischen Religion und Alltagsleben. Ihr ganzes Leben wird gelenkt von Religion, selbst der Tod ist bei ihnen Religion. Hier möge bemerkt werden, daß die Gründer anderer hervorragender Religionen ihre entsprechenden Systeme in Dogmen und arbiträren Regeln formulierten, sie als unverletztliche Gesetze niderlegend, so daß es keinen Weg zur Erlösung gab als durch ihr besonderes "Glaubensbekenntnis", ihr "Credo". Aber der Sanātana-Dharma Indiens ist nicht gekennzeichnet durch einen solchen Geist der Engherzigkeit oder Ausschließlichkeit. Es ist kein besonderes "Credo", das nur eigenen Anhängern Erlösung verheißt; er ist der Universal-Dharma, für alle Menschen, für alle Zeiten. Von dem Weisen Kaṇāda wird in seiner Vaiśeṣika-Philosophie der Dharma also definiert 9): "Was materiellen und geistigen Fortschritt und endliche Erlösung bewirkt, das ist Dharma."
Dharma ward ausführlich beschrieben, und es wurde festgestellt, daß er das ganze Universum durchdringt als die dreifache Kombination von Sattva, Rajas und Tamas. Das "Äquilibrium" diesr drei Prinzipien ist Prakṛti und folglich auch von den drei Prinzipien darin. Das Ziel der Seele ist die Befreiung von den Wirkungen der drei Guṇas', die sie in ihrer Unwissenheit sich selbst zuschreibt 10). Dies Ziel wird in unseren Schriften mit verschiedenen Namen benannt: Niḥśreyasa, Mokṣa, Mukti, Apavarga, Sāyujya, Nirvāṇa, die alle dasselbe besagen sollen. Das ist nun das segensreiche Ziel des Menschen. Jedes Wesen auf Erden arbeitet bewußt oder unbewußt an der Erreichung dieses Zieles. Es kann nicht dagegen; es ist seine wahre Natur; denn es steht unter der eheren Faust des Dharma-Gesetzes; und sie Gesetz treibt zu diesem Ziele hin. Von diesem Standpunkte aus beurteilen die Hindu's jede menschliche Handlung. Verhilft mir eine Handlung zu dem Ziel? Bringt eine Tat ein Wesen einen Schritt näher zu dieser hehren Bestimmung? Wenn ja, wird die Tat eine gute genannt: Dharma, Pflichterfüllung, Sittlichkeit, Tugend, also Puṇya. Wenn nein, ist sie eine schlechte, Adharma, unsittlich oder Pāpa. Verschieden Mittel werden von den Ṛṣi's vorgeschrieben, dies Ziel zu erreichen, das höchste Wonne ist. Diese Mittel sind, wie verschiedene Wege, zu einer gemeinsamen Bestimmung hinleitend. Der Mensch kann den Weg wählen, der ihm am geeignesten erscheint. Er soll den Bruder nicht schelten, der, zu demselben Ziele eilend, einen andern Pfad betritt, der dessen Neigung, Temperament und Geschmack entspricht. Aus der Vergangenheit der Pfade können drei als die hauptsächlichsten genannt werden: a) der Pfad von Dāna, Mildtätigkeit, Gabe; b) der Pfad von Tapas, Buße.; c) Der Pfad von Yajña, Opfer. Unter den letzten fallen die wohlbekannten Pfade von dem selbstlosen Werk oder Karma-yoga, der Liebe oder Bhakti-yoga, der Erkenntnis oder Jñāna-yoga, die im III. Kapitel behandelt werden.
Die Begriffe des Westens über Religion. ― Jetzt wollen wir kurz die Begriffe geben, die einige der größten Philosophen und Denker des Westens über Religion hatten. Nach Kant ist Religion "Moralität". Wenn wir alle unsere moralischen Pflichten als göttliche Gebote betrachten, ist das Religion". Dann müssen wir bedenken, daß Kant diese Pflichten nicht deshalb für moralische Pflichten hält, weil sie auf einem göttlichen Gobote beruhen; nach Kant wäre das rein geoffenbarte Religion. Im Gegenteil, er sagt uns: ,,Weil wir uns ihrer unmittelbar als Pflichten bewuß sind, deshalb betrachten wir sie als göttliche Gobote," Gemäß den Hindulehren sind Pflicht, Moralität, Erkenntnis usw. nicht Ziele in sich, sondern Mittel zum Ziele. Nach Fichte ist ,,Religion Erkenntnis; sie vermittelt dem Menschen eine klare Einsicht in sich selbst, beantwortet die höchsten Fragen, verhilft uns zu einer vollen Harmonie mit uns selbst und zu einer durchdringenden Heiligung unseres Gemütes". Diese Ansicht nähert sich der Sāṃkhya-Lehre. Hegels Ansicht ist folgende: "Religion ist, oder sollte es sein, vollkommene Freiheit; denn sie ist nichts mehr und nichts weniger als der göttliche Geist, der sich selbst in dem endlichen Geiste bewußt wird." Diese Ansicht nähert sich stark unserer Vedānta-Philosophie. Nach Max Müller ist ,,Religion eine subjektive Fakultät zur Erfassung des Unendlichen." John Stuart Mill gibt folgende Auffassung der Religion.Er sagt: ,,Das Wesen der Religion ist das starke und ernste Hinwenden der Handlungen und Begierden auf ein ideales Objekt von der höchsten Erhabenheit, das alle selbstischen Objekte und Begierden überragt." Dies ist unser Bhakti-yoga, der ,,Pfad der Liebe", zur Erreichung des Höchsten. Professor Seely's Ansicht über Religion ist wiederum ähnlich unserem Bhakti-yoga. Er sagt:,,Die Worte Religion und Verehrung werden gewöhnlich und füglich auf die Gefühle bezogen, mit denen wir Gott betrachten. Aber diese Gefühle, Liebe, Scheu, Bewunderung, die zusammen Verehrung ausmachen, werden auch in veschiedenen Verbindungen für menchliche Wesen und selbst für vernunftlose Gegenstände ausgedrückt. Nicht ausschließlich, aber par excellence ist die Religion auf Gott gerichtet. Wenn Gefühle der Bewunderung sehr stark sind und zu gleicher Zeit ernst und bleibend, wiederholen sie sich in wiederkehrenden Akten; und hier entstehen Liturgie und Ritual. Religion ist das, was als habituelle und dauernde Bewunderung beschrieben werden kann." Diese Ansicht stimmt mit der obigen von Mill überein. Endlich wollen wir die Ansicht eines andern großen Mannes, des Posityisten Comte wiedergeben. Er sagt: ,,Religion an sich drückt den Zustand vollkommener Einheit aus, die das unterscheidende Merkmal der Existenz des Menschen ist, als individuelles und als soziales Wesen, weil alle Wesensteile seiner Natur, der moralischen und physischen, habituell eingestellt werden, zu einem gemeinsamen Zweck zu zielen."11) Wenn diese Auffassungen von Religion annehmbar sind, jede in ihrer eigenen Art, muß man zugeben, daß der indische Dharma der größte und edelste auf Erden ist, der alle obigen Ideen und Versuche zu einer letztgültigen Definition enthält. Sie sind nur etwas unvollkommene Auffassungen von Dharma. Aber der ewige Dharma der Hindu’s ist vollkommen in jeder Hinsicht. Widersprechendes ist nicht in den angeführten Ansichten über Indiens Dharma, der vollständig die Mängel aller anderen Religionen ersetzt. Der Sanātanadharma ist die älteste Religion, der Vater jeder andern, lebenden oder toten. Er steht ohnegleichen in der Tiefe und der Schönheit seiner herrlichen Philosophie. ――――――― Nutzen von Dharma. — Das Ziel der Religion ist, wie schon gesagt, die Sicherstellung von Abhyudaya (materielle und geistige Wohlfahrt) und von Niḥśreyasa (vollkommenes, ewiges Glück). Für das bescheidene menschliche Wesen in seinem bescheidensten Urzustand ist ein Fortschritt von Körper und Geist notwendig, so daß es mit einem vollkommenen körperlichen Organismus sein Ziel ohne jegliches Hindernis erreichen kann. Die Hindu-Lehre stellt vier Dinge in das Werden des menschlichen Lebens ein; zwei gehören zum materiellen 'Körper, zwei zu dem geistigen Ziel. Die ersten sind: Artha (Besitz) und Kāma (Begier); die andern Dharma (Rechtlichkeit) und Mokṣa (Erlösung).12) Der Leser wird bemerken, welch hohe Auffassung hier von dem Nutzen des Dharma gegeben ist. Er ist ein Universal-Segen zum Fortschritt der gesamten Menschheit auf dem materiellen und geistigen Pfade zu Befreiung und Seligkeit, dem Ziele aller vorangegangenen Kämpfer durch unzählige Stufen des Werdens. Andere Religionen helfen dem Bekenner, wie wir gesehen, nur wenig. Aber der Hinduismus, wie er oben definiert und erklärt wurde, hat nichts Unbestimmtes und Verschwommenes. Er ist eine lebende, belebende und konkrete Führung für Menschen aller Klassen und aller Zeiten. ―――――――
...
| ||
<< | ||
Indiens Religion, der Sanātana-Dharma, Eine Darstellung des Hinduismus, übersetzt und erläutert vom Kapuziner-Pater Pater Josef Abs, erschienen bei Kurt Schroeder in Bonn/Leipzig, Seite 5 bis 13 |
Drittes Kapitel
DER DHARMĀṄGA
Die Gliederung des Dharma
...
Indiens Religion, der Sanātana-Dharma, Eine Darstellung des Hinduismus, übersetzt und erläutert vom Kapuziner-Pater Pater Josef Abs, erschienen bei Kurt Schroeder in Bonn/Leipzig, Seite 14 bis 23 ...
Viertes Kapitel.
DAS KARMAN 1).
Das Gesetz des Karman.
Karman ist die Vibration der Prakṛiti, der Urmaterie, die das Ergebnis ihrer drei Guṇa's, der Schöpfungsprinzipien ist. Es verhält sich wie Ursache und Wirkung, wie Same und Sproß. Des Karman Same ist das Saṃskāra. Karman und Saṃskāra sind zweierlei Art, rein und unrein. In der der Karma-mīmāṃsā-Philosophie wird gelehrt, daß das reine Karman die Ursache von des Menschen Erlösung, dagegen das unreine Karman die ursache seines Fesselung ist. Durch logische Beweisgründe wurde in diesem philosophischen System erwiesen, daß die die Reinigung von Saṃskāra zu der Reinigung von Karman und diese wieder zur Befreiung führt ²).
Karma-yajña als rituale oder Opferhandlung wurde ausführlich behandelt in dem Pūrva-mīmāṃsā-System des Jaimini. Aber Karman in umfassendem Sinne jeder und aller Handlungen ist nirgendwo abgehandelt als eigener Gegenstand in den bekannten Werken. Dieser Gegenstand bildet eine besondere Studie in der Pūrva-mīmāṃsā von Bharadvāja. Wir fassen diese Lehren hier kurz zusammen, um zu zeigen, wie radikal, wie weitreichend, wie unvergleichlich tiefgründig die Ansicht über Karman ist, wie sie die Śāstra's bieten.
Die ganze Schöpfung stammt vom Wirken des Karman. Von Ewigkeiten her ruht sie in Karman und geht ihrer Vernichtung entgegen durch Karman. Jegliches Leben im Makrokosmos und Mikrokosmos, von der unscheinbarsten Vegetation bis zum höchstentwickelten Menschen, im allgemeinen und besonderen, ist ein Spiel des Karman. Die göttliche Macht ist Karman. Gott selbst ist dem Karman untertan. Was ist dieses allmächtige Karman? Wie tritt es in die Existenz? Wie können individuelle Seelen, das Karman besiegend, Erlösung erlangen?
Die Veda's sagen, Karman und Brahman sind ein und dasselbe. Tatsächlich ist kein Unterschied zwischen Karman und göttlicher Macht. Alles, von dem unbedeutenden Strohhalm bis zu dem vielgestaltigen, weiten Universum, jede dualistische Existenz, die wir sehen, ist dem Karman unterworfen. Das Erscheinen des Manifestierten aus dem Unmanifestierten hat Karman zu seiner Ursache. Karman gibt seine offenkundige Wirksamkeit dem Sattva und Tamas, durch die Dharma und Adharma charakterisiert werden, so daß Karman das Geheimnis von Dharma und Adharma ist.
Das Karma wirkt in drei Arten: Sahaja-karman ist das selbstätige, spontane Karman; Aiśa-karman ist das göttliche, das Karman der Jenseitswelt; das Jaiva-karman ist das Karman der individuellen Seele, das in reines und unreines Karman geteilt wird. Die sechs Einteilungen des reinen Jaiva-karman sind im vorausgehenden Kapitel erwähnt. Das Sahaja-karman ist die Quelle der in Erscheinung tretenden vierzehn Welten, der Schöpfung als Gesamtheit, bewegliche und unbeweglche Dinge umfassend, des Brahmāṇḍa³) oder des Weltsystems, das eine unendliche Verschiedenheit von Manifestationen der vier Arten der Bhūtasaṃga's - der vier Schöpfungsstufen - Udbhijja, Svedaja, Aṇḍaja, Jarāyuja ist.
Das Jaiva-karman tritt auf, wo Wesen wirken in der sterblichen Welt, in den verschiedenen höheren und niederen Zuständen des Menschen, in Verbindung mit den Welten der Vergeltung - Himmeln und Höllen, göttlichen und dämonischen Kräften.
Das Sahaja-karman ist absolut, aber in seinem Wirken untertan dem göttlichen Willen. Das Jaiva-karman ist in seinem Wirken der individuellen Seele untertan. Auf das Sahaja-karman hat die individuelle Seele keine Macht, wohl aber über ihr eigenes Karman, so daß die einzelnenen Seelen verantwortlich sind in bezug auf ihr Puṇya und Pāpa, ihre rechten und unrechten Handlungen und Lohn oder Strafe.
Das Aiśa- oder göttliche Karman, der Jenseitswelt angehörend, ist darin einzig, daß es zusammen arbeitet mit dem Sahaja- oder dem Jaiva-karman. Auch die göttlichen Inkarnationen offenbaren dies Karman. Sie erscheinen in fünf Manifestationen als ādhyātmika, ādhidaivika, ādhibhautika, zu zweien, zu dreien und zu mehreren. Diese Inkarnationen sind partiell oder voll, Āveśāvatāra oder Possessions-Inkarnation genannt. Alle fallen unter das Aiśa-karman und damit unter die Jenseitswelt. Wenn die Daivī- oder Göttermacht der Asura- oder Dämonenwelt untertänig wird, wenn die Guten durch die Bösen leiden, wenn der Dharma schwach wird, die Menschen Gott vergessen, und sinnlichen Lüsten frönen, dann offenbart sich der Herr in Inkarnationen.
Hier ist noch etwas zu erwähnen. Der springende Punkt in der Dreiteilung von Karman liegt in dem Saṃskāra, was wiedergegeben werden kann als der spontane latente Impuls, "spontaneous latent impulse". Dieser latente Impuls ist des Karman Same. In der Erscheinung der makrokosmischen und der mikrokosmischen Schöpfung wird der Zustand der individuellen Seele manifest durch Cijjaḍagranthi 4), die Verknotung des Cit oder des Lebensbewußtseins. mit dem Jaḍa oder Unbewußtsein. Hier liegt die Quelle, aus der das Erscheinen des latenten Impulses, des Saṃskāra, entspringt. Der latente Impuls ist der Wurzelgrund der Schöpfung. Saṃskāra ist zweifach, prākṛta oder urgründig und aprākṛta oder unurgründig. Jener wird rein, natürlich; dieser unrein, gezwungen genannt. Der erste Impuls führt zu Mokṣa (Befreiung), der zweite zur Bindung. Der Prākṛta-Impuls verleiht dreifache Reinigung. Der urgündige Prākṛta-oder Svābhāvika-Impuls, der zu Mukti (Erlösung) führt, ist manifest in sechzehn göttlichen Phasen, die gleich Wegstationen sind, wo neue Energien verausgabt werden. Dies ist der Saṃskāra der Veda's. Mit Hilfe dieser sechzehn Phasen schirmten die arischen Seher die Reinheit der arischen Klassen, indem sie ebenso viele Reinigungsriten vorschrieben. Der Asvābhāvika- oder der gezwungene Impuls hält die Seele in Fesseln; unzählig sind die Bedingungen und Umstände, welche die Fesselung herbeiführen.
Die Asvābhāvika-Impulse sind unendlich an Manigfaltigkeit. Wo Spielraum ist für den prākṛtischen Saṃskāra, gewährt er dem Menschen Macht, Reinheit und Freiheit in langem Lauf. Dies ist das Geheimnis der sechzehn Reinigungsriten der Veda-Saṃskāra's.
Die göttliche Macht wogt durch diese Reinigungsriten und führt sie zu sich, selbst mit Hilfe ebenderselben Saṃskāra's, die diese Phasen repärsentieren.
Die sechzehn Reinigungsriten sind:
Die anderen Saṃskāra's, als Purifikationsriten, die außerdem in den Veda's, Smṛti's, Purāṇa's, Tantras vorgeschrieben werden, sind in diesen sechzehn enthalten. Die ersten acht sind Pravṛttirodhaka (Hemmer der bösen Neigungen), die anderen acht sind Nirvṛttipoṣaka (Pfleger der Entsagung). Darum sagen die Veda's, daß der Saṃnyāsin (Asket),der Meister von Ātmajñāna (Erkenntnis des Selbst), von den Göttern geehrt wird. Insoweit ist der Prākṛtika-saṃskāra, der sich aslo manifestiert, ganz und voll der Verleiher der Befreiung für den Menschen.
Der natürliche Impuls liegt an der Wurzel des spontanen Karman, der erzwungene an der Wurzel des individuellen Karman. Beide werden im Aiśa-karman vereint. Durch sie treten die Individuen in die Erscheinung und gelangen zur Befreiung. Die Reinheit durch die Reinigungsriten verhilft zu Mukti (Erlösung). Durch die Reinheit, die durch diese Riten erlangt wird, läutert sich das Karman und führt zu Kaivalya 6) (dem absoluten Sein). Der Same vom Baum, der Baum vom Samen, das ist der ewige Kreislauf. Ihm ähnlich ist der Lauf der Schöpfung. Aber gerade wie der geröstete Same nicht fürder sproßt, so bewegen sich die Reinigungsriten, die individuellen Impulse, die gleich dem gerösteten Samen sind, nicht mehr in dem Kreislaufe von Ursache und Wirkung und führen zu Mukti (Erlösung) 7).
Es verhält sich so: Die Urmaterie, die Prakṛiti besteht aus den drei kosmischen Prinzipien, den Guna's 8). Eine Vibration veranlaßt das Auftreten des Karman, das darum selbsttätig oder sahaja genannt wird. Der Saṃskāra-Impuls ist der Same, Karman der Sproß. Wenn der Impuls verschwindet, wie könnte da Karman in Erscheinung treten? Das selbsttätige Karman, aus Prakṛiti entstanden, ist der Grund der Schöpfung der Individuen, wie auch ihrer endlichen Befreiung; das inidviduelle Karman dagegen bewirkt Fesselung.
Solange also das individuelle Karman nicht zu dem segenvollen natürlichen Zustand gelangt durch Hilfe der Veda-Reinigungsriten oder durch Hilfe eines der erwähnten Glieder des Dharma, wird es unvermeidlich ein Hindernis auf dem Weg zur Befreiung sein. In dem heiligen Svābhāvika-prakṛitika-saṃskāra, dem natürlichen, urgründigen Impuls, so segensreich für alle, liegt die überragende Kraft des Dharma und sein stufenmäßiger, glückverheißender Weg, der in Befreiung gipfelt. Das göttliche Wesen durchdringt die Reinigungsriten. Es soll bemerkt werden, daß die sechzehn vedischen Saṃskāra's nur für die Anhänger des Veda gelten. Die Anhänger anderer Credo's gelangen zur Freiheit durch Hilfe des Sādhāraṇa-dharma (allgemeiner Dharma).
Für Frauen ist der Dharma der Keuschheit in sich selbst hinreichend, die Reinheit zu bewirken, die sonst aus den Reinigungsriten fließt. Für Männer gilt das gleiche in Erfüllung der Pflichten des Varṇāśrama (Kasten und Stufen des Lebens), die zur Reinheit führen. Dies aber sind Svābhāvika-dharma's (natürliche) für Männer und Frauen. Durch die Erfüllung des Varṇāśrama-dharma für Männer und Satidharma 9) für Frauen erlangen beide materielles und geistiges Wohl, wie auch Kaivalya. Beide bringen die dreifache Reinheit und wirken durch Hilfe des prakṛitikischen Saṃskāra (natürlicher Impuls), die beide Geschlechter zu ihrem Ziele hinführen.
Das Weib das in Keuschheit feststeht, identifiziert sich so sehr mit ihrem Ehemanne, daß sie nach langdauernden Himmelsfreuden ihr Geschlecht ändert und ein Mann wird. [*) Anmerkung des Verfassers dieser Webseite am Ende dieses Kapitels] Der Mann, der die Reinigung durch Erfüllung des Varṇā-dharma (Kaste) durchmacht, seine Neigungen durch die ersten acht Riten bezähmt, Entsagung übt durch die anderen acht, gewinnt die nie endende Seligkeit des Mokṣa (Erlösung). Das ist das höchste geistige Geheimnis.
Was die in Erscheinung tretende Manifestation der Schöpfung anbelangt, wirkt das Karman folgendermaßen. Die Prakṛiti (Urmaterie) gelangt durch ihre eigene Kraft zur Vibration, die zur Evolution führt. Diese Vibrationsbewegung reflektiert sich im göttlichen Sein. Durch die Evolution der drei Prinzipien von Prakṛiti 10) ensteht Avidyā (Unwissenheit) durch die Tamas-Vibration. Vidyā (Wissen) durch die Sattva-Vibration. Als Wirkung der Avidyā entstehen die individuellen Seelen, gleichsam Gottes eigene Manifestation, und zwar durch das Verknoten von Cit (des Bewußten) mit Jaḍa (dem Unbewußten). Und dies geschieht durch die Interaktion jener durcheinander wirrenden Vibrationen, wo die Individuen erscheinen wie Mondreflexionen in Wasserwogen, ineinander greifend, aufeinander wallend, sich vermischend wie in zahllosen Spiegeln. So folgt eine Unendlichkeit von Einzelseelen, anfangslos, endlos. Dann entsteht der Svābhāvika-saṃskāra (der natürliche Impuls) und manifestiert die Schöpfung des Beweglichen und Unbeweglichen durch das Sahaja-karman, das zur Expansion der Gesamtschöpfung führt.
Wenn nun der Jīva (Die Seele als Lebewesen) vollkommenes Sein im Menschentum erreicht, beginnt das Jaiva-karman. Dann wälzt der Strom des Asvābhāvika-saṃskāra (des Zwangimpulses) den Kreislauf von Geburt und Tod dahin mit der Überfülle des dreifachen Leidens 11) und der Verwickelung mannigfaltiger Universalmanifestationen. Alle Welten, Nraka-, Preta-, Pitṛ-, Svarga-,Karma-bhūmi's (letzteres ist unsere Welt des Sterbens) 12) evolvieren sich wegen des individuellen Karman. Vierzehn Welten, sieben obere, sieben untere, bieten dem Jīva ihre Bhoga's (Genüsse) als Leiden und Freuden dar.
Vidyā (Wissen) charakterisiert im vollkommenen Sattva, verleiht dem Aiśa-karman den höchsten Herrn eine gleiche Abwechslungsfülle, das Sahaja-karman wie auch das Jīva-karman stützend. Avidyā (Nicht-Wissen) besteht nicht vor Vidyā (Wissen), das nur im reinen Sattva ist. Der Herr, von