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hall of all religions

ins Deutsche übersetzt vom Kapuzinerpater Josef Abs

Hier ein Auszug zum Thema Yoga

 

In einem Buch von 1923, titels "Indien Religion, der Santana-Dharma, Eine Darstellung des Hinduismus, übersetzt  und erläutert vom Kapuziner-Pater Pater Josef Abs, erschienen bei Kurt Schroeder in Bonn/Lepizig, findet man dazu auf den Seiten 36 bis 42 nähere Ausführungen, die jedoch ein gänzlich anderes Bild ergeben als das was Pfarrer Haak und Andere der Lehre der "Transzendentalen Meditation" demzufolge dann anzudichten - versehentlich oder auch absichtlich - unternahmen.

Man kann das Buch bei www.archive.org/USA lesen: siehe https://ia803408.us.archive.org/0/items/dli.ministry.14744/ignca-s14929-rb.pdf bzw https://archive.org/search.php?query=Der%20Sanatana-Dharma


Pater Josef Abs (siehe zB.: https://opacplus.bsb-muenchen.de/title/BV006212881) wurde 1889 geboren, sei Kapuziner-Pater und Indologe gewesen. Per des angebenen Links findet man bei Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Abs_(Indologe), daß er 1914 in Calcutta Professor werden,was durch den Ausbruch des 1. Weltkriegs dann nicht zustande kam. Er sei nach 1935 verstorben und habe zuletzt in Bonn gelebt gehabt.



  

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Vorwort.

 

Die "Introduction" des Orginaltextes beginnt mit dem Vedavers:

"Saṃgacchadhvaṃ saṃvadadhvaṃ saṃ vo manāṃsi jānatām, devā bhāgaṃ yathā pūrve ṡaṃjānānā upāsate" (Rg. V. X, 191,21), der sich also übersetzen ließe:

"Eins im Geist zu Wort und Rede

mögt ihr all zusammenwollen,

wie die Götter einst ohn' Fehde

zogen zu den Opferhallen."



 

Nach dem Weltkriege entstand in Indien die Idee, ein "würdiges Kriegsdenkmal" zu errichten. Dieses Dekmal sollte ein Symbol des großen Friedens und der zu erhoffenden Völkerversöhnung werden. Es war in Form einer "Hall of all Religions" gedacht, mit der Aufgabe, das Studium der Weltreligionen und der Philosophien der Völker zu fördern. Diese "Hall of all Religions" mit dem Hauptsitz Benares (Anm. des Verfassers dieser Webseite: auch Varanasi genannt) sucht durch Gründung einer Akademie der vergleichenden Religionswissenschaft und Philosophie, Bibliothek und Kultstätten für die einzelnen Religionen wie durch Publikation einschlägiger Werke älteren und neueren Ursprungs dieser Aufgabe gerecht zu werden. Eines der Hauptunternehmen in literarischer Hinsicht bildet eine Sammlung unter dem Titel "Hall of all Religions", das in den einzelnen Bänden die Weltreligionen möglichst aus der Feder ihrer eigenen Bekenner zur Darstellung bringen will.

   Der Herausgeber hat es unternommen, diese Bände in deutscher Sprache zugänglich zu machen, ohne sich damit mit ihrem Inhalt identifizieren zu wollen. Die einzelnen Bände sollen möglichst von Fachleuten übersetzt und bearbeitet werden. Jeder Bearbeiter übernimmt die Verantwortung für seine Arbeit. Die Veröffentlichung hat der Verlag Kurt Schröder, Bonn und Leipzig, in großzügiger Weise übernommen.

   In Benares hat sich, um die Idee der "Hall of all Religions" zu verwirklichen, der "Sri Bharat Dharma Mahamandal" gegründet, was man mit "indische Religionsgesellschaft" wiedergeben könnte. Seit den wenigen Jahren ihres Bestehens entfaltet sie eine rührige Tätigkeit.

   Das vorligende Buch ist die Übersetzung und Bearbeitung des ersten Bandes der "Hall of all Religions", das von dem Sri Bharat Dharma Mahamandal in englischer Sprache und zahlreichen Saṃskṛt-Texten veröffentlicht wurde unter dem Titel: "The World's Eternal Religion. Published by the Department of Sri Bharat Dharma Mahamandal, Benares (India) (1920)." Wie aus der "Introduction" hervorgeht, wurde das Buch von dem literarischen Institut des Sri Bharat Dharma Mahamandal unter der Leitung von Sri Guru Dev verfaßt. Der Zweck des Buches ist die Darlegung des Wesens, Sinnes und Zweckes des "Sanātana-Dharma", der "ewigen  Religion", wie hier Indiens Religion genannt wird, nicht nur für Inder, sondern für alle, die sich für vergleichende Religionswissenschaft interessieren. Erstes bis vierundzwangsten Kapitel ist die Übersetzung des englischen Orginaltextes, der übrige Inhalt ist die Arbeit des Herausgebers.

  Der Zweck der "Halle der Religionen" soll der sein, eine möglichst ausführliche und objektive Darstellung aller größeren und bedeuteren Religionen der Welt zu geben. Mit der Darlegung der großen Religionen Indiens, des "Hinduismus", wurde der Anfang gemacht. Es ist schwer, wenn nicht unmöglich, die großen und kleinen Religionen Indiens als einheitliches, streng geschlossenes Ganze darzustellen, und es ist noch schwerer, den Hinduismus als einheitliche Religion zusammenzufassen und zu definieren.

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"Indiens Religion, der Sanātana-Dharma", Eine Darstellung des Hinduismus, übersetzt und erläutert vom Kapuziner-Pater Pater Josef Abs, erschienen bei Kurt Schroeder in Bonn/Lepizig, aus Seite XI bis XVII




     

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Zweites Kapitel.

 

DER DHARMA.

Die Universalreligion.

 

Bedeutungen und Ableitungen des Wortes Dharma. - Das Wort Dharma ist abgeleitet von der Wurzel dhṛ, halten. Es bedeutet:"Das was hält" oder "Das, durch welches das Universum gehalten wird".

   Das Mahābhārata erkennt diese etymologische Erklärung von dharma an und bestimmt sie als alle Schöpfung haltend, so daß alles Dharma ist, was den Charakter des Haltens hat,1).

  Ähnlich sind Nutzen und Macht des Dharma in der Nārāyaā-Upaniṣad beschrieben, wo Dharma eine Quelle der Hilfe für alle und alles, ein Tilger der Sünden ist ²).

   Viel weiter ist noch die Bedeutung des Wortes Dharma. Jene Śakti (als göttliche Macht, göttliches Gesetz, göttlicher Wille) ist Dharma, die das ganze Universum durchdringt und ihr harmonisches Wirken lenkt, die der Urgrund ist für das Entstehen, die Erhaltung und die endliche Auflösung oder Aufnahme des Alls in das Göttliche.

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Dharma als göttliches Gesetz. - Der göttliche Wille oder das göttliche Gesetz, das sich also offenbart, wird gleichfalls Dharma genannt ³).

Wir sehen das beständige Wirken der Kräfte der Anziehung und Abstoßung im Universum. Dharma ist die Kraft, die das Gleichgewicht beider Kräfte in der Schöpfung erhält. Die Sonne zieht die Erde an, die Erde bewegt sich um die Sonne, der Mond um die Erde, und alle bleiben in ihrer Lage; das ist das Wirken des Dharma. Es ist durch Dharma, daß ein Ding ist, was es ist 4). Wenn Dharma nur für einen Augenblick aufhörte zu wirken, würde alles und jedes in Verderb und Ruin untergehen; die Erde würde, den Mond niederdrängend, mit ihm in einem mächtigen Krach zusammenstoßen; die Sonne würde Planeten und kleinere Sonnen an sich ziehen, und das ganze Himmelsgebäude wäre in einem Augenblicke zerschmettert. Wo wäre unsere schöne Welt ohne diesen Dharma? Die Astronomie lehrt uns, daß jedes Weltsystem seine eigene Sonne, seine Planeten, Satelitten und Sterne hat, die alle im Gleichgewicht gehalten werden durch das Gesetz der Anziehung und Abstoßung. Die Sonne drängt und treibt die Erde nicht aus ihrer Stelle, sie zu zerstören. Die größeren Planeten zerschmettern die kleineren nicht zu Atomen, sie im Fluge treffend. Was erhält die Ordnung im Weltsystem? Es ist Dharma.

    Die materielle Wissenschaft nimmt an, die Kräfte von Anziehung und Abstoßung stehen im Zusammenhang mit Molekülen und Atomen. Es wurde gezeigt, daß Dharma das Gleichgewicht zwischen beiden hält. Alles in der Natur, der Praktṛti, von dem Sonnenball bis zum kleinsten Atom, steht unter dem Dharma, der schon als göttliche Macht oder göttliches Gesetz bezeichnet wurde.

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Die Beziehung von Dharma zur Schöpfung. - Unsere Welt entstand aus dem Dharma. Im Anfang der Schöpfung überwog die Kraft der Anziehung. Moleküle zogen Moleküle an, und so entstand diese sichtbare Welt. Die endliche Auflösung kommt durch das Überwiegen der Abstoßungskraft, - Moleküle werden so lange stoßen und zerteilen, bis alle Dinge zersetzt sind; das Ende wird Pralya - allgemeiner Untergang - sein. Es gibt ein Gleichgewicht zwischen den Kräften der Anziehung und Abstoßungin allen Körperformen des Universums und das, was das Gleichgewicht bewirkt, ist Dharma.

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Dharma als Evolution. - Die alten Hindu's kannten das Prinzip der Entwicklung, lange, lange eher Darwin und andere es im Westen lehrten. Die Hinud's nehmen an, daß der Jīva (Lebewesen)5) auf seinem Wege zum Ziele, stetig, stufenweise weitergeht, erst als Pflanze, dann als Tier, durch unzählige Yoni's (Mutterschöße) oder Pforten der Wiedergeburt, bis er zuletzt als Mensch geboren wird. Es ist Dharma oder göttliches Gesetz, das den Jīva, noch ganz unentwickelt und fast empfindungslos im Anfang, zur Stufe des Menschentums, zum vollbewußten und vollentwickelten Wesen geführt hat. Und im Laufe der  Zeit wird Dharma ihn noch höher leiten.

   Alle Jīva's befolgen diesen strengen Lauf der Entwicklung von der allerfrühesten denkbaren materiellen Daseinsbedingung bis zur höchsten, regelmäßigen Entwickelung in der Form von Selbstbewußtsein und denkendem menschlichen Sein.

  Die Stufen leiten vom grobmateriellen zum intelligenten Sein. Das Leben, als Erstanfang genommen, ist die Offenbarung im Pflanzenreich. Jedes entwickelte Sein entfaltet die Eigenschaften, die seinen konstituierenden Elementen entsprechen. Im pflanzlichen leben ist das "Grobe" vorherrschend, Sepise (anna), was in der wohldurchdachten Sprache der ṣi's Annamya-kośa (Speise-Hülle) heißt. Dann kommt das schweißgeborene Leben (Svedaja-sṭi), in welchem der Annamya-kośa (Denksinn-Hülle) höher steht als die beiden andern. Zuletzt folgt die Jarāyuja-sṭi, das vom Mutterleib geborene Leben, wo der Vijñāmaya-kośa 6) (Freuden-Hülle) obenansteht. In dieser Stufe der Entwickelung offenbart sich klar das Gefühl der Freude in dem speziellen Akt des Lachens, das in keiner vorherigen Stufe beobachtet wurde. Schüler der Logik werden sich der treffenden Definition des Menchen erinnern: "Der Mensch ist ein lachendes Wesen." -Dharma ist es, der diese aufsteigende Kette der Entwickelung hält, aus der es kein Entrinnen gibt. Wer kann diesem allmächtigen, göttlichen Dharma widerstehen? Das Gesetz kennend, können wir nur mit ihm wirken, es unterstützen, ohne Härte zu wirken, daß es uns sicher zu unserer Bestimmung leite. Gegen das Gesetz gehen heißt unsere Entwickelung hindern. Dharma selbst lehrt uns, wie wir feinfühlig und harmonisch mit ihm wirken können, um unsere stufenweise Entwickelung zu sichern.

   Alle Jīva's, die nicht Menschen sind, stehen völlig unter der Macht der Prakṛti (Natur) und folgen automatisch ihren Gesetzen.

   Diese Jīva's werden liebevoll genährt und aufgezogen von einer besorgten Mutter. In den niederen Stufen der Entwickelung gehorchen sie wie pflichttreue Kinder instinktiv ihren Anordnungen, in all, ihren Handlungen wie Essen, Trinken, Schlafen, Begatten.

   Wenn dann der Jīva Mensch wird, das höchstentwickelte Wesen auf Erden, dann entfaltet er die Macht des Verstandes und der Vernunft und teilweise des freien Willens. Erkenntnis erlangend, erwirbt er die schreckliche Macht über Gut und Böse. Jetzt strebt er sogar nach der Macht der Natur. Siehe, wie der Mensch durch seine Kenntnis der Naturgesetze deren Kräfte verwertet zu seinen Absichten! Als Folge seiner ungeheuren Kräfte, die den Stolz in ihm wecken, wagt der Mensch sogar, die Naturgesetze zu verletzen. Das Ergebnis davon ist, daß die stufenweise und stetige Entwickelung eines solchen Wesens gehemmt wird; es muß hinab auf die niederen Stufen. Dharma allein kann ihn wider emporheben.

  Deshalb können wir sagen: Das Gehen mit der Natur und nie gegen sie, ihre Gesetze befolgend und stufenmäßig uns entwickelnd, bis wir zuletzt das Ziel unserer Entwickelung erreichen,  - das ist Dharma. Das Zurückfallen in die niederen Stufen der Entwickelung durch Zuwiderhandeln gegen die Natur und ihre Gesetze, - das ist Adharma oder Nicht-Dharma.

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Dharma im Menschen. - Die indischen ṣi's erklären den Begriff des Dharma noch in anderer Weise. Sie sagen, daß alle geschaffenen Dinge drei Guṇa's, Prinzipien, haben, nämlich: Sattya (Güte, Licht, Glückseligkeit, Reinheit, usw.), Rajas (Aktivität), Tamas (Übel, Dunkel, Unwissenheit, Inaktivität), die später erklärt werden. Die Handlungen, die die Prinzipien von Tamas und Rajas unterdrücken und das Wachstum von Sattva befördern, sind Dharma. 7).

  Im Universum offenbart sich das Prinzip des Rajas als Anziehungskraft, Tamas als Abstoßungskraft. Was das Gleichgewicht beider Prinzipien in der Welt erhält, ist, wie schon gesagt, Dharma.

   Im Menschen offenbart sich Rajas als Rāga (Neigung) und Tamas als Dveṣa (Abneigung). Wo das Gleichgewicht zwischen beiden im Menschenherzen waltet, tritt Sattva als Erkenntnis in die Erscheinung. Jedes Handeln, das diesen Zustand bewirkt, ist Dharma.

Der Jīva wandert gemäß dem Prinzip der Evolution folgenweise durch die Stufen des Pflanzenlebens, des Schweißlebens, des eingeborenen Lebens, des leibgeborenen Lebens, Bewußtsein und Macht höher und höher entfaltend, bis er den Zustand des Menschen erreicht, wo sein Bewußtsein zum vollen Selbst-Bewußtsein entwickelt wird. Deshalb ist kein Wesen außer dem Menschen verantwortlich zu machen für gute und böse Taten oder, mit anderen Worten, für Puṇya und Pāpa (Verdienst und Sünde)8). Die Handlungen des Menschen, ob sie auf Geist, Leib odr Worte sich beziehen, die die Erkenntnis vermehren und zur Unterscheidung von Dharma und Adharma führen, werden in den Veda's Dharma genannt.

 

Der Dharma der Hindu's ― Der Hindu-Dharma ist das eherne Naturgesetz. Da dies gesetz alldurchdringend ist, muß jeder Mensch und jede Nation auf der Erde, bewußt oder unbewußt, dem Hindu-Dharma unterworfen sein. Alle Religionen der Welt gehören unter diesen Dharma.

   Wir kennen die Namen verschiedener Glaubensrichtungen unter dem Namen Dharma, wie Buddhismus, Jainismus, Christentum, Mohamedanismus. Aber Indiens ewiger Dharma ist "der Dharma" schlechthin; es ist der Universal-Dharma.

   Obwohl in unserer modernen Zeit dieser ewige Dharma mit verschiedenen Lieblingsnamen benannt worden ist, so finden wir in den heiligen Hinud-Schriften gar keine anderen Namen als "der Dharma". Fürwahr, "der Dharma" ist der einzige passende Name dafür, auf Grund der Universalität, Liberalität, der friedlichen Toleranz und einer alles umfassenden Sphäre, wie des allmächtigen Gottes selbst, der ihn charakterisiert.

 

Die drei Guṇa's ― Dharma oder das göttliche Gesetz, auch Śakti genannt, wird in unseren Śāstra's, wie schon bemerkt, unter drei Gsichtspunkten betrachtet, als Sattva, Rajas und Tamas. Diese drei durchdringen die ganze Schöpfung. Das Vorherrschen von sattva im Menschen macht ihn rein, gut, beschaulich. Rajas bewirkt sein Handeln. Dieses Pinzip wiegt vor in den Nationen des Westens. Tamas gibt Anlaß zu schlechten Gedanken und üblen Leidenschaften.

    Jedes Menschen Ziel sollte es sein, das Sattva-Prinzip in sich zu vermehren. Denn dieses Prinzip hilft ihm positiv, die natürliche Entwicklung des Jīva zu seinem Ziele hin zu erreichen, während die anderen Prinzipien das verhindern. Das Wachen von Sattva im Menschen macht ihn selbstlos, sich selbst verleugnend, rein, heilig, gerecht und gütig. Es bringt ihm Segen und Frieden. So wird sein Weg zum Ziele nach und nach gerade und leicht. Deshalb sind die Taten, die das Wachstum dieses Guṇa befördern, Dharma.

   Tamas nährt Unwissenheit, Selbstsucht, Inaktivität, Eitelkeit, Gier, alle bösen Lüste und niederen Leidenschaften im Menschen. So wird seine Knechtschaft härter; er bleibt an die niedrige Erde gefesselt; seine Entwicklung wird verzögert. Deshalb ist alles, was dieser Guṇa fördert, böse, es ist Adharma, Nicht-Dharma.

   So fallen nach den Hindu-Śāstra's alle Handlungen des Menschen, ob geistige, ob physische, unter Dharma als Puṇya oder Tugend und unter Adharma als Pāpa oder Sünde. Aus diesem Grunde heißt es in den Hindu-Schriften, werden die Handlungen des Essens, Trinkens, Schlafens, Sehens, Hörnes und alle andere Handungen des Menschen als Dharma oder Adharma gewertet. Nach der Kenntnis, die wir von der Religion haben, liegen alle Dinger in der Welt und alle Handlungen der Lebewesen in der Sphäre von Dharma oder Adharma, mit denen sie verschlungen bleiben.

 

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Des Menschen Ziel gemäß dem Dharma. Für die Religion der Hindu's, als praktischer Teil des Dharma genommen, haben wir keinen besonderen Namen. Alle Religionsübungen gründen auf Sadā-cāra, auf den Übungen des Guten und Weisen. Das ganze Leben eines Hindu ist Religion. Bei andern Völkern ist Religion nur ein Teil des Lebens; eine scharfe Linie wird gezogen zwischen Religion und täglichem Leben, als hätte Religion wenig zu tun mit dem Alltagswirken. Nicht so die Hindu's. Sie machen keinen Unterschied zwischen Religion und Alltagsleben. Ihr ganzes Leben wird gelenkt von Religion, selbst der Tod ist bei ihnen Religion.

    Hier möge bemerkt werden, daß die Gründer anderer hervorragender Religionen ihre entsprechenden Systeme in Dogmen und arbiträren Regeln formulierten, sie als unverletztliche Gesetze niderlegend, so daß es keinen Weg zur Erlösung gab als durch ihr besonderes "Glaubensbekenntnis", ihr "Credo". Aber der Sanātana-Dharma Indiens ist nicht gekennzeichnet durch einen solchen Geist der Engherzigkeit oder Ausschließlichkeit. Es ist kein besonderes "Credo", das nur eigenen Anhängern Erlösung verheißt; er ist der Universal-Dharma, für alle Menschen, für alle Zeiten.

   Von dem Weisen Kaāda wird in seiner Vaiśeṣika-Philosophie der Dharma also definiert 9):

  "Was materiellen und geistigen Fortschritt und endliche Erlösung bewirkt, das ist Dharma."

 

  Dharma ward ausführlich beschrieben, und es wurde festgestellt, daß er das ganze Universum durchdringt als die dreifache Kombination von Sattva, Rajas und Tamas. Das "Äquilibrium" diesr drei Prinzipien ist Prakṛti und folglich auch von den drei Prinzipien darin. Das Ziel der Seele ist die Befreiung von den Wirkungen der drei Guṇas', die sie in ihrer Unwissenheit sich selbst zuschreibt 10).

   Dies Ziel wird in unseren Schriften mit verschiedenen Namen benannt: Niśreyasa, Mokṣa, Mukti, Apavarga, Sāyujya, Nirvāṇa, die alle dasselbe besagen sollen.

   Das ist nun das segensreiche Ziel des Menschen. Jedes Wesen auf Erden arbeitet bewußt oder unbewußt an der Erreichung dieses Zieles. Es kann nicht dagegen; es ist seine wahre Natur; denn es steht unter der eheren Faust des Dharma-Gesetzes; und sie Gesetz treibt zu diesem Ziele hin.

  Von diesem Standpunkte aus beurteilen die Hindu's jede menschliche Handlung. Verhilft mir eine Handlung zu dem Ziel? Bringt eine Tat ein Wesen einen Schritt näher zu dieser hehren Bestimmung? Wenn ja, wird die Tat eine gute genannt: Dharma, Pflichterfüllung, Sittlichkeit, Tugend, also Puṇya. Wenn nein, ist sie eine schlechte, Adharma, unsittlich oder Pāpa. 

   Verschieden Mittel werden von den ṣi's vorgeschrieben, dies Ziel zu erreichen, das höchste Wonne ist. Diese Mittel sind, wie verschiedene Wege, zu einer gemeinsamen Bestimmung hinleitend. Der Mensch kann den Weg wählen, der ihm am geeignesten erscheint. Er soll den Bruder nicht schelten, der, zu demselben Ziele eilend, einen andern Pfad betritt, der dessen Neigung, Temperament und Geschmack entspricht.

  Aus der Vergangenheit der Pfade können drei als die hauptsächlichsten genannt werden:

a) der Pfad von Dāna, Mildtätigkeit,    Gabe;

b) der Pfad von Tapas, Buße.;

c) Der Pfad von Yajña, Opfer.

Unter den letzten fallen die wohlbekannten Pfade von dem selbstlosen Werk oder Karma-yoga, der Liebe oder Bhakti-yoga, der Erkenntnis oder Jñāna-yoga, die im III. Kapitel  behandelt werden.

 

Die Begriffe des Westens über Religion. ― Jetzt wollen wir kurz die Begriffe geben, die einige der größten Philosophen und Denker des Westens über Religion hatten.

   Nach Kant ist Religion "Moralität". Wenn wir alle unsere moralischen Pflichten als göttliche Gebote betrachten, ist das Religion". Dann müssen wir bedenken, daß Kant diese Pflichten nicht deshalb für moralische Pflichten hält, weil sie auf einem göttlichen Gobote beruhen; nach Kant wäre das rein geoffenbarte Religion. Im Gegenteil, er sagt uns: ,,Weil wir uns ihrer unmittelbar als Pflichten bewuß sind, deshalb betrachten wir sie als göttliche Gobote,"

Gemäß den Hindulehren sind Pflicht, Moralität, Erkenntnis usw. nicht Ziele in sich, sondern Mittel zum Ziele.

Nach Fichte ist ,,Religion Erkenntnis; sie vermittelt dem Menschen eine klare Einsicht in sich selbst, beantwortet die höchsten Fragen, verhilft uns zu einer vollen Harmonie mit uns selbst und zu einer durchdringenden Heiligung unseres Gemütes".

  Diese Ansicht nähert sich der Sāṃkhya-Lehre.

    Hegels Ansicht ist folgende: "Religion ist, oder sollte es sein, vollkommene Freiheit; denn sie ist nichts mehr und nichts weniger als der göttliche Geist, der sich selbst in dem endlichen Geiste bewußt wird."

Diese Ansicht nähert sich stark unserer Vedānta-Philosophie.

  Nach Max Müller ist ,,Religion eine subjektive Fakultät zur Erfassung des Unendlichen."

John Stuart Mill gibt folgende Auffassung der Religion.Er sagt: ,,Das Wesen der Religion ist das starke und ernste Hinwenden der Handlungen und Begierden auf ein ideales Objekt von der höchsten Erhabenheit, das alle selbstischen Objekte und Begierden überragt."

Dies ist unser Bhakti-yoga, der ,,Pfad der Liebe", zur Erreichung des Höchsten.

Professor Seely's Ansicht über Religion ist wiederum ähnlich unserem Bhakti-yoga. Er sagt:,,Die Worte Religion und Verehrung werden gewöhnlich und füglich auf die Gefühle bezogen, mit denen wir Gott betrachten. Aber diese Gefühle, Liebe, Scheu, Bewunderung, die zusammen Verehrung ausmachen, werden auch in veschiedenen Verbindungen für menchliche Wesen und selbst für vernunftlose Gegenstände ausgedrückt. Nicht ausschließlich, aber par excellence ist die Religion auf Gott gerichtet. Wenn Gefühle der Bewunderung sehr stark sind und zu gleicher Zeit ernst und bleibend, wiederholen sie sich in wiederkehrenden Akten; und hier entstehen Liturgie und Ritual. Religion ist das, was als habituelle und dauernde Bewunderung beschrieben werden kann."

Diese Ansicht stimmt mit der obigen von Mill überein.

Endlich wollen wir die Ansicht eines andern großen Mannes, des Posityisten Comte wiedergeben. Er sagt: ,,Religion an sich drückt den Zustand vollkommener Einheit aus, die das unterscheidende Merkmal der Existenz des Menschen ist, als individuelles und als soziales Wesen, weil alle Wesensteile seiner Natur, der moralischen und physischen, habituell eingestellt werden, zu einem gemeinsamen Zweck zu zielen."11)

Wenn diese Auffassungen von Religion annehmbar sind, jede in ihrer eigenen Art, muß man zugeben, daß der indische Dharma der größte und edelste auf Erden ist, der alle obigen Ideen und Versuche zu einer letztgültigen Definition enthält. Sie sind nur etwas unvollkommene Auffassungen von Dharma. Aber der ewige Dharma der Hindu’s ist vollkommen in jeder Hinsicht. Widersprechendes ist nicht in den angeführten Ansichten über Indiens Dharma, der vollständig die Mängel aller anderen Religionen ersetzt. Der Sanātanadharma ist die älteste Religion, der Vater jeder andern, lebenden oder toten. Er steht ohnegleichen in der Tiefe und der Schönheit seiner herrlichen Philosophie.

Nutzen von Dharma. — Das Ziel der Religion ist, wie schon gesagt, die Sicherstellung von Abhyudaya (materielle und geistige Wohlfahrt) und von Niḥśreyasa (vollkommenes, ewiges Glück). Für das bescheidene menschliche Wesen in seinem bescheidensten Urzustand ist ein Fortschritt von Körper und Geist notwendig, so daß es mit einem vollkommenen körperlichen Organismus sein Ziel ohne jegliches Hindernis erreichen kann. Die Hindu-Lehre stellt vier Dinge in das Werden des menschlichen Lebens ein; zwei gehören zum materiellen 'Körper, zwei zu dem geistigen Ziel. Die ersten sind: Artha (Besitz) und Kāma (Begier); die andern Dharma (Rechtlichkeit) und Moka (Erlösung).12)

    Der Leser wird bemerken, welch hohe Auffassung hier von dem Nutzen des Dharma gegeben ist. Er ist ein Universal-Segen zum Fortschritt der gesamten Menschheit auf dem materiellen und geistigen Pfade zu Befreiung und Seligkeit, dem Ziele aller vorangegangenen Kämpfer durch unzählige Stufen des Werdens. Andere Religionen helfen dem Bekenner, wie wir gesehen, nur wenig. Aber der Hinduismus, wie er oben definiert und erklärt wurde, hat nichts Unbestimmtes und Verschwommenes. Er ist eine lebende, belebende und konkrete Führung für Menschen aller Klassen und aller Zeiten.

 

 

 

 

 

 

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Indiens Religion, der Sanātana-Dharma, Eine Darstellung des Hinduismus, übersetzt und erläutert vom Kapuziner-Pater Pater Josef Abs, erschienen bei Kurt Schroeder in Bonn/Leipzig, Seite 5 bis 13

 

 


 

Drittes Kapitel

DER DHARMĀṄGA

Die Gliederung des Dharma

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Indiens Religion, der Sanātana-Dharma, Eine Darstellung des Hinduismus, übersetzt und erläutert vom Kapuziner-Pater Pater Josef Abs, erschienen bei Kurt Schroeder in Bonn/Leipzig, Seite 14 bis 23 ...


Viertes Kapitel.

DAS KARMAN 1).

Das Gesetz des Karman.

 

Karman ist die Vibration der Prakṛiti, der Urmaterie, die das Ergebnis ihrer drei Gua's, der Schöpfungsprinzipien ist. Es verhält sich wie Ursache und Wirkung, wie Same und Sproß. Des Karman Same ist das Saṃskāra. Karman und Saṃskāra sind zweierlei Art, rein und unrein. In der der Karma-mīmāṃsā-Philosophie wird gelehrt, daß das reine Karman die Ursache von des Menschen Erlösung, dagegen das unreine Karman die ursache seines Fesselung ist. Durch logische Beweisgründe wurde in diesem philosophischen System erwiesen, daß die die Reinigung von Saṃskāra zu der Reinigung von Karman und diese wieder zur Befreiung führt ²).

   Karma-yajña als rituale oder Opferhandlung wurde ausführlich behandelt in dem Pūrva-mīmāṃsā-System des Jaimini. Aber Karman in umfassendem Sinne jeder und aller Handlungen ist nirgendwo abgehandelt  als eigener Gegenstand in den bekannten Werken. Dieser Gegenstand bildet eine besondere Studie in der Pūrva-mīmāṃsā von Bharadvāja. Wir fassen diese Lehren hier kurz zusammen, um zu zeigen, wie radikal, wie weitreichend, wie unvergleichlich tiefgründig die Ansicht über Karman ist, wie sie die Śāstra's bieten.

  Die ganze Schöpfung stammt vom Wirken des Karman. Von Ewigkeiten her ruht sie in Karman und geht ihrer Vernichtung entgegen durch Karman. Jegliches Leben im Makrokosmos und Mikrokosmos, von der unscheinbarsten Vegetation bis zum höchstentwickelten Menschen, im allgemeinen und besonderen, ist ein Spiel des Karman. Die göttliche Macht ist Karman. Gott selbst ist dem Karman untertan. Was ist dieses allmächtige Karman? Wie tritt es in die Existenz? Wie können individuelle Seelen, das Karman besiegend, Erlösung erlangen?

   Die Veda's sagen, Karman und Brahman sind ein und dasselbe. Tatsächlich ist kein Unterschied zwischen Karman und göttlicher Macht. Alles, von dem unbedeutenden Strohhalm bis zu dem vielgestaltigen, weiten Universum, jede dualistische Existenz, die wir sehen, ist dem Karman unterworfen. Das Erscheinen des Manifestierten aus dem Unmanifestierten hat Karman zu seiner Ursache. Karman gibt seine offenkundige Wirksamkeit dem Sattva und Tamas, durch die Dharma und Adharma charakterisiert werden, so daß Karman das Geheimnis von Dharma und Adharma ist.

   Das Karma wirkt in drei Arten: Sahaja-karman ist das selbstätige, spontane Karman; Aiśa-karman ist das göttliche, das Karman der Jenseitswelt; das Jaiva-karman ist das Karman der individuellen Seele, das in reines und unreines Karman geteilt wird. Die sechs Einteilungen des reinen Jaiva-karman sind im vorausgehenden Kapitel erwähnt. Das Sahaja-karman ist die Quelle der in Erscheinung tretenden vierzehn Welten, der Schöpfung als Gesamtheit, bewegliche und unbeweglche Dinge umfassend, des Brahmāḍa³) oder des Weltsystems, das eine unendliche Verschiedenheit von Manifestationen der vier Arten der Bhūtasaṃga's - der vier Schöpfungsstufen - Udbhijja, Svedaja, Aḍaja, Jarāyuja ist.

    Das Jaiva-karman tritt auf, wo Wesen wirken in der sterblichen Welt, in den verschiedenen höheren und niederen Zuständen des Menschen, in Verbindung mit den Welten der Vergeltung - Himmeln und Höllen, göttlichen und dämonischen Kräften.

   Das Sahaja-karman ist absolut, aber in seinem Wirken untertan dem göttlichen Willen. Das Jaiva-karman ist in seinem Wirken der individuellen Seele untertan. Auf das Sahaja-karman hat die individuelle Seele keine Macht, wohl aber über ihr eigenes Karman, so daß die einzelnenen Seelen verantwortlich sind in bezug auf ihr Puya und Pāpa, ihre rechten und unrechten Handlungen und Lohn oder Strafe.

   Das Aiśa- oder göttliche Karman, der Jenseitswelt angehörend, ist darin einzig, daß es zusammen arbeitet mit dem Sahaja- oder dem Jaiva-karman. Auch die göttlichen Inkarnationen offenbaren dies Karman. Sie erscheinen in fünf Manifestationen als ādhyātmika, ādhidaivika, ādhibhautika, zu zweien, zu dreien und zu mehreren. Diese Inkarnationen sind partiell oder voll, Āveśāvatāra oder Possessions-Inkarnation genannt. Alle fallen unter das Aiśa-karman und damit unter die Jenseitswelt. Wenn die Daivī- oder Göttermacht der Asura- oder Dämonenwelt untertänig wird, wenn die Guten durch die Bösen leiden, wenn der Dharma schwach wird, die Menschen Gott vergessen, und sinnlichen Lüsten frönen, dann offenbart sich der Herr in Inkarnationen.

  Hier ist noch etwas zu erwähnen. Der springende Punkt in der Dreiteilung von Karman liegt in dem Saṃskāra, was wiedergegeben werden kann als der spontane latente Impuls, "spontaneous latent impulse". Dieser latente Impuls ist des Karman Same. In der Erscheinung der makrokosmischen und der mikrokosmischen Schöpfung wird der Zustand der individuellen Seele manifest durch Cijjaḍagranthi 4), die Verknotung des Cit oder des Lebensbewußtseins. mit dem Jaḍa oder Unbewußtsein. Hier liegt die Quelle, aus der das Erscheinen des latenten Impulses, des Saṃskāra, entspringt. Der latente Impuls ist der Wurzelgrund der Schöpfung. Saṃskāra ist zweifach, prākṛta oder urgründig und aprākṛta oder unurgründig. Jener wird rein, natürlich; dieser unrein, gezwungen genannt. Der erste Impuls führt zu Mokṣa (Befreiung), der zweite zur Bindung. Der Prākṛta-Impuls verleiht dreifache Reinigung. Der urgündige Prākṛta-oder Svābhāvika-Impuls, der zu Mukti (Erlösung) führt, ist manifest in sechzehn göttlichen Phasen, die gleich Wegstationen sind, wo neue Energien verausgabt werden. Dies ist der Saṃskāra der Veda's. Mit Hilfe dieser sechzehn Phasen schirmten die arischen Seher die Reinheit der arischen Klassen, indem sie ebenso viele Reinigungsriten vorschrieben. Der Asvābhāvika- oder der gezwungene Impuls hält die Seele in Fesseln; unzählig sind die Bedingungen und Umstände, welche die Fesselung herbeiführen.

  Die Asvābhāvika-Impulse sind unendlich an Manigfaltigkeit. Wo Spielraum ist für den prākṛtischen Saṃskāra, gewährt er dem Menschen Macht, Reinheit und Freiheit in langem Lauf. Dies ist das Geheimnis der sechzehn Reinigungsriten der Veda-Saṃskāra's.

   Die göttliche Macht wogt durch diese Reinigungsriten und führt sie zu sich, selbst mit Hilfe ebenderselben Saṃskāra's, die diese Phasen repärsentieren.

 Die sechzehn Reinigungsriten sind:

  1. Garbhādhāna (Konzeption);
  2. Puṃsavan (männliche Nachkommenschaft);
  3. Sīmantonnayana (Scheiteln der Haare der Mutter);
  4. Jāta-Karman (Geburtsritus);
  5. Nāmakāraṇa (Namensgebung);
  6. Annaprāśana (das erste Mahl);
  7. Cūā-Karman (Haarschopfzeremonie);
  8. Upanayana (Einführung zum Guru);
  9. Brahmavrata (Brahmanengelübde);
  10. Vedavrata (Vedagelübde);
  11. Samāvartana (Heimkehr);
  12. Udvāha (Heirat);
  13. Agnyādhāna (das heilige Herdfeuer);
  14. Dīkā (die Weihe);
  15. Mahāvrata (das große Gelübde);
  16. Saṃnyāsa (Weltentsagung) 5);

Die anderen Saṃskāra's, als Purifikationsriten, die außerdem in den Veda's, Smṛti's, Purāṇa's, Tantras vorgeschrieben werden, sind in diesen sechzehn enthalten. Die ersten acht sind Pravṛttirodhaka (Hemmer der bösen Neigungen), die anderen acht sind Nirvṛttipoṣaka (Pfleger der Entsagung). Darum sagen die Veda's, daß der Saṃnyāsin (Asket),der Meister von Ātmajñāna (Erkenntnis des Selbst), von den Göttern geehrt wird. Insoweit ist der Prākṛtika-saṃskāra, der sich aslo manifestiert, ganz und voll der Verleiher der Befreiung für den Menschen.

   Der natürliche Impuls liegt an der Wurzel des spontanen Karman, der erzwungene an der Wurzel des individuellen Karman. Beide werden im Aiśa-karman vereint. Durch sie treten die Individuen in die Erscheinung und gelangen zur Befreiung. Die Reinheit durch die Reinigungsriten verhilft zu Mukti (Erlösung). Durch die Reinheit, die durch diese Riten erlangt wird, läutert sich das Karman und führt zu Kaivalya 6) (dem absoluten Sein). Der Same vom Baum, der Baum vom Samen, das ist der ewige Kreislauf. Ihm ähnlich ist der Lauf der Schöpfung. Aber gerade wie der geröstete Same nicht fürder sproßt, so bewegen sich die Reinigungsriten, die individuellen Impulse, die gleich dem gerösteten Samen sind, nicht mehr in dem Kreislaufe von Ursache und Wirkung und führen zu Mukti (Erlösung) 7).

   Es verhält sich so: Die Urmaterie, die Prakṛiti besteht aus den drei kosmischen Prinzipien, den Guna's 8). Eine Vibration veranlaßt das Auftreten des Karman, das darum selbsttätig oder sahaja genannt wird. Der Saṃskāra-Impuls ist der Same, Karman der Sproß. Wenn der Impuls verschwindet, wie könnte da Karman in Erscheinung treten? Das selbsttätige Karman, aus Prakṛiti entstanden, ist der Grund der Schöpfung der Individuen, wie auch ihrer endlichen Befreiung; das inidviduelle Karman dagegen bewirkt Fesselung.

  Solange also das individuelle Karman nicht zu dem segenvollen natürlichen Zustand gelangt durch Hilfe der Veda-Reinigungsriten oder durch Hilfe eines der erwähnten Glieder des Dharma, wird es unvermeidlich ein Hindernis auf dem Weg zur Befreiung sein. In dem heiligen Svābhāvika-prakṛitika-saṃskāra, dem natürlichen, urgründigen Impuls, so segensreich für alle, liegt die überragende Kraft des Dharma und sein stufenmäßiger, glückverheißender Weg, der in Befreiung gipfelt. Das göttliche Wesen durchdringt die Reinigungsriten. Es soll bemerkt werden, daß die sechzehn vedischen Saṃskāra's nur für die Anhänger des Veda gelten. Die Anhänger anderer Credo's gelangen zur Freiheit durch Hilfe des Sādhāraṇa-dharma (allgemeiner Dharma).

    Für Frauen ist der Dharma der Keuschheit in sich selbst hinreichend, die Reinheit zu bewirken, die sonst aus den Reinigungsriten fließt. Für Männer gilt das gleiche in Erfüllung der Pflichten des Varāśrama (Kasten und Stufen des Lebens), die zur Reinheit führen. Dies aber sind Svābhāvika-dharma's (natürliche) für Männer und Frauen. Durch die Erfüllung des Varāśrama-dharma für Männer und Satidharma 9) für Frauen erlangen beide materielles und geistiges Wohl, wie auch Kaivalya. Beide bringen die dreifache Reinheit und wirken durch Hilfe des prakṛitikischen Saṃskāra (natürlicher Impuls), die beide Geschlechter zu ihrem Ziele hinführen.

  Das Weib das in Keuschheit feststeht, identifiziert sich so sehr mit ihrem Ehemanne, daß sie nach langdauernden Himmelsfreuden ihr Geschlecht ändert und ein Mann wird.

[*) Anmerkung des Verfassers dieser Webseite am Ende dieses Kapitels] 

Der Mann, der die Reinigung durch Erfüllung des Varā-dharma (Kaste) durchmacht, seine Neigungen durch die ersten acht Riten bezähmt, Entsagung übt durch die anderen acht, gewinnt die nie endende Seligkeit des Mokṣa (Erlösung). Das ist das höchste geistige Geheimnis.

   Was die in Erscheinung tretende Manifestation der Schöpfung anbelangt, wirkt das Karman folgendermaßen. Die Prakṛiti (Urmaterie) gelangt durch ihre eigene Kraft zur Vibration, die zur Evolution führt. Diese Vibrationsbewegung reflektiert sich im göttlichen Sein. Durch die Evolution der drei Prinzipien von Prakṛiti 10) ensteht Avidyā (Unwissenheit) durch die Tamas-Vibration. Vidyā (Wissen) durch die Sattva-Vibration. Als Wirkung der Avidyā entstehen die individuellen Seelen, gleichsam Gottes eigene Manifestation, und zwar durch das Verknoten von Cit (des Bewußten) mit Jaa (dem Unbewußten). Und dies geschieht durch die Interaktion jener durcheinander wirrenden Vibrationen, wo die Individuen erscheinen wie Mondreflexionen in Wasserwogen, ineinander greifend, aufeinander wallend, sich vermischend wie in zahllosen Spiegeln. So folgt eine Unendlichkeit von Einzelseelen, anfangslos, endlos. Dann entsteht der Svābhāvika-saṃskāra (der natürliche Impuls) und manifestiert die Schöpfung des Beweglichen und Unbeweglichen durch das Sahaja-karman, das zur Expansion der Gesamtschöpfung führt.

   Wenn nun der Jīva (Die Seele als Lebewesen) vollkommenes Sein im Menschentum erreicht, beginnt das Jaiva-karman. Dann wälzt der Strom des Asvābhāvika-saṃskāra (des Zwangimpulses) den Kreislauf von Geburt und Tod dahin mit der Überfülle des dreifachen Leidens 11) und der Verwickelung mannigfaltiger Universalmanifestationen. Alle Welten, Nraka-, Preta-, Pitṛ-, Svarga-,Karma-bhūmi's (letzteres ist unsere Welt des Sterbens) 12)  evolvieren sich wegen des individuellen Karman. Vierzehn Welten, sieben obere, sieben untere, bieten dem Jīva ihre Bhoga's (Genüsse) als Leiden und Freuden dar.

Vidyā (Wissen) charakterisiert im vollkommenen Sattva, verleiht dem Aiśa-karman den höchsten Herrn eine gleiche Abwechslungsfülle, das Sahaja-karman wie auch das Jīva-karman stützend. Avidyā (Nicht-Wissen) besteht nicht vor Vidyā (Wissen), das nur im reinen Sattva ist. Der Herr, von Vidyā bedient, hält die Ordnung der Schöpfung aufrecht, Erhaltung und Zerstörung, obwohl er ein unbeteiligter Zuschauer aller Einzelseelen ist. So ist die göttliche Macht zu nehmen, insofern sie Lenkerin des Universums ist, die alle zur Seligkeit führt. Karman entstehend aus Prakṛiti (Urmaterie) ist jaātmika (unbewußt). Darum erfordern alle drei Arten des Karman die Hilfe der Devatā's (Gottheiten). Das Sahaja-Karman ist vollständig in der Gewalt der Prakṛiti und hängt deshalb gänzlich von den Devatā's (Gottheiten) ab. Das Jaiva-karman fängt eohl von der Prakṛiti der Seelen ab, aber halb und halb können die Devatā's es beeinflussen. Sie lenken des Menschen Prārabdha-karman (das Karman der Vergeltung). Jeder ist natürlich verantwortlich für seine Kriyamāna's (seine positiven Handlungen). Aber die Deva's (Götter), wirken unter gleichem Einfluß, inkarnieren sich selbst und stützen das Aiśa-karman oder sind Helfer bei den göttlichen Inkarnationen. Unerforschlich ist des Karman Lauf. Weit und vielgestaltig ist des Karman Reich. Karman ist der Urheber zahlloser makrokosmischer und mikrokosmischer Welten. Die Frommen und die Wisser kennen den Lauf des Karman und sie erreichen die göttliche Gegenwart.

    Zwei Wege liegen vor den Indiviuduum, der von Tamas (auf Unwissen gegründet) und der von Sattva (auf Wissen gegründet), die auch unreines und reines Karman heißen. Der erste Weg geht von Adharma aus und führt zur Degradation; der andere führt im Verein mit der starken Kraft des Dharma zum bwußten Sein höher und höher hinan. Selbst die Deva's (Götter), die der Versuchung unterworfen sind, können von dem Höhenwege stürzen; wenn sei aber darauf verharren, erreichen sie das Höchste sorgenlos.

   Mit dem Karman sind zwei Kräfte eng verknüpft, Anziehung und Abstoßung. Die Anziehung, mit Anhaftung als Grund, stammt von Rajas. Die Abstoßung, mit Abneigung als Grund, stammt von Tamas. Jegliches Schöpfungsgebild, ob klein oder groß, unterliegt diesen Kräften. Wo das Gleichgewicht zwischen beiden herrscht, entsteht das Reich der Freude, in dem Sattva als mächtiger Faktor auftritt. Die göttliche Manifestation verharrt immer in diesem Sattva. Die Individualität der Jīva's (Lebewesen) wird bedingt durch den Zustand der Gebundenheit in der ungleichen Kombination dieser zwei Kräfte. Der dritte Zustand des Sattva führt zu Mukti (Erlösung), frei von Neigung und Abneigung, weil es der Macht entstammt, die über Gegensätze erhaben ist. Jenseits des Reiches der Gegensätze, frei von Neigung und  Abneigung, begierdelos, gehn jene, die sich dem Karman weihen, unfehlbar dem herrlichen Ziele der Seligkeit entgegen. Bei Ausschaltung der Begierde in Vollbringung seiner Handlungen, erlangt man die Reinheit durch die Reinigungsriten. Die Handlung wird rein, und durch die Reinheit der Handlung verschwindet Avidyā (Unwissen). So wird der Knoten des Bewußten und Unbewußten, durch das Unwissen geschlungen, mit Hilfe der Vidyā (des Wissens) gelöst. Durch seine Entwirrung wird das Individuum zum höchsten Herrn.

    Der Strom des Karman, anfanglos und  endlos, den Makrokosmos wie den Mikrokosmos durchflutend, hört nimmer auf zu wogen, solange der Jīva nach Genuß dürstet. Diese Fesselung wrid anders nie gelöst als durch Ausrottung des Impulses, der des Karman Same ist. Das wird bewerkstelligt durch das Gelübde der Begierdelosigkeit. Einer, der sich der Liebe des Göttlich-Einen hingibt, der zu dem Göttlichen seine Zuflucht nimmt, der überwindet die Begierde. Offenbar müssen jene, die das Karman lieben und nicht das Göttliche, in Fesseln schmachten, während die, die das Göttliche lieben, Kaivalya (Isoliertheit) erreichen.

  Was die Jīva's an die weltliche Existenz bindet, ist das Wirken der Gegenkräfte von Anziehung und Abstoßung. Das Dvandva (Zweiheit) ist der Grund der Bindung, während der Ekatattva (Einheit) der Grund der Mukti (Befreiung) ist. Freiheit von Begierde durch die Liebe zum Göttlichen geht ins Streben nach Mokśa  (Erlösung) über. Der Same des Impulses wird zum gerösteten Korn, und die Raktabīja-Form des Karman erlischt 13). Die individuelle Natur geht auf in der göttlichen Seligkeit. Die göttliche Prakṛiti wird Vidyā für den Jīva und verleiht ihm Kaivalya (Isoliertheit). Aktion wird begleitet von Reaktion, die unvermeidlich, unausweichlich ist. In bezug auf seine Wirkung ist sie unfehlbar. Daraus folgt, daß die Anhäufungen des Karman niemals null und nichtig werden, selbst nicht bei dem Individuum das mukta (befreit) ist. Diese Anhäufungen des Karman-Impulses, die in den Cidākāśa (Kollektivbewußtsein) jeglicher Schöpfung eintreten, stützen das Sahaja- und das Aiśa-karman 14). Karman ist meistens unbesieglich; jedes Wesen, jeder Glaube unterliegt der Macht des Karman. Die Deva's, selbst das höchste Wesen, sind an das Karman gefesselt durch die Inkarnationen, so daß selbst die Mukta-jīva's (die befreiten Seelen) nicht dem Karman entgehen, das einmal in Wirkung getreten ist. Solch ein Karman wird immer seine Folgen auf den Täter abwälzen. Der Unterschied besteht darin, daß die Mukta's, die frei von Begierde sind, Helfer des selbsttätigen, des Sahaja-karman werden. Sie dienen den Absichten der Deva's, indem sie das Sahaja-karman stützen, das durch jene wirkt. Die Mukta's (Erlösten) sind nicht mehr dem Leiden unterworfen; aber in Einklang mit ihren früheren Neigungen fallen ihre Energien mit dem Aiśa-karman zusammen, sodaß sie zum Wohle der ganzen Schöpfung mitwirken. Solange der Körper besteht, wirkt auch das Karman, mag es nun ein Bhakta (Gläubiger, Liebender) oder ein Nāstika (ein Ungläubiger, Atheist) sein 15). Eine klare Einsicht haben jene, die in getreuer Erfüllung des Karman sich ganz Gott weihen. Sie sehen Karman in dem Fernsein von Karman, und das Fernsein von Karman in dem Dasein des Karman. So gelangen sie zur Einheit mit dem Göttlichen, das Karman auswirkend, das frei sein muß von jeglicher Anhaftung.

   Wenn sie nun Karman ausüben im Geiste der Begierdelosigkeit, wird Karman zu Akarman (Nicht-Karman). Wo nur die körperliche Handlung zum Stillstand kommt, aber Begierde bleibt, da bleibt das Karman, wenn es auch äußerlich nicht in Erscheinung tritt. Jene, die das Karman in Erkenntnis dieser Wahrheiten ausüben, werden frei von Fesselung.

 

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Indiens Religion, der Sanātana-Dharma, Eine Darstellung des Hinduismus, übersetzt und erläutert vom Kapuziner-Pater Pater Josef Abs, erschienen bei Kurt Schroeder in Bonn/Leipzig, Seite 24 bis 31

 

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*) die im Text angekündigte Anmerkung des Verfassers dieser Webseite am Ende dieses Kapitels:

Nunja, das ist etwas befremdlich, daß die Erfüllung einer Frau, bei korrektem Leben des "Dharma für Frauen" schließlich zu einem Mann werde.

Zweifelsohne gilt die Überlieferung, wonach Gott Vishnu sich auch mal als Frau, nämlich als Mohini, auf Erden verkörpert habe. Insofern wäre ein Lebewesen was jenseits von männlich und weiblich ist, das Ziel von Dharma. Im Sinne von "Nicht-Verhaftetsein" in die Veränderlichkeiten des materiellen Lebens, stimmt das zweifelsohne.

 

Ansonsten ist evtl auch lediglich die Naturgesetztlichkeit der "Wechseljahre" bei einer Frau gemeint, was eben auch wieder zeigt, daß das Leben einer Frau nie&nimmer identisch sein kann mit der Fähigkeit Kinder zur Welt zu bringen.

 

Es kann sich hier aber auch schlichtweg um eine Übersetzungsungenauigkeit oder auch einen Übersetzungsfehler handeln:

Das englische Wort "men" hat als Bedeutung nicht nur den Plural von "man", dh "Mann"; es wird auch, geschlechtsneutral, für "Leute", "Mensch", "Menschen"  benutzt. Das besagen beispielsweise sowohl die Online-Lexika von Cambridge( https://dictionary.cambridge.org/dictionary/english-german/man?q=men ), Oxford ( https://www.lexico.com/definition/man) auch Langenscheidt ( https://en.langenscheidt.com/english-german/men) und Pons (https://en.langenscheidt.com/english-german/men).

Insofern wird in "hall of all religions" wohl ausgedrückt, daß eine Frau eben nicht nur weiblich ist und ein Mann nicht nur "männlich" und daß es eben auf eine faire Sicht auf beide und fairer Umgang der Geschlechter miteinander geht und darüberhinaus um das "Wesentliche", das "Höchste", das "Unveränderliche".

Im Bereich der frühen buddhistischen Schriften findet man da Aussagen wie:

>>"Und der Erhabene," berichtet die Tradition, "sprach zu den fünf Jüngern" also:

"Die Körperlichkeit, ihr Jünger, ist nicht das Selbst. Wäre die Körperlichkeit das Selbst, ihr Jünger, so könnte diese Körperlichkeit nicht der Krankheit unterworfen sein, und man müßte bei der Körperlichkeit sagen können: so soll mein Körper sein; so soll mein Körper nicht sein. Da aber, ihr Jünger, die Körperlichkeit nicht das Selbst ist, deshalb ist die Körperlichkeit der Krankheit unterworfen, und man kann bei der Körperlichkeit nicht sagen: so soll mein Körper sein; so soll mein Körper nicht sein. <<

 Seite 239 in "Buddha, Sein Leben Seine Lehre, Seine Gemeinde" von Hermann Oldenberg, siebente Auflage, Stuttgart und Berlin 1920, J.G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger.

 

oder etwa auch:

Überlieferung der Lehren des Buddha:

>>

 

 

95. Das todlose Reich

Udāna VIII, 1-4

So hab‘ ich es gehört: Einst weilte der Erhabene bei Sāvatthī im Jeta-Haine, im Klostergarten des Anāthapiṇḍika. Damals aber belehrte, ermahnte, ermunterte und erfreute der Erhabene die Mönche durch eine Rede über das Nibbāna. Und die Mönche hörten die Lehre aufmerksamen Ohres, indem sie Acht gaben, es sich vergegenwärtigten und alle Gedanken zusammennahmen.

Da tat der Erhabene, nachdem er erkannt, was dies zu bedeuten hatte, bei jener Gelegenheit folgenden feierlichen Ausspruch:

“ Es ist, ihr Mönche, jenes Reich, wo nicht Erde noch Wasser ist, nicht Feuer noch Luft, nicht unendliches Raumgebiet, noch unendliches Bewussteseinsgebiet, nicht das Gebiet der Nichtirgendetwasheit, noch das Gebiet der Wahrnehmung und auch nicht Nicht-Wahrnehmung, nicht diese Welt noch eine andere Welt, nicht beide, Sonne und Mond. Das, ihr Mönche, nenne ich weder Kommen noch Gehen noch Stehen noch Vergehen noch Entstehen. Ohne Stützpunkt, ohne Anfang, ohne Grundlage ist das; eben dies ist das Ende des Leidens.“

„Schwer zu sehen, wahrlich eben ist das Nicht-Ich, nicht leicht zu begreifen ist ja die Wahrheit; überwunden ist der ‚Durst‘ für den Wissenden; für den Schauenden ist nicht irgend etwas.“

“ Es gibt ihr Mönche ein nicht Geborenes, nicht Gewordenes, nicht Geschaffenes, nicht Gestaltetes.

Wenn es, ihr Mönche, dieses nicht Geborene, nicht Gewordene, nicht Geschaffene, nicht Gestaltete

nicht gäbe, dann wäre hier ein Entrinnen aus dem Geborenen, Gewordenen, Geschaffenen, Gestalteten nicht zu erkennen. Weil es nun aber, ihr Mönche, ein nicht Geborenes, nicht Gewordenes, nicht Geschaffenes, nicht Gestaltetes gibt, darum läßt sich ein Entrinnen aus dem dem Geborenen, Gewordenen, Geschaffenen, Gestalteten erkennen.“

„Für das, was abhängig ist, gibt es auch Bewegung; für das, was nicht abhängig ist, gibt es keine Bewegung; wo keine Bewegung ist, ist Ruhe; wo Ruhe ist, ist kein Verlangen; wo kein Verlangen ist, ist kein Kommen und Gehen; wo kein Kommen und Gehen ist, ist kein Vergehen und Neuentstehen; wo kein Vergehen und Neuentstehen ist, ist weder ein Hinieden noch ein Jenseits noch (ein Etwas) zwischen beiden; eben dies ist das Ende des Leidens.“

<<



siehe Seite 130 in  "Pāli-Buddhismus in Übersetzungen - Texte aus dem Buddhistischen Pāli-Kanon und dem Kammavāca", aus dem Pāli übersetzt nebst Erläuterungen und einer Tabelle, von Karl Seidenstücker, zweite vermehrte und verbesserte Auflage, 4. bis 8. Tausend, Oskar Schloss Verlag München-Neubiberg, 1923, Druck von W. Hoppe in Borsdorf-Leipzig):

 

- Ende dieser Anmerkung des Verfassers dieser Webseite-


Fünftes Kapitel

DIE UPÂSÂNA

Die Verehrung in all ihren Arten

 

Gemäß des Sanātana-dharma wird das höchste Wesen oder Selbst von drei fundamentalen Gesichtspunkten aus betrachtet: als Brahman, Īśvara und Virāṭ-puruśa 1).

   Die höchste Art ist die des Brahman ²). Das Brahman ist unaussprechlich, unpersönlich, Geist und Sprache übersteigend, karmanlos, erhaben über den Begriff der Schöpfung. Eines, nicht zweifach. Es kann durch drei Attribute bezeichnet werden. Sat (reinstes Sein), Cit (reinster Geist, Bewußtsein), Ānanada (reinstes Glück). Seiner wesentlichsten Natur nach aber ist es Nirgua (attributlos, ohne Eigenschaften). Das höchste Selbst, als Īśvara (Herr) ³), berührt den Bereich des persönlichen Bewußtseins. Der Īśvara ist Saguṇa (mit Attributen behaftet), die Māyā lenkend, diese geheimnisvolle Māyā (Śakti) seines Wesens, die da herrscht über die Schöpfung, deren Erhaltung und Zerstörung und das Karman betrachtend. Das ist der Īśvara - der höchste Herr.

    In der dritten Art wird Īśvara zum Virāṭ-puruśa 4).

Hier steht er vor uns in der Unendlichkeit und Unermeßlichkeit seiner physischen Form, wo er die Gesamtheit des sichtbaren Kosmos in der Mannigfaltigkeit der schöpfersichen Idee umfaßt, in der Verschiedenheit seiner makrokosmischen und mikrokosmischen Lebenstypen.

   Die Trinität des Veda. - Die großen Rṣi's, die Seher grauer Tage, nennen diese Trinität adhyātma, adhidaiva, adhibhūta. Brahman ist adhyātma, Īśvara ist adhidaiva, Virāṭ-puruśa ist adhibhūta. Nach dieser Dreiheit enthalten auch die Veda's eine dreifache Literatur, als die drei Pfade zum geistigen Fortschritt: Jñāna-kāḍa (Wissen), Upāsanā-kāḍa (Verehrung), Karma-kāḍa (Handeln).

   Upāsanā besteht in der Bemühung, die Gegenwart des höchsten Herrn zu realisieren. Dazu gehören alle Übungen und Gebräuche, seien es physische, seien es geistige, durch die der Mensch stetig voranschreitet auf dem geistigen Gebiete, um so endlich die Gegenwart des Höchsten in sich selbst zu realisieren. Von all den Mitteln, die dem geistigen Fortschritte dienen, ist keines so lebenswichtig für alle ohne Ausnahme als Upāsanā.

    Nehmen wir Dāna und Tapas (Mildtätigkeit und Askese). Beide sind als Mittel des geistigen Fortschritts vorgeschrieben. Beide müssen sattva-artig sein, dies zu bewirken; beide müssen auf Verehrung gründen. Karitas wie Askese müssen den Glauben zum Hintergrund haben. Der Glaube ist ein  notwendiges Merkmal der Verehrung, so daß Dāna ohne das Prinzip der Verehrung nutzlos ist. Ebenso muß Askese die Liebe zum geistigen Ziel umschließen, die zum Geiste der Verehrung gehört wie diese selbst. Durch stetige Praxis führt Tapas zur Erstarkung der Macht des Sattva und damit zur Herrschaft im Geistesbereiche. Im Karma-Yoga ist Verehrung, als Gegensatz zu Jñāna-yoga, ein ausschlaggebender Faktor. Wenn einer Karman übt und es ganz der Göttlichkeit weiht, glaubend, daß Gott eins und alles ist, ein solches Karman führt zum Ziel. Ebenso gehört zum Jñāna-yoga der Glaube an die göttliche Führung durch Verehrung, die Fortschritt zu Jñāna (Wissen) sichert, was gleichbedeutend ist mit der Realisation des ewigen Zieles. Wer sich an die Erreichung dieses Zieles gibt ohne tiefinneres Mühen, kann es nicht mit Ruhe und Freiheit verfolgen, weil ihm der lebendige Glaube mangelt. In Verwirrung geschleudert, wird es ihm schwer, wenn nicht unmöglich, dies Ziel zu erreichen, das beschrieben wird als Nirvikalpa-Samādhi (der Zustand, wo Erkenntnis, Erkenner und Erkennendes in eines zusammenfließen 5).

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Indiens Religion, der Sanātana-Dharma, Eine Darstellung des Hinduismus, übersetzt und erläutert vom Kapuziner-Pater Pater Josef Abs, erschienen bei Kurt Schroeder in Bonn/Leipzig, Seite 31 bis 37 ...


 

      

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Sechstes Kapitel

Der Mantra-Yoga.

Die Praxis des Yoga durch Mantra’s




    Von den vier Arten des Yoga beginnen wir mit dem Mantra-yoga. Die Welt ist nāmarūpātmaka ¹), d.h. die Welt besteht aus Name und Form. Der Geist kann nichts umfassen, was nicht Name und Form hat. Das gilt von allen Dingen der materiellen wie der übermateriellen Welt. Jene Übungen der geistigen Kultur (sādhana), die verrichtet werden unter Name und Form zur Bezähmung der Gemütsregungen, tragen den Namen Mantra-yoga.

Das Wurzelprinzip des Mantra-yoga ist folgendes: Wenn ein Mensch zu Boden stürzt, erhebt er sich, indem er sich mit den Händen auf den Boden stützt. In derselben Weise kann der Mensch, dessen Geist durch die vielen Gestaltungen von Nāmarūpa  abgelenkt und in weltliche Fesseln geschlagen wird, diese Fesseln verhältnismäßig leicht brechen, indem er dasselbe Nāmarūpa verwendet nach den Methoden, die die Meister geben. ²)

   Wo Kārya (Handlung), da ist auch Kampana (Vibration). Wo Vibration, da ist auch Tönen, ob das Ohr es auffängt oder nicht. Im Anfange der Schöpfung, als der erste Akt der Schöpfung in der Natur, die in einem gewissen Zustande des Gleichgewichts

(Sāmyāvasthā) lag, sich regte, entstand die erste Vibration ( praṇava-dhvani), der Praṇava-Ton. Das ist keine bloße Einbildung; die Yogin’s können diesen Praṇava-Ton bewirken. Wenn der Yogin diesem Zustand des Sāmyāvasthā nahekommt, hört er diesen Ton.

Ebenso wie Prakṛti (die Natur) im Zustande des Gleichgewichts zu dem Praṇava eingestellt ist, so wird die Natur in dem Vaisanya (dem Zustande des gestörten Gleichgewichts) mit gewissen Bīja-mantra’s (Wurzelformen) in Verbindung gebracht. Im Zustande des Gleichgewichts der Natur stehen auch die drei Guṇa’s (sattva, rajas und tamas) im Gleichgewichte. Wir wollen es an einem Beispiel darstellen. Wenn wir eine Schüssel, mit Wasser gefüllt, schütteln, bewegt sich das Wasser. Dann entstehen Wirbel und Gegenwirbel, bis das Wasser in seinen  kleinsten Teilchen bewegt wird. So werden auch in der Natur, im Zustande des Gleichgewichts, wenn das erste Wirken einsetzt, die drei Guṇa’s in gleichmäßige Schwingung versetzt, welche Vibration dem Oṃkāra-(Oṃ-Laut) zugeschrieben wird. Wie das Wirken in der Natur weiterschreitet, und die Natur in den Vaiṣamya- Zustand übertritt, wo die drei Guṇa’s wirken und sich entgegenwirken, entstehen Töne, je nach den verschiedenen Vibrationen. Diese Töne gehören zu den Bīja-mantra’s. Der Oṃkāra oder der Bīja-mantra, vom Munde ausgesprochen, ist sozusagen das synonyme Äquivalent des unartikulierten Urtones. Diese Urtöne werden vernommen durch den Samādhi (Versenkung). Der Praṇava-mantra ist das Äquivalent dür das Brahman, der Bīja-mantra für die verschiedenen Saguṇa-Formen, die Götter und Göttinen ³).

Wiederum bestehen die die Mantra’s aus Zweigen und Blättern oder sind selbst solche. Die Zweige und Blätter sind bhāvātmaka, d.h. sie beziehen sich auf Grund der Gemütsbewegungen. Ein  Mantra kann sein: nur Oṃkāra oder nur Bīja; oder Oṃkāra), Bīja und Zweige; oder Zweige und Blätter allein. So entstehen verschiedene Typen des Mantra. Einem Anfänger wird jener Mantra mitgeteilt, für den er nach Prüfung am besten geeignet erscheint, je nach seiner Natur. Neigung und Auffassungskraft. Unter diesen Bedingungen muß das Aufsagen eines Mantras nützlich werden. Betreffs Aufsagens der Mantra’s gibt es drei Arten: 1: Vācanica (mündlich) das Aufsagen, daß die Worte von anderen vernommen werden; 2. Upāṃaśu, das Aufsagen, bei dem nur der Beter die Worte vernimmt; 3. Mānasika, das Aufsagen im Geiste, ohne Bewegung der Zunge. Die letzte Art ist die beste, die zweite besser als die erste ).

Im Mantra-yoga wird die Betrachtung der Stūla-Form (der materiellen) vorgeschrieben. Es gibt vier Arten: 1. Stūla-dhyāna, Betrachtung der materiellen Form; 2. Jyotir-dhyāna, Betrachtung des Lichtes; 3. Bindu-dhyāna, Betrachtung des Punktes, der in Sādhana verwirklicht wird; 4. Brahma-dhyāna, Betrachtung des Brahman. Im Rāja-Yoga ist die Betrachtung des Brahman vorgeschrieben, im Laya-yoga die des mystischen Punktes, im Haha-yoga die des inneren Lichtes, im Mantra-yoga die des konkreten Symbols (Stūla-dhyāna)). Unter konkretem Symbol ist das Bild gemeint, das für eine der unveränderlichen ewigen Satya-Eigenschaften Gottes steht.

In dem Santāna-dharma gibt es nichts der Art wie die Betrachtung eines vergänglichen Bildes. Im arischen Śāstra gibt es keine Bilderverehrung. Der Stūla-dhyāna des Mantra-Yoga hält sich an die tiefen, heiligen Wahrheiten des Gottesreiches. Die Formen dieser ewigen Wahrheiten und Kräfte sind nur als Symbole gedacht, als Gegenstände der Betrachtung. Diese Formen gründen auf wahren, ewigen und heiligen Ideen).

Der Mensch ist ein Sklave von Ideen und Gefühlen. Auch nicht einen Augenblick kann der Menschengeist sich befreien von Ideen und Gefühlen. Ein sündiger Akt, der von reinen Ideen oder Impulsen kommt, wird rein; und ein tugendreicher Akt, der von unreinen Ideen und Gefühlen stammt, wird sündig, z.B.: das Töten eines Mitmenschen ist ein sündiger Akt; aber wenn das Töten geschieht aus gerechter Ursache, in Verteidigung des Fürsten - Anm.: des Verfasser dieser Webseite: Bzgl. des Rechts auf Töten eines Despoten, wie zB Adolf Hitler, bsteht in Deutschland Übereinkunft. Krishna, so heißt es im Bhagavatam bzw einem der Kommentare von Swami Prabhupada, tötete im Alter von 16 Jahren einen fürchterlichen Tyrannen und befreite damit Vyasa, seine Frau, deren Familien. Auch die Bhagavad Gita geht ausführlich auf dieses Thema ein. - oder eines Sāddhu (Heiligen), wird er ein guter Akt, wegen seines Motives. Es ist eine gute Tat, einen unglücklichen Mitarbeiter zu schirmen und zu schützen; aber einen Verbrecher zu schirmen, wäre das Gegenteil einer guten Tat. Deshalb wird im Santāna-dharma der Reinheit des zum Handeln treibenden Gefühles große Wichtigkeit beigelegt, wenn von ihm die menschlichen Taten ausgehen. Um die Bhāva-tattva zu erfassen (Die Philosophie der zum Handeln treibenden Gefühlsursache), muß man verstehen, daß die Beziehung, in der der Gegenstand der Betrachtung als Objekt der Sinne zu den Sinnen steht, wahrgenommen werden kann. Aus einer Betrachtung über das Wirken der Sinne kann das mentale Gefühl, das auf dem Grunde der Aktivität ruht, erfaßt werden. Nehmen wir z.B. ein Weib als Sinnesobjekt des Auges, das verschiedene Gemütsregungen wachruft. Wenn der Bhāva (als Aktionsgrund des Gefühls) des Mannes, der das Weib sieht, unrein ist, dann betrachtet er das Weib lediglich als Lustobjekt; ist der Bhāva aber rein, sieht er in dem Weib nur den Gegenstand heiligheherer Mutterschaft, ja das Symbol der göttlichen Mutter. (Anmerkung des Verfassers dieser Webseite: Die christlichen Grundprinzipen bzgl des Verhältnisses von mann und Frau gehen in dieses Beispiel, das ein Erläuterungsbeispiel sein soll, ein. In der deutschen und europäischen Gesellschaft, würde man da heutzutage wohl ein anderes Beispiel wählen; dennoch zeigt gerade der geänderte Blickwinkel auf dieses Thema genau das worum es hier geht: Der Bhāva, als Aktionsgrund des Gefühls, ist da eben ein Anderer und entsprechend sind die Betrachtungsweisen und Handlungsmaximen) Bhāva ist daher , von dem des Menschen Charakterart abhängig. Alle Beziehungen zur Welt hängen vom Bhāva ab, insofern sie in gutes oder schlechtes Licht gesetzt werden. Die Natur des bhāva ändert ändert den gesamten Lebensanblick. Der reine Bhāva verleiht allem ein leuchtendes Ansehen und stempelt alles zu einer religiösen Pflicht, vollbracht im Angesichte des Höchsten. Der unreine Bhāva lenkt ab vom Weg der Pflicht, der der Weg zum Glücke ist. Deshalb wird im Sanātana-dharma besonderer Nachdruck auf den Bhāva gelegt, und viele Methoden in unseren heiligen Schriften werden gelehrt, den Bhāva rein zu halten durch Realisation seiner Svarūpa-Form (der ureigenen, reinen Form).

   Die verschiedenen heiligen und geistigen Ideen und Gefühle, die in das Reich des Bhāva gehören, wurden dargelegt in den Bearbeitungen der Systeme des Stūla-dhyāna des Viṣṇu, des Śiva, der Devī und anderer göttlicher Systeme.Wir gben unsere Meinung klar wieder in einer kurzen Erläuterung der heiligen und tiefen Bedeutung des Durgā-Bildes, des Bildes, das als Hauptdarstellung der Śakti (der göttlichen Macht) gilt. Der Dämon (Mahiṣura) stellt den Guṇa des Tamas, vor, der von dem Löwen (rajas)), auf dem die Mutter Durgā reitet, besiegt wurde. Sie ist allheilig, ganz Sattva-guṇa, brahmarūpīni (brahmawesenhaft), die zehn Richtungen  der Windrose mit ihren zehn Armen umfassend. Ihre allmächtigen Arme halten gewaltige Waffen. Auf der anderen Seite ist Gaṇapati (der Elefantengott der Weisheit) und Lakṣmī (die Göttin des Reichtums), auf der anderen Seite sind Kārttikeya (der Kriegsgott) und Sarasvatī (die Göttin der Wissenschaft). Bedarf es jetzt noch einer besonderen Erklärung, daß Durgā die allmächtige Mutter ist (mahāmāyā ) und kein „Bild“? Insofern ist Stūla-dhyāna (Betrachtung der materiellen Form) nicht Götzendienst, sondern erfüllt von den tiefsten, höchsten und hehrsten Ideen.

   Indem Mantra-yoga sind als Anleitungen zur Betrachtung verschiedene Bildformen gegeben. Embleme der fünf göttlichen Attribute (pañca, saguṇa-devātmaka) neben dem Hersagen der Mantra’s. Das Saguṇa-dhyāna ist fünferlei Art, das von Viṣṇu, Sūrya, Devī, Gañeśa, Śiva. Der Grund der Fünfteilung liegt nach den Maharṣi‘s (Große Ṛṣi‘s) in der Fünfzahl der Urelemente, wie auch die Menschennatur in fünf Klassen geteilt werden kann. Deshalb wurde dieser Dhyāna in fünf Teile zerlegt, um den Bedrüfnissen von fünf verschiedenen Naturen gerecht zu werden. Wie bei dem Sādhana (der Übung) dem Schüler jene  Mantra’s anvertraut sind, die am besten seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprechen, so sollte bei dem Dhyāna jene der fünf Eigenarten desselben vom Lehrer vorgeschrieben werden, die am besten mit den geistigen und physischen Charaktereigenschaften des Sādhaka (des Übenden) in Einklang stehen.

Der Mantra-yoga zerfällt in sechzehn Stufen:

1. Bhakti (Andacht)

2. Śuddhi (Reinheit), die wieder verschiedene Abarten hat, wie: Dik-śuddhi (Reinheit der Himmelsgegnden, wo der Sādhaka sitzt; Stāna-śuddhi (Reinheit des rechten Ortes); Śarīra-śuddhi (Reinheit des Leibes); Antara-śuddhi (Reinheit des Geistes) usw.

3. Āsana (Körperhaltung beim Sitzen, um Japa (Gebet) oder Dhyāna (Betrachtung) zu vollbringen; dazu gehört auch der Gegenstand, auf dem man sitzt.

4.Pañcāṅaga-sevana (Fünferdienst) das Lesen der Gīta, zu  der der Sādhaka gehört; das Wiederholen der tausend Namen Gottes; das Beten der Stotra’s oder Hymnen an Gott; Kavaca, die geistige Waffenrüstung; Hṛdaya, Lieblings-Lobeshymne in der Sekte.

5. Ācāra (Lebenswandel), der vom Sādhaka befolgt werden muß. Der Ācāra hat dreierlei Art, entsprechend den drei Guṇas.

6. Dhāraṇā, die Methoden über den Begriff des Selbst; es sind zwei, je nachdem die innere oder äußere Welt betrachtet wird.

7. Divya-deśa-sevana. Das Mittel, durch das die Versehrung vollbracht wird, heißt Divya-deśa. Es gibt solcher sechzehn:

a) Agni (Feuer);

b) Amba (Wasser);

c) Linga (Emblem);

d) Vedi (Opferaltar);

e) Bhittirekha (Mauerschmuck);

f) Citra (Malerei);

g) Maṇdala (Opferkreislinien);

h) Viśikha (Pfeil);

i) Nitya-yantra) (Sāligrāma, Nerbuddeśvara);

j) Pīthā (mystischer Kreis des Prāna);

k) Bhāva-yantra (mystische Diagramme; verschiedene Gottheiten darstellend),

l) Mūrti  (Bild, Gestalt);

m) Vibhūti (lebende Wesen, in denen sich eine göttliche Eigenschaft offenbart wie in einer Kumarī. (Jungfrau);

n) Nābhi (Nabel);

o) Hṛdaya (Herz);

p) Mūrhan (der Zwischenaugenbrauenkreis).

Durch das rechte Verständnis der Divya-deśa’s wird es einleuchtend, wie der Sanātana-dharma die verschiedenen materiellen Mittel heranzieht, den formlosen, allgegenwärtigen Gott zu verehren. Jene, die nicht erkennen, auf wen diese Gegenstände gehen, nehmen in ihrer Unwissenheit an, daß diese der Gegenstand der Verehrung seien.

8. Prāṇa-kriyā (Prozesse, die sich auf den Atem beziehen; hierher gehört Prāṇāyāma und Nyāsa (Ateregulierung und Lokalisierung des Atems auf bestimmte Körperteile).

9. Mudrā, Gestikulation, um  den Göttern zu gefallen. (Anm des Verfassers diese Webseite: Vgl. zB.: (Ex-) BundeskanzlerIn’s Dr. Angela Merkel’s „Raute“; siehe dazu: „Anuksha Mudra“, „Dhenu-Mudra“ und das „Merkel-Raute“ sehr Ähnelnde - welches da „Yoni-Mudra“ heißt; dabei heißt "yoni", lt. Prof. Mylius's Sanskritlexikon ua. Vagina; nunja, auf "Vagina", wird Frau Dr. Merkel da wohl eher nicht hinzudeuten die Absicht gehabt haben; man bedenke dazu Gaudapada's sowie Shankara's Lehrbeispiel von "Seil und Schlange"; aber vielleicht würde man ja in Sachen Transzendentale Meditation, welche Mr. Mahesh lehrte, auch so viel "es sieht evtl ja nur so aus wie" aufbringen können und sich mit jenen Erklärungen begnügen können, welche die TM-LeherInnen und Mr. Mahesh da so "offiziell" zu geben pflegten: https://www.pushpak.de/mahanirvana/tantra05.html#P3)

10. Tarpaṇa (Wasserspenden).

11. Havana (Feuerspenden).

12. Bali (Opfergaben).

13. Yāga (Verehrungsopfer; es ist zweilerei Art, je nachdem es auf äußere oder innere Verehrung geht).

14. Japa (Gebet).

15. Dhāna (Betrachtung).

16. Samādhi (Versenkung).

In dem Mantra-yoga wird der Zustand der Versenkung (samādhi) Mahābhāva (großer Gemütszustand) genannt. Beim Durchgehen dieser sechzehn Stufen, in richtiger Ordnung und in strengem Gehorsam gegen die Anordnungen des Meisters, gelangt der eingeweihte Schüler zu dem Zustande des Samādhi, wo er sein inneres Selbst sieht und die Nähe Gottes erreicht. Durch Samādhi wird es bewirkt, daß die Svarūpa-Form Gottes (Wesenheit) verwirklicht wird.



 



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Indiens Religion, der Sanātana-Dharma, Eine Darstellung des Hinduismus, übersetzt und erläutert vom Kapuziner-Pater Pater Josef Abs, erschienen bei Kurt Schroeder in Bonn/Leipzig, Seite 37 bis 42 

 



 


 




 




   

 



      

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Siebtes Kapitel

DER HAṬHA-YOGA ¹).

Die Praxis des Yoga durch physische Übungen.




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Indiens Religion, der Sanātana-Dharma, Eine Darstellung des Hinduismus, übersetzt und erläutert vom Kapuziner-Pater Pater Josef Abs, erschienen bei Kurt Schroeder in Bonn/Leipzig, Seite 42 bis 46

 



   

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Achtes Kapitel

 

Der Laya-Yoga

Die Praxis des Yoga durch die feineren Kräfte der Natur

 

Im Yoga-Darśana (Yoga-Philosophie), das das Fundament und der Halt der Upāsanā ist, wird der Yoga definiert als das System der Vorgänge und Methoden, wodurch die Cittavṛtti’s (Die Impulse und Funktionen des Denkorgangs) gelernt und beherrscht werden. Im Beherrschen der Geisteskräfte durch den Yoga wird das Objekt aller Verehrung, Paramātman, dem inneren Bewußtsein des Eingeweihten offenbar. Dieser Zustand der Realisation des Höchsten selbst ist Samādhi, das Ziel und Ende, die letzte Frucht der Yoga-Praxis und der Upāsanā (Verehrung) 1.

In der Wissenschaft nimmt der Laya-yoga den dritten Platz unter den vier Yoga-Systemen ein. Laya-yoga ist schon eine höhere Stufe in dem Systeme des Voranschreitens (adhikāra ).

 In der Virāj, dem absoluten und unendlichen Körper Gottes, ist das weite All mit seinen zahlosen Sonnen- und Weltsystemen enthalten. (brahmāṇḍa).

 Nach der Veda-Wissenschaft ist es bewiesen, daß in jeder der zahllosen Brahmāṇḍa’s die Trinität von Brahman, Viṣṇu und Maheśvara enthalten ist als die unmittelbaren, kosmischen, intelligenten Kräfte Gottes ²).

 Es gibt verschiedene Ṛṣi’s, Devatā‘s und Pitṛi’s zur Erhaltung jedes Brahmāṇḍa. Jedes Brahmāṇḍa hat gewissermaßen seinen eigenen Vyāsa, Vasiṣṭha, Aṅgiras und andere Ṛṣi’s; seinen eigenen Āditya (Sonnengott), seinen Vasu, Rudra, Indra und andere Devatā‘s, seinen eigenen Aryaman und andere Pitṛi’s. Sie vollführen die Anordnungen in dem geistigen, materiellen und übermateriellen Brahmāṇḍa. Sie offenbaren sich im Beginne ihres eigenen Brahmāṇḍa und verschwinden mit dem Erlöschen desselben.

 Die Ṛṣi’s sagen, daß, wie Sonnenstrahlen, durch das Fenster dringend, unzählige Stäubchen in dem Zimmer dem Auge enthüllen so auch der Virāṭ-Puruṣa als Mahākāśa (absoluter Raum) mit zahllosen Brahmāṇḍa’s angefüllt ist, obwohl jedes derselben erlischt, wenn seine bestimmte Zeit um und sein Lauf vollendet ist. Dies ist die wunderbare Līlā-vigraha des Virāṭ-Puruṣa, seine materielle Form, die sein kosmisches „Spiel" umfaßt; wörtlich Formenspiel, d.h. der Kosmos und das Spiel seines Willens in kosmischen Phänomenen, die sich vereinigen, sein Bild zu formen, als Līlā-vigraha, der Verstand und Sprache überschreitet.

 Die Beziehung der individuellen, lebenden Körper in ihren drei Stufen zu der kosmischen Schöpfung oder auch die Beziehung des Piṇḍa zum Brahmāṇḍa ist ähnlich dem Verhältnisse, in dem die Bäume zum Wald stehn ³). Der Piṇḍa ist das individuelle Sein, das Brahmāṇḍa ist das kollektive Ganze. Es gibt Ṛṣi’s, Devatā‘s und Pitṛi’s in jedem individuellen Körper, wie es die Ṛṣi’s, Devatā‘s und Pitṛi’s in jedem Brahmāṇḍa gibt, die über die materiellen, übermateriellen und geistigen Verhältnisse dieses Systems herrschen. In jedem menschlichen Sein steht jedes Ereignis, das zum intellktuellen oder zum geistigen Teil des individuellen Seins gehört, unter dem Einfluß der Ṛṣi’s. Die Handlungen und Objekte des Genießens von Gutem oder des Duldens von Bösem werden von den Devatā‘s bei jedem menschlichen Sein gelenkt. Und was nottut in der Hervorbringung und Erhaltung des physischen Körpers jedes menschlichen Seins, steht unter der liebenden Fürsorge der Pitṛi’s.

 Die Kräfte von Anziehung und Abstoßung, die in und zwischen den Brahmāṇḍa’s, Planeten und Sonnen wirksam sind, und die dieselben verbinden, sind ebenso wirksam in bezug auf jeden individuellen menschlichen Körper und bilden verbindende Glieder. Noch mehr;

 Cita-sattā (absolutes Bewußtsein), Sat-sattā (absolutes Sein), Prakṛti-śakti (weibliches Prinzip der Gotteskraft), welche das Brahmāṇḍa stützen, durchdringen und in Gang halten, sind in jedem Jīvadeha (lebenden Körper) gegenwärtig. Von dem, was oben angedeutet wurde von der Beziehung und Verbindung von Vyaṣṭi und Samaṣṭi (Mikrokosmos und Makrokosmos), zwischen Individuum und Universum, kann man sich einen Begriff machen über die Idee des Laya-yoga. Der Laya-yoga kann in einem Wort definiert werden als das System, das darauf hinzielt, die Kräfte und Fähigkeiten des Geistes zu bemeistern, durch das Versenken der Prakṛti-śakti (des Körpers) in die Puruṣa-śakti (Geist) nach der Beherrschung der Gesetze von Verbindung von Piṇḍa und Brahmāṇḍa (von Vyaṣṭi und Samaṣṭi), um dadurch den Pfad der Befreiung zu finden 4).

 Die Ṛṣi’s grauer Tage, vor welchen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wie ein Buch offen lag, ersahen mit Hilfe ihrer übernatürlichen Yoga-Kräfte gewisse Stellen im Körper des Menschen als Pīṭha's (besondere Sitze) der Ṛṣi’s, Devatā‘s und Pitṛi’s. Sie hatten ebenso wahrgenommen, daß der lebende menschliche Körper ständig unter dem Einfluße der Anziehung und Abstoßung der Planeten und Sterne steht und stetig von den Himmelskörpern beeinflußt wird. Deshalb, weil sie gesehen und erfahren hatten, wie der Mensch von den Himmelswelten beeinflußt wird, gründeten sie die Wissenschaft der Astrologie auf der Basis der Astronomie. Die Methode der Entdeckung dieser und anderer Wissenschaften durch Yoga ist von dem großen Ṛṣi Patañjali im dritten Kapitel seines Yoga-darśana beschrieben 5) [ Anm. des Autors dieser WEBseite: Etliche Übersetzungen der Patañjali-Yogasutren habe ich gelesen: Prof Deussen in "allgemeine Geschichte der Philosophie Band I.3, siehe https://archive.org/details/allgemeinegeschi13deusuoft, genauer findet man Kapitel 3 ab: https://archive.org/details/allgemeinegeschi13deusuoft/page/528/mode/2up ; Vivekananda's Übersetzung ins Englische und die Übersetzung von dort ins Deutsche durch Frau Emma von Pelet, siehe "Rāja-Yoga, mit den Yoga-Aphorismen des Patañjali", herausgegeben von Emma von Pelet, Verlag Hermann Bauer KG, Freiburg/Br., 1937, ISBN 3-7626-0410-X, übersetzt aus der Orginalausgabe des Advaita Ashram, Almora, U.P. Indien; aber auch die übersetzung von Bettina Bäumer anhand von Deshpende's Übersetzung aus dem Sanskrit, „Die Wurzeln des Yoga, Die klassischen Lehrsprüche des Patañjali - aber Astrologie - im üblichen abendländischen Sinne - konnte ich im dritten Kapitel nunmal nicht entdecken; im dritten Kapitel geht es um das geistige Phänomen namens "Samyama" und so wie man in der Kriminalistik darauf zu achten hat die Fakten in die genaue zeitliche Reihenfolge zu bringen und sich insofern auf das genaue zeitliche Einordnen, unpersönlich, objektiv, fair sammelt und man in der Physik per Fernrohr einerseits eine Sammlung auf den Raum hin, aber auch auf das Zusammenspiel von Sammellinse/Sammelspiegel und Okular hin betreibt, das Ganze dann auf ein Himmelsobjekt ausrichtet, auf der Suche nach Gesetzen im Kosmos, so wird in jenem dritten Kapitel auch ein Anwenden von Samyama auf Polarstern, Mond bzw Sonne erwähnt sowie behauptet, daß man damit gewisse kosmische Gesetze erfassen würde können, usw. Das ist ein schwieriges Thema und das stand an einem naturwissenschaftlich-mathematischen Gymnasium wohl eher nicht auf dem Lehrplan. Interessant ist, daß Profesor Deussen’s definierende Versübersetzungen für gewisse Begriffe ziemlich identisch ist mit jenen von Bettina Bäumer. Allerdings ist die benutzte „Abkürzung", dh der benutzte Begriff, der da „definiert" wird/wurde, sehr anders als bei Bettina Bäumer. Begriffe wie „Allzucht" erinnern dabei dann an das alte deutsche Kaisserreich. Allerdings wurden diese Begriffe von Professor Deussen da - vorgegeben von dem was er zu übersetzen unternommen hatte - nunmal anders mit Inhalt gefüllt, als es - anscheinend ja auch - damals und heutzutage verstanden wird. Es ist eben wie mit Begriffen wie „niederträchtiges Frauenzimmer", was einst eine Dame hoher gesellschaftlicher Stellung, dh damals aus Adelskreisen, bezeichnete, welche sich den Armen zuwandte, um ihnen zu helfen; die heutige Bedeutung, dh zB anno 2021 n. Chr., ist bekanntermaßen sehr anders. Hier muß man für die Lektüre und das Verstehen von Professor Deussen’s Übersetzug etwas mehr Zeit aufwenden und etwas Verständnis aufbringen. In Swami Nikihilanda’s Vivekananda-Biografie, erwähnt Swami Nikihilananda, daß Vivekananda Prof Deussen, auf Einladung von Prof. Deussen hin, in Kiel besuchte und Prof. Deussen dann Vivekananda noch nach London begleitete, um etwas mehr Zeit mit Ihm verbringen zu können, weil er in Erfahrung bringen wollte, wie man jene „Siddhi-Techniken", von denen Patañjali berichtet, nun eigentlich praktiziere; Prof Deussen wollte das wohl einfach korrekt verstehen, um sicher zu gehen, daß er aus richtig übersetz(t)e. Etwas ausführlicher gehe ich da in www.klassische-indische-texte-91-19i.de dann mal ein.)]

 

Die Ṛṣi’s haben in ihren Yoga-Werken, (nachdem sie die Tatsache beobachtet und verwirklicht hatten), festgestellt, daß der höchste Punkt auf der Schädeldecke des Menschen gerade über dem Brahma-randhara (Brahma-Öffnung), der Pīṭha (Sitz) des Sac-ciḍ-ānandamaya-paramātman ( des aus sein, Geist, Wonne bestehenden höchsten Ātman) liegt, der Sahasradala genannt wird. Hier wohnt Er der Geist) als Seher, aber als unbeteiligter Zuschauer (nirlipta). Und gerade über dem After, im Mūlādhāra-cakra ist der Sitz der Prakṛti-śakti (Naturkraft als weibliches Prinzip). Sie befindet sich dort als latente Aktivität, im Schlafzustand (prapuspatā), nach außen schauend (bahimukhī). Im Yoga-śāstra wird diese śakti mit dem Namen Kuṇḍalinī benannt.

 Dies ist der Grund, warum der Mensch so völlig aufgeht in den unrealen Anhänglichkeiten der Welt, wo er ein Spielball des Moha (Verblendung der Mahāmāyā)´ist, daß er im Wahn dem Vergnügen der Welt nachjagt, den materiellen Körper als reales Selbst betrachtet und rundherum geht um das Rad des Lebens, im ewigen Kreislauf von Geburt und Tod. Wenn dann der Eingeweihte allmählich die Kuṇḍalinī-śakti durch Yoga-Kraft aus dem Ruhezustand erweckt, nachdem er, durch die Instruktionen seines Guru angeleitet, das Geheimnis der Pīṭha-stāna’s (Sitz der Devatā‘s) im Körper ergründet, das Tor des Ṣaṭ-cakra 6) (Sechskreis) geöffnet und durchschritten, trägt er diese śakti zu dem Sahasradala und versenkt sie als weibliches Prinzip in den Puruṣa (sat-chit) als männliches Prinzip. Also gelangt er in den höchsten Zustand des Nirvikalpa-samādhi 7) und erringt Befreiung 8).

 Wie Mantra- und Haṭha-yoga hat auch der Laya-yoga besondere Eigentümlichkeiten. Oberflächlich betrachtet beschäftigt sich der Laya-yoga mit den physischen Kräften und Funktionen des Körpers. Der Mantra-yoga hat verhältnismäßig engere Verbindung mit den Kräften , außerhalb des Körpers wirkend, ihn aber eng beeinflussend. Der Laya-yoga handelt von den übersinnlichen, intangibeln Pīṭhas und den Sūkṣma-Kräften und Funktionen, die in ihrer Feinheit über das Reich der physischen Beonachtung hinaus liegen, die in der inneren Welt des Körpers tätig sind. Im Haṭha-yoga ist die Betrachtung des Lichtes vorgeschrieben, im Mantra-yoga die des materiellen Bildes als Symbol göttlicher Kräfte, für die es im Laya-yoga keinen Platz gibt. Im Laya-yoga wird die Prakṛti-śakti in der Form der Kulakuṇḍalinī 9) im Körper des Yogin allmählch erweckt durch stetige Praxis, und zwar an dem Orte zwischen den Augenbrauen als jyotiṣmatī (lichtvoll), frei von materieller Befleckung. Wenn diese (jyotiṣmatī) durch Praxis und Betrachtung stetig und fest wird, wird sie Bindu-dyāna10) genannnt (Betrachtungspunkt).

 

Die Praxis des Bindu-dyāna ist eine Hauptübung des Laya-yoga. Außerdem gibt es im Laya-yoga noch besondere Eigenheiten, bei deren Durchgehen man leicht sieht, daß das System der Laya-yoga-Praxis feiner ist und höher geht als das vorangehende.

 Die Übungen des Laya-yoga zerfallen in neun Aṅga's (Teile) 11).

 Das erste Aṅga heißt Yama (Bezähmung), und zwar der physischen, äußeren Sinne. Yama ist zehnteilig.

 Das zweite Aṅga ist Niyama (Bezähmung der inneren Sinnenwelt), um dieselbe rein zu machen.

 Das dritte Aṅga ist Stūla-kriyā (physische Taten), die sich besonders auf Āsana und Mūdra (Sitz und Gliederhaltung) beziehen. Wenige der dreiundreißig Āsana's und vierundzwanzig Mūdra's des Haṭha-yoga finden sich im Laya-yoga, die hier mit Stūla-kriyā bezeichnet sind.

 Das vierte Aṅga ist Sūkṣma-kriyā (überphysische Taten), die sich auf (Atemübungen) Prāṇāyāma und Savrodaya (atemregulierung) beziehen. Von den acht Prāṇāyāma's des Haṭha-yoga finden sich nur zwei im Laya-yoga; das Svarodaya-śāstra handelt von der wunderbaren Weisheit der Geheimnisse des inneren Reiches (Prakṛtika-sūkṣma-rājya). Unter anderen Dingen lehrt Svarodaya über verschiedene Körperkanäle, wie rechte und linke Halsader (Iḍa und Pigalā) und Kopfader (Sūumā) 12).

 Er lehrt uns, wie wir die fünf Grundelemente (pañcattva's) nach dem Eintritt in die innere Welt ergründen können, und gibt nach Ergründung derselben vollere Kenntnis, die den Einblick in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verleiht. Endlich gewährt er die volle Herrschaft über den Sūkṣma-prāṇa (als Lebensprinzip), der in der Weltbesiegung gipfelt. Kurz, durch Svarodaya-sādhnana wird unbedingte Herrschaft über die inneren Kräfte von Leben und Natur gewonnen.

 Das fünfte Aṅga ist Pratyāhāra (Zurückziehung), wodurch der Eingeweihte zum Eintritt in die innere Welt befähigt wird, nachdem er die Regungen und Neigungen seines Gemütes bezähmt und se von der Außenwelt abgezogen hat. Das Hören verschiedener Nādas (Töne) ist in den übungen des Pratyāhāra einbeschlosssen.

 Das sechste und Haupt-Aṅga ist Dhāraṇā (Stetigkeit). Wie im Haṭha-yoga Prāṇāyāma und im Mantra-yoga Japa die Hauptsache ist, so hier Dhāraṇā. Durch sie erweckt der Eingeweihte, der die innere Welt beherrscht, die Kulakuṇḍalinī und durchdringt die sechs Kreise (cakra's), die die Türe zum-Sūṣumṇā-Kanal bilden.

 Das siebente Aṅga ist Dhyāna (Betrachtung), in dem der Bindu-dhyāna (mysthischer Betrachtungspunkt) erläutert wird.

 Das achte Aṅga ist Laya-kriyā (Laya-Werk) mit der wundervollen Wissenschaft über die verborgenen Kräfte von Leben und Natur. Die Übungen von Laya-kriyā sind so hehrer transzendentaler Art, daß es unmöglich ist, auch nur eine oberflächliche Idee davon in Worten zu geben. Sie können einzig und allein von den Meistern erlernt werden, wie denn überhaupt keiner den praktischen Yoga üben kann, der nur die Abhandldungen darüber kennt und liest.

 Als neuntes und letztes Aṅga wird Samādhi (Versenkung) genannt, der auch Mahālaya heißt (großer Laya oder große Auflösung). Der Gipfel dieses Mahālaya wird durch Nāda und Bindu (Ton und Punkt) erreicht 13). Wer das Ziel dieses Samādhi erreicht, schaut Gott.

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aus: Indiens Religion, der Santana-Dharma, Eine Darstellung des Hinduismus, übersetzt und erläutert vom Kapuziner-Pater Pater Josef Abs, erschienen bei Kurt Schroeder in Bonn/Leipzig, 1923, Seite 46 bis 50

 

 

 

 

 



 


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Neuntes Kapitel.

der Rāja-Yoga

Der Yoga durch die Kräfte des Denkens.





   Viele haben eine ganz falsche Vorstellung von Yoga im allgemeinen, von Rāja-Yoga im besonderen. Das Volk nimmt Yoga hin als Zauberei, Beschwörung, Hexerei, wie "trockenen Fußes über das Wasser wandeln, fliegen durch die Luft, Feuer essen, unsichtbar werden" und ähnliches. Man denkt. Yoga ist eine Art dunklen Treibens, das in finsteren Berghöhlen und entlegenen Wäldern von halbverrückten und perversen Menschen zu ihren finsteren Zwecken ausgeübt wird.

   Nichts könnte der Wahrheit ferner liegen als diese Auffassung. Yoga ist die Wissenschaft, die uns das Fühlen, Denken, Realisieren lehrt, eins mit Gott werden. Er hat gar nichts zu tun mit Magik, Wundern und ähnlichen Erscheinungen. Gewisse Kräfte erstehen aus der Übung des Yoga, die auszuüben dem Yogin verboten ist, weil sie Hindrnisse bilden zu seiner Vereinigung mit Gott. Yoga ist, wir wiederhoen es, nichts als die praktische und wissenschaftliche Methode, sich mit Gott zu vereinen.

  Jede Wissenschaft hat ihre eigene Methode der Forschung, und so auch der Yoga. Chemie und Physik haben ihre Laboratorien, wo sie ihre Ziele verfolgen. So erfordert die Wissenschaft des Yoga, inbezug auf ihren Gegenstand,  - das Himmelreich, das in uns ist, ein Gegenstand hehrer als Chemie und Physik - die Hilfe des Verstandes, tiefes Forschen und andere Hilfsmittel.

   Niemand hat das Recht, die Wahrheit zu bezweifeln, daß Hydrogen und Oxygen in gewisser Zusammensetzung Wasser sind. Der es nicht glaubt, braucht nur in einem Laboratorium den Versuch zu machen. Aber solange er das nicht tut, hat er kein Recht, dies zu leugnen. Ebendasselbe erfordert auch der Yoga.

Die indischen Ṛṣi’s erprobten den Yoga, durch den sie gewissse Wahrheiten entdeckten. Sie zeigten auch den Weg, diese Wahrheiten zu fiden. Solange einer diesen Weg nicht betreten, hat er auch kein Recht, diese Wahrheiten zu bezweifeln und verächtlich darüber zu sprechen. Erfahrung ist die Quelle aller Erkenntnis, und auf Erfahrung beruht der Yoga.

Die Praxis des Yoga wude schon behandelt. Hier wollen wir uns kurz befassen mit Natur und Wesen des Rāja-Yoga.

Die Veda's zerfallen in drei Teile: Karman (Handeln),

Upāsanā (Verehrung), Jñāna (Wisen). Ähnlich wird der Yoga eingeteilt in Karma-yoga, Upāsanā-oder Bhakti-yoga und Jñāna-yoga.

Karma-yoga ist die Fähigkeit, das Karman richtig und wirksam zu vollführen (yogaḥ karma sukauśakam). Das Schürzen und Entschürzen eines Knotens ist Karman; aber desen Wirkung ist eine verschiedene. Karman ist der Grund von Fesselung und Befreiung. Da erhebt sich nun die Frage: "Welches ist der rechte Weg, das Karman zu vollbringen?" Diese Frage wurde von Śrī Kṛṣṇa ausführlich in der Bhagavadgītā gelöst. Er sagt, daß das Vollbringen von Karman um des Karman willen, ohne Rücksicht auf den Erfolg, der rechte Weg ist. Dieser Weg führt zu Mukti und wird nie zur Fessel; denn solches Karman führt nie zur Reaktion.

Bhakti-yoga führt zur Herrschaft über die Funktionen des Denkens (citta), um so in der Einführung auf Einessinnen den ganzen Geist auf Yoga zu lenken. Die Philosophie des Yoga hat Patañjali in seinem Yoga-sūtra behandelt, während die praktische Seite in de voer Yoga-saṃhitās behandelt wird.

Endlich ist der Jñāna-yoga die Unterscheidung des Realen vom Unrealen durch reine Vernunfterfoschung mit Hilfe der Upaniṣad’s und der vielen Philosophiesysteme. Die praktische Seite des Jñāna-yoga ist der  Rāja-Yoga, die edelste und schwierigste Art ds Yoga. Wenige Menschen sind fähig für disen Yoga. Mantra-yoga,  Haṭha-yoga und Laya-yoga sind nur die Vorbereitungsstufen zum Rāja-Yoga.

Dhāraṇā (Satzung) der verschiedenen System ist auch verschieden. Die Dhāraṇā des Karma-yogin inbezug auf die Siddhi (Vollendung) des karma-kāṇḍa lautet: „Dieses ganze Universum ist das Brahman.“ Folgerichtig hält er den Dienst, allen Wesen erweisen, für Gottesdienst. Die Dhāraṇā des Siddhi-bhakta-yogin (des Vollendeten in dem Bhakti-yoga) heißt: „Das brahman selbst ist das Universum.“ Darum sieht er überall Gott. Der Jñāna-yogin hat den Dhāraṇā: „Ich bin das Brahman.“ Und er ist erlöst (mukta).

Diese drei Dhāraṇā’s sind die Grundwahrheiten des Rāja-Yoga. Wo aber eine dieser Dhāraṇā’s sich einstellt, folgen die anderen selbstätig nach.

Vairāgya 1(Leidenschaftlosigkeit, Entsagung) ist ein notwendiges Grundstück für jeglichen Yoga. Die heilien Lehrer des Yoga haben das Vairāgya in vier Teile zerlegt, in bezug auf die vier Arten des Yoga. Sie lauten:

 


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Indiens Religion, der Sanātana-Dharma, Eine Darstellung des Hinduismus, übersetzt und erläutert vom Kapuziner-Pater Pater Josef Abs, erschienen bei Kurt Schroeder in Bonn/Leipzig, Seite 51 bis 58

Nun, Mantra-Yoga ist insofern, objektiverweise, im Santāna-dharma verankert und dem zuzuordnen.

Historischerweise ist es so, daß Hinduismus vom Buddhismus nahezu komplett verdrängt worden war und Shankara diese Situation vorfand, Er schrieb dann Kommentare zu Upanishaden und zwar vor allem zu jenen, welche zur Zeit Buddhas, lt. Hermann Oldenberg und/bzw Walter Ruben auch schon existent gewesen waren. Dazu kommen der Kommentar zu den Brahmasutras; darüberhinaus kommentierte er Vedanta und verfaßte zahlreiche Stotras, in welchen er va auch seine subjektive Seite zeigt, wie zB im Nirvanashatakam.

Was dann entstand war neben einem Erblühen des Hinduismus eben auch ein Philosophie in Anlehnung bzw Darlegung des Advaita. So gibt es, gemäß Shankaracharya Swaroopananda, nun also sechs Wege; jene fünf, die eine Gottesvorstellung erfordern und ein Weg, der ohne Gottesvorstellung auskäme, der aber nur für den Lebensweg der Sadhus geeignet sei.



Wenn es im obigen Buch von Pater Abs heißt:

"Das Wurzelprinzip des Mantra-yoga ist folgendes: Wenn ein Mensch zu Boden stürzt, erhebt er sich, indem er sich mit den Händen auf den Boden stützt. In derselben Weise kann der Mensch, dessen Geist durch die vielen Gestaltungen von Nāmarūpa abgelenkt und in weltliche Fesseln geschlagen wird, diese Fesseln verhältnismäßig leicht brechen, indem er dasselbe Nāmarūpa verwendet nach den Methoden, die die Meister geben. ²)", so zeigt es genau jenen säkularen Ansatz.

Verhaftetsein in die Sinneswelt, Sinne-Verhaftetheit ist die leidvolle Situation. Der Ausweg ist das sich Abstützen an der Sinnesverhaftetheit (Mantra-Gebrauch, Hörsinn) und dann ein sich "Zurückziehen" von der Sinneswelt, dh einem "Transzendieren"; das ist genau das Prinzip der "tanszendentalen Meditation" und das ist ein rein säkularer Ansatz, weit weg von Religion.