Professor Dr. Paul Deussen's Übersetzung sowie Anmerkungen betreffs der achten Lektion der Chândogya-Upanishad:
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Chândogya-Upanishad 7,16,2.
Achter Prapâ
ṭaka.
Dieser letzte Abschnitt der Upanishad besteht, abgesehen von zwei kurzen Schlußgebeten des ausscheidenden Schülers (13. 14) und einer Schlußermahnung an denselben (15), aus zwei nahe verwandten Abschnitten, deren erster (16), in Form einer Unterweisung des künftigen Lehrers, über den Weg zum Atman handelt, während der zweite (712), in Form einer Belehrung des Gottes Indra durch Prajâpati, den Unterschied zwischen dem wahren und dem falschen Âtman erläutert.
A. Der Weg zum Âtman, Khaṇḍa 16.
1. In der Brahmanstadt des Leibes, und zwar in der Lotosblüte des Herzens, befindet sich ein kleiner Raum (dahara' âkâçaḥ), welcher in Wahrheit so groß ist wie der unendliche Weltraum und, wie dieser, alle Welten und alle Götter, alles was einer besitzt und nicht besitzt, in sich beschließt. Der in ihm wohnende Âtman wird nicht von Tod, Verfall und Übel aller Art betroffen; und während alle, die nach diesseitigem oder jenseitigem Lohne trachten, Vergänglichem nachjagen und in allen Welten unfrei bleiben, so ist, wer den Âtman gefunden hat, frei (nicht mehr ein Knecht unverwirklichter Wünsche) und im Vollbesitze aller wahren (nicht auf die Illusion des Weltlebens gerichteten) Wünsche.
2. In grobmaterieller Weise werden diese ,,wahren Wünsche" hier ausgemalt. Wer sie besitzt, kann durch die bloße Vorstellung (sañkalpa) alles mögliche hervorzaubern und genießen, die Welten der Väter, Mütter, Brüder, Schwestern, Freunde, die Welten der Wohlgerüche und Kränze, der Speise und des Trankes, des Singens, Musizierens und der Weiber. Dieser Abschnitt fällt nach Geist und Ton so sehr aus dem Ganzen heraus, unterbricht auch den, mit 3,1 unmittelbar an den Schluß von 1. anknüpfenden Zusammenhang so störend, daß wir in ihm eine sinnliche Ausmalung des Gedankens 3,2 (atha ye ca asya iha jivâ, ye ca pretâ, yac ca anyad icchan na lobhate, sarvaṃ tad atra gatvâ vindate) von späterer Hand vermuten, vielleicht derselben Hand, welche am Schlusse des vorigen Prapâṭaka die Allerfüllung im Sinne einer magischen Vervielfältigung der eignen Person ausdeutete (vgl. oben S. 173, Anm.).
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Sâmaveda
3. Während bei dem gewöhnlichen Menschen diese wahren Wünsche ,,mit Unwahrheit verdeckt" sind, während er die Brahmanwelt, obgleich er täglich im Tiefschlafe in sie eingeht, nicht findet und dabei auch die Seinigen, wenn sie sterben, verloren zu haben glaubt, so findet der Wissende die Brahmanwelt und in ihr alle wahren Wünsche, atra gatvâ ,,wenn er hierher (nämlich in sein Herz) geht" (nicht ,,wenn er dorthin gegangen ist", Böhtlingk); im Herzen ist der Âtman, wie aus der Etymologie von hṛidayam gezeigt wird, und im Tiefschlafe wird er, des Leibes ledig, mit dem höchsten Lichte vereint und dadurch seiner eigen wahren Wesenheit teilhaftig. Als das Brahman, als Satyam (Wahrheit) ist er (wie etymologisch spielend gezeigt wird) der Befasser (yam) des Unsterblichen (sat) und des Sterblichen (ti; nach Çankara zu Bṛih. 5,5,1, wo ähnlich mit satyam gespielt wird, weil ti, t in den Worten anṛitam, Unwahrheit, und mṛityu, Tod, vorkommt).
4. Als solcher Befasser des Unsterblichen und Sterblichen ist der Atman der scheidende Damm (setur vidhṛitir) zwischen den verschiedenen Welträumen (im Plural) und zugleich die (verbindende) Brücke (setu bedeutet beides) zwischen dem Diesseits und dem Jenseits ( der Brahmannwelt). Kein Böses, kein Übel, keine Unvollkommenheit kann diese Brücke überschreiten. Der Weg, um zu der Brahmanwelt zu gelangen, ist brahmacharyam (nicht ,,Brahmanenlehre", Böhtlingk, sondern)
das Leben als brahmacârin, Brahmaschüler, verbracht in Studium und Entsagung.
5. Dieses Brahmacaryam ist das Einzige, was not ist, denn es befaßt (wie durch eine Reihe halsbrechender Etymologien erwiesen wird alle andern Forderungen der Religion in sich; cs ist yajña (Opfer), ishṭam (Geopfertes) ,
sattrâyaṇam (eine große Somafeie)r, maunam Büßerturn),
Anâçakâyanam (Fasten) und araṇyam (Einsiedlerleben imWalde); der wahre Wahl (araṇyam) nämlich, in den man gehen soll, findet sich in der durch Brahmacaryam zu erlangenden Brahmanwelt, in welcher ara- und -ṇya (also araṇya) zwei Seen sind. Hier hat eine spätere Hand noch andre in der Brahmanwelt zu findende Wunderdinge (airaṃ madiyaṃ saras açvattaḥ somasavanaḥ, aparâjitâ pûr brahmaṇaḥ prabhuvimitaṃ hiraṇmayam) eingeschoben, welche zwar, ebenso wie die anloge Schilderung in Kaush. 1,3, der Phantasie der spätern Inder viel Nahrung gegeben haben, hier jedoch den Zusammenhang der Erörterung über ara und ṇya in einer gewiß nicht ursprünglichen Weise unterbrechen.
6. Die oben gelehrte Identität (des Herzensraumes mit der Brahmanwelt wird, in Anpassung an die Fassungskraft der Menge, hier zu einer Verbindung beider mittels der braunen, weißen, blauen, gelben und roten Herzensadern und der gleichfarbigen, von der Sonne ausgehenden Strahlen. (Bṛih. 4,4,9 scheint diese Vorstellung als unerheblich behandelt zu werden.) Beim Tiefschlafe ist die Seele in jene Adern geschlüpft und mit der Glut einsgeworden (anders vorher, Chând. 8,3,4), beim Tode steigt die Seele des Wissenden durch die Kopfader zur Sonne empor, während die Nichtwissenden durch die hundert übrigen Adern ausfahren. Auch dieser
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Chândogya-Upanishad 8, Einleitung
Abschnitt, wegen der mehr sinnlichen Anschauungsweise, und weil der Tiefschlaf anders als Chând. 8,3,4 aufgefaßt wird, erweckt den Verdacht, ein späterer Zusatz zu sein.
Erster Khaṇḍa.
1. [Der Lehrer soll sprechen :] ,,Hier in dieser Brahmanstadt [dem Leibe] ist ein Haus, eine kleine Lotosblume [das Herz]; inwendig darinnen ist ein kleiner Raum; was in dem ist, das soll man erforschen, das wahrlich soll man suchen zu erkennen."
2. Dann werden sie [die Schüler] zu ihm sagen: ,,Hier in dieser Brahmanstadt ist ein Haus, eine kleine Lotosblume; inwendig darinnen ist ein kleiner Raum; was ist denn dort, was man erforschen soll, was man soll suchen zu erkennen?"
3. Dann soll er sagen: ,,Wahrlich, so groß dieser Weltraum ist, so groß ist dieser Raum inwendig im Herzen; in ihm sind beide, der Himmel und die Erde, beschlossen; beide, Feuer und Wind, beide, Sonne und Mond, der Blitz und die Sterne, und was einer hienieden besitzt und was er nicht besitzt, das alles ist darin beschlossen."
4. Dann werden sie zu ihm sagen: ,,Wenn alles dies in dieser Brahmanstadt beschlossen ist und alle Wesen und alle Wünsche, wenn sie nun das Alter ereilt oder die Verwesung, was bleibt dann davon übrig?"
5. Dann soll er sagen: ,,Dieses am Menschen altert mit dem Alter nicht; nicht wird es durch seine Ermordung getötet: dieses [die Seele, und nicht der Leib, wie die empirische Erkenntnis annimmt] ist die wahre Brahmanstadt, darin sind beschlossen die Wünsche; das ist das Selbst (die Seele), das sündlose, frei vom Alter, frei vom Tod und frei vom Leiden, ohne Hunger und ohne Durst; sein Wünschen ist wahrhaft, wahrhaft sein Ratschluß.
Denn gleichwie hienieden die Menschen, als geschähe es auf Befehl, das Ziel verfolgen, danach ein jeder trachtet, sei es ein Königreich, sei es ein Ackergut, und nur dafür leben, [so sind sie auch beim Trachten nach himmlischem Lohne die Sklaven ihrer Wünsche].
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Sâmaveda.
6. Und gleichwie hienieden die Stellung, die man durch die Arbeit erworben hat, dahinschwindet, so schwindet auch im Jenseits die durch die guten Werke erworbene Stätte dahin.
Darum, wer von hinnen scheidet, ohne daß er die Seele erkannt hat und jene wahrhaften Wünsche, dem wird zuteil in allen Welten ein Leben in Unfreiheit; wer aber von hinnen scheidet, nachdem er die Seele erkannt hat und jene wahrhaften Wünsche, dem wird zuteil in allen Welten ein Leben in Freiheit.
Zweiter Khaṇḍa.
1. Wenn ein solcher Verlangen trägt nach der Welt der Väter, so erstehen ihm auf seinen Wunsch die Väter, und diese Welt der Väter wird ihm zuteil, des ist er fröhlich.
2. Und wenn er Verlangen trägt nach der Welt der Mütter, so erstehen ihm auf seinen Wunsch die Mütter, und diese Welt der Mütter wird ihm zuteil, des ist er fröhlich.
3. Und wenn er Verlangen trägt nach der Welt der Brüder, so erstehen ihm auf seinen Wunsch die Brüder, und diese Welt der Brüder wird ihm zuteil, des ist er fröhlich.
4. Und wenn er Verlangen trägt nach der Welt der Schwestern, so erstehen ihm auf seinen Wunsch die Schwestern, und diese Welt der Schwestern wird ihm zuteil, des ist er fröhlich.
5. Und wenn er Verlangen trägt nach der Welt der Freunde, so erstehen ihm auf seinen Wunsch die Freunde, und diese Welt der Freunde wird ihm zuteil, des ist er
fröhlich.
6. Und wenn er Verlangen trägt nach der Welt der Wohlgerüche und Kränze, so erstehen ihm auf seinen Wunsch die Wohlgerüche und Kränze, und diese Welt der Wohlgerüche und Kränze wird ihm zuteil, des ist er fröhlich.
7. Und wenn er Verlangen trägt nach der Welt der Speise und des Trankes, so erstehen ihm auf seinen Wunsch Speise und Trank, und diese Welt der Speise und des Trankes wird ihm zuteil, des ist er fröhlich.
8. Und wenn er Verlangen trügt nach der Welt des Gesanges und Saitenspieles, so erstehen ihm auf seinen Wunsch
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Chândogya-Upanishad 8,2,8.
Gesang und Saitenspiel, und diese Welt des Gesanges und Saitenspieles wird ihm zuteil, des ist er fröhlich.
9. Und wenn er Verlangen trägt nach der Welt der Weiber, so entstehen ihm auf seinen Wunsch die Weiber, und diese Welt der Weiber wird ihm zuteil, des ist er fröhlich.
10. Welches Ziel er immer begehren, was er immer wünschen mag, das erstehet ihm auf seinen Wunsch und wird ihm zuteil, des ist er fröhlich.
Dritter Khaṇḍa.
1. Diese wahrhaften Wünsche sind bei dem Nichtwissenden mit Unwahrheit zugedeckt. Sie sind in Wahrheit da, aber die Unwahrheit ist über sie gedeckt; und wenn einer der Seinigen von hier abscheidet, so siehet ihn der Mensch nicht mehr.
2. Aber [in Wahrheit ist es so, daß er] alle die Seinigen, welche hier leben, und diejenigen, welche dahingeschieden sind, und was er sonst ersehnt und nicht erlangt, alles das findet er, wenn er hierher [ins eigne Herz] geht; denn hier sind diese seine wahren Wünsche, welche die Unwahrheit zudeckt. Aber gleichwie einen verborgenen Goldschatz, wer die Stelle nicht welß, nicht findet, ob er wohl immer wieder darüber hingehet, ebenso finden alle diese Kreaturen diese Brahmanwelt nicht, obwohl sie tagtäglich [im tiefen Schlafe in sie eingehen; denn durch die Unwahrheit werden sie abgedrängt.
3. Wahrlich, dieser Atman ist im Herzen! Und dieses ist seine Auslegung: hṛidi ayam (im Herzen ist er), darum
heilst es hṛidayam (das Herz). Wahrlich, wer solches weiß, der geht tagtäglich ein in die himmlische Welt.
4. Was nun diese VoIlberuhigung [die Seele im Tiefschlafe] ist, so erhebt sie sich aus diesem Leibe, gehet ein in das höchste Lieht und tritt dadurch hervor in eigner Gestalt,
das ist der Âtman", so sprach der Meister, das ist das Unsterbliche, das Furchtlose, das ist das Brahman!"
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Sâmaveda.
Fürwahr, der Name dieses Brahman ist satyam (die Wahrheit). 5. Das sind [nach altvedischer Aussprache] drei Silben, nämlich sat-ti-yam. Davon ist sat (das Seiende) das Unsterbliche, ti [weil in mṛitiu ,,Tod" enthalten] das Sterbliche, und mit yam umschließt [der Âtman] beide; weil er mit ihm beide umschließt (yam, yacchati), darum heißt es yam. Wahrlich, wer solches weiß, der geht tagtäglich ein in die himmlische Welt.
Vierter Khaṇḍa.
1. Der Âtman, der ist die Brücke (der Damm), welche diese Welten auseinanderhält, daß sie nicht verfließen. Diese Brücke überschreiten nicht Tag und Nacht, nicht das Alter, nicht der Tod und nicht das Leiden, nicht gutes Werk noch böses Werk, alle Sünden kehren vor ihr um, denn sündlos ist diese Brahmanwelt.
2. Darum fürwahr, wer diese Brücke überschritten hat als ein Blinder, der wird sehend, als ein Verwundeter, der wird heil, als ein Kranker, der wird gesund. Darum fürwahr auch die Nacht, wenn sie über diese Brücke gehet, wandelt sich in Tag, denn einmal für immer licht ist diese Brahmanwelt.
3. Darum diejenigen, welche diese Brahmanwelt durch Brahmacaryam (Leben als Brahmanschüler in Studium und Entsagung) finden, solcher ist diese Brahmanwelt, und solchen wird zuteil in allen Welten ein Leben in Freiheit.
Fünfter Khaṇḍa.
1. Nämlich Brahmacaryam ist das, was man Opfer (yajña) nennt, denn durch Brahmacaryam findet man den [Lehrer], welcher wissend ist (yo jñâtâ); und Brahmacaryam ist das, was man Geopfertes (ishṭam) nennt, denn durch Brahmacaryam fndet den Âtman,wer danach trachtet (ishṭvâ);
2. und Brahmacaryam ist das, was man Sattrâyaṇam (die große Somafeier) nennt, denn durch Brahmacaryam findet man für das wahre (sat) Selbst die Errettung (trâṇam); und Brahmacaryam ist das, was man Maunam (die schweigende Meditation des Asketen) nennt, denn durch Brahmacaryam findet man den Âtman und meditiert (manute) über ihn:
3. und Brahmacaryam ist das,
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Chândogya-Upanishad 8,5,3.
was man Anâçakâyanam (die Fastenregel; könnte auch allenfalls heißen Eingang in das Nichtverderbende") nennt, denn der Âtman, den man durch Brahmacaryam findet, der verdirbt nicht (na naçyati): und Brahmacaryam ist das, was man Araṇyâyanam (das Gehen in den Wald (araṇyam) nennt, denn ara und ṇya sind zwei Seen in der Brahmanwelt, im dritten Himmel von hier, da wo auch das Gewässer Airaṃmadîyam (etwa: Labung und Begeisterung spendend") und der Feigenbaum Somasavana (Soma triefend) und Brahmans Burg Aparâjita (die Unbezwingliche) und das goldne Prabhuvimitam (der Herrscherpalast) ist; 4. darum diejenigen, welche diese beiden Seen in der Brahmanwelt, ara und ṇya, durch Brahmacaryam finden, solcher ist diese Brahmanwelt, und solchen wird zuteil in allen Welten ein Leben in Freiheit.
Sechster Khaṇḍa.
1. Nun was diese Adern des Herzens sind, die bestehen, sagt man, aus einer feinen Masse, rotbraun und weiß und dunkelblau und gelb und rot. Aber fürwahr, jene Sonne dort, die ist rotbraun, die ist weiß, die ist dunkelblau, die ist gelb, die ist rot. 2. Und gleichwie eine große Landstraße sich weit erstreckt und beide Dörfer, dieses hier und jenes dort, verbindet, also auch verbinden jene Strahlen der Sonne beide Welten, diese hier und jene dort: von jener Sonne erstrecken sie sich und schlüpfen hinein in diese Adern, und von diesen Adern erstrecken sie sich und schlüpfen hinein in jene Sonne.
3. Wenn nun einer so eingeschlafen ist ganz und gar und völlig zur Ruhe gekommen, daß er kein Traumbild erkennt, dann ist er hineingeschlüpft in diese Adern: darum (atas, eingesetzt aus Çañk. ad Brahmasûtra, p. 792, 4.10) rühret ihn kein Übel an, denn mit der Glut als nächstem Edukt der Gottheit, Chând. 6,2,3. 6,8,6] ist er dann eins geworden.
4. Ferner, wenn er so in eine Schwäche verfallen ist, und sie sitzen um ihn herum und sagen: kennst du mich noch, kennst du mich noch?" alsdann, solange er aus diesem Leibe noch nicht ausgezogen ist, so lange kennt er sie noch;
5. wenn er aber so aus diesem Leibe auszieht, dann fährt er eben auf
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Sâmaveda
jenen Sonnenstrahlen empor; dann steigt er entweder [oder, als Nichtwissender, auch nicht] mit dem Gedanken an Om in die Höhe (lies: sa' om iti vâ ha ûrdhvamn íyate)
und gelangt, rasch wie man den Geist darauf richtet, zur Sonne hin; diese, wahrlich, ist Pforte der [Himmels-]Welt für die Wissenden, für die Nichtwissenden Verschlossenheit.
6.Darüber ist dieser Vers:
Hundert und eine sind des Herzens Adern.
Von diesen leitet eine nach dem Haupte:
Auf ihr steigt auf, wer zur Unsterblickeit geht.
Nach allen Seiten Ausgang sind die andern,
Ausgang sind die andern.
B. Der falsche und der wahre Âtman, Khaṇḍa 7
12.Dieser Abschnitt steht in nächster Beziehung zum vorhergehenden, wie schon die an 8,1,5 und 8,1,1 anknüpfenden Anfangsworte 8,7,1 (ya' âtmâ apahatapâpmâ usw.) und die wörtliche Wiederholung der Hauptstelle 8,3,4 in 8,12,3 (evam eva esha samprasâdo usw.) beweisen. Sein Zweck ist, die Ausführungen des vorigen Abschnittes zu ergänzen, indem er einerseits behuß der dort geforderten Erkenntnis des Âtman das wahre Selbst von dem falschen genauer unterscheiden lehrt (die drei ersten Antworten Prajâpati's), anderseits dem Einwande, daß bei der Vereinigung mit Brahman im Tiefschlafe das Bewußtseins verloren gehe, zu begegnen sucht (die vierte Antwort des Prajâpati) Âtman, das Selbst, ist (wie in meiner ,,Geschichte der Philosophie", I, S. 324 fg. ausgeführt,) ein sehr vieldeutiger Begriff, sofern man namentlich das Selbst 1) materialistisch im Leibe. 2) realistisch in der individuellen Seele, 3) idealistisch in der allein realen höchsten Seele finden kann. Diese drei schrittweise sich vertiefenden Auffassungen erscheinen hier als drei Antworten, welche Prajâpati dem Indra auf die Fragc: was ist das Selbst?" erteilt. Durch diese Einkleidung wurde Çañkara verleitet, schon in der ersten Antwort die (individuelle) Seele zu verstehen, weil sonst Prajâpati ein Betrüger sein würde". Aber Prajâpati ist hier der mythologische Vertreter der Natur, welche niemals lügt und doch dem tiefer und tiefer dringenden Denken auf die Frage, worin unser Âtman, unser eigentliches Wesen, zu suchen sei, tatsächlich die drei genannten Antworten erteilt.
1) Die erste Antwort auf die Frage: ,,was ist das Selbst?" lautet : ya' esho 'kshiṇi purusho dṛiçyate, d. h. hier: die Person, welche im Auge (des andern, wenn wir uns darin spiegeln) gesehen wird". Daß diese Auffassung richtig ist, beweist das Folgende, in welchem das Spiegelbild im Spiegel und im Wasser für ganz das nämliche wie jenes Spiegel-
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Chândogya-Upanishad 8,7
12, Einleitungbild im Auge erklärt wird. Um so auffallender ist, daß sonst unter dem
Purusha (Person, Geist) im Auge" immer die (individulle) Seele verstanden wird; so Bṛih. 2,3,5. 5,5.2. Chând. 1,7,5 und namentlich 4,15,1, wo genau mit denselben Worten dieser purusho 'kshiṇi für âtmâ, amṛitam, abhayam, brahma erklärt wird. Vielleicht enthält unsre Erzählung eine Polemik gegen alle diese Stellen; vielleicht beriefen sich gar die Materialisten auf jene Stelle Chând. 4,15,1 (the devil can cite Scripture for his purpose), und unser Autor sucht sich in seiner Weise zu widerlegen. Jedenfalls kann kein Zweifel sein, daß hier das Spiegelbild im Auge, im Spiegel, im Wasser, als Abbild des materiellen Leibes verstanden werden muß. [Siehe Anmerkung x1]2) Ebenso gewiß ist, daß dasjenige, was Prajâpati in der zweiten Antwort für âtmâ, amṛitam, abhayam, brahma âtmâ erklärt, nämlich: ya' esha srapne mahiyamânaç carati,
die individuelle Seele ist, wie sie zwar, von der Leiblichkeit und ihren Gebrechen befreit, ,,im Traume fröhlich umherschweift", aber doch immer noch als Subjekt die Welt der Objekte als ein Anderes, Fremdes, zu Fürchtendes sich gegenüber hat. Sehr schön wird dies durch den Traumstand illustriert, als den einzigen Zustand, in welchem wir die von der Leiblichkeit, nicht aber von der Individualität entbundene Seele empirisch beobachten können.3) Im Gegensatze zu ihm ist der
Tiefschlaf, auf welchen die dritte Antwort Prajâpati's hinweist, der einzige, empirisch bekannte, Zustand, in welchem die Aufhebung der Unterschiede von Subjekt und Objekt und somit die völlige Einswerdung der individuellen mit der höchsten Seele eintritt. Hiermit ist der höchste Standpunkt erreicht, und die noch folgende vierte Antwort Prajâpati's geht nicht mehr, wie die andern, über die vorhergebenden Antworten hinaus, sondern will nur einen Einwand Indra's zurückweisen. Es ist derselbe Einwand, welchen Bṛih. 2,4,13 (= 4.5.14) Maitrejî gegen Yâjñavalkya's Behauptung: ,,nach dem Tode ist kein Bewußtsein" erhebt. Während aber dort klar und schön gezeigt wird, wie ein Bewußtsein nur möglich ist in der vielheitlichen Welt, und wie nach deren Aufhebung zwar nicht die Erkenntnis, wohl aber der (unerkennbare) Erkenner fortbesteht, so erscheint in unsrer Stelle dieser selbe Gedanke in viel trüberer Gestalt. Zunächst weist Prajâpati auf die Körperlosigkeit der Seele hin (die doch der vorher abgefertigten individuellen Seele gleichfalls zukommt) und zeigt an einem ziemlich unklaren Simile von Wind, Wolke, Donner und Blitz, wie die völlige Befreiung vom Individuellen, die im Tiefschlafe statt hat, nicht eine Vernichtung, sondern eine Rückkehr zu der ureignen Natur als uttamapurushaḥ, d.h. reines, objektloses Subjekt des Erkennens, ist. Die dann folgende, sinnliche Schildernug, wie diese höchste Seele sich mit Weibern, Wagen, Freunden amusiert, muß wohl späterer Zusatz sein, da sie von dem Einwande Indra's gegen die zweite Antwort zu sehr getroffen wird, auch der unmittelbar vorhergehenden Behauptung, den Körperlosen berühre Lust und Schmerz nicht, zu sehr widerspricht, als daß wir sie in der ursprünglichen Konzeption einbegreifen könnten. Auch kann sich 8,12,4 sa câkshushaḥ purushaḥ nicht wohl auf den vorhergehenden prâṇa (das
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Sâmaveda.
physische Lebensprinzip), sondern vielmehr nur auf den uttamapurusha
ḥ zurückbeziehen. Er, und nicht der prâṇa, ist, wie im folgenden ausgeführt wird, das Subjekt des Sehens (cakshushaḥ purushaḥ), Riechens, Redens, Hörens, Denkens, alles andre sind nur seine Organe. Auch die Götter, auf die zum Schlusse als Vorbilder der Erkenntnis des Âtman und der erreichten Alleinheit hingewiesen wird, sind in diesem Zusammenhange befremdlich, nicht nur, well sie ja oben den Indra absandten, um diese Lehre erst von Prajâpati zu empfangen, sondern auch, well es in den Upanishad's durchaus nicht üblich ist, sich die Götter als im Vollbesitze der Âtmanlehre befindliche Wesen zu denken (vgl. Bṛih. 1,4,10. 4,3,33. 5,2,1. Taitt. 2,8. Kaush. 4,20).
Siebenter Khaṇḍa.
1. Das Selbst (âtman), das sündlose, frei von Alter, frei vom Tode und frei vom Leiden, ohne Hunger und ohne Durst, dessen Wünschen wahrhaft, dessen Ratschluß wahrhaft ist, das soIl man erforschen, das soIl man suchen zu erkennen; der erlangt alle Welten und alle Wünsche, wer dieses Selbst gefunden hat und erkennt!" Also sprach Prajâpati.
2. Das vernahmen beide, die Götter und die Dämonen. Und sie sprachen: ,,Wohlan! laßt uns nach diesem Selbste forschen, dem Selbste, durch dessen Erforschung man alle Welten erIangt und alle Wünsche!" - Da machten sich auf von den Göttern Indra und von den Dämonen Virocana, und beide, ohne voneinander zu wissen, kamen mit dem Brennholze in der Hand [d. h. als Schüler] [siehe Anmerkung X2] zu Prajâpati.
3. Und sie verweilten als Brahmanschüler zweiunddreißig Jahre. Da sprach zu ihnen Prajâpati: ,,'Was begehrt ihr, darum ihr als Schüler hier gewohnt habt?" Und sie sprachen: ,,«Das Selbst, das sündlose, frei vom Alter, frei vom Tode und frei vom Leiden, ohne Hunger und ohne Durst, dessen Wünschen wahrhaft, dessen Ratschluß wahrhaft ist, das soIl man erforschen, das soIl man suchen zu erkennen: der erlangt alle Welten und alle Wünsche, wer dieses Selbst gefunden hat und erkennt». Dies verkündigen sie, o Ehrwürdiger, als deinen Ausspruch. Dies begehren wir, darum wir hier als Schüler gewohnt haben."
4. Und Prajâpati sprach zu ihnen beiden: ,,Der Mann (purushsa), der so in dem Auge gesehen wird, der ist das Selbst", so sprach er, ,,der ist das Unsterbliche, das Furcht
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Chândogya-Upanishad 8,7,4.
lose, der ist das Brahman." ,,Aber derjenige, o Ehrwürdiger, der so im Wasser, und der so im Spiegel erblickt wird, was ist denn der?" ,,Es ist einer und derselbe, der in diesen allen erblickt wird", sprach er.
Achter Khaṇḍa.
.1. ,,Betrachtet euer Selbst", so fuhr er fort, ,,in einem Gefäße voll Wasser, und was ihr von eurem Selbste nicht wahrnehmt, das sagt mir an!" Da betrachteten sie sich in einem Gefäße voIl Wasser; und Prâjapati sprach zu ihnen: ,,Was sehet ihr?" Sie aber sprachen: ,,Wir sehen, o Ehrwürdiger, dieses unser ganzes Selbst bis zu den Härchen, bis zu den Nägeln, im Abbilde."
2. Und Prajâpati sprach zu ihnen: Nun schmückt euch schön, zieht schöne Kleider an und putzt euch aus, und dann schaut wieder in das Gefäß voll Wasser." Da schmückten sie sich schön, zogen schöne Kleider an und putzten sich aus und schauten dann in das Gefäß voIl Wasser. Und Prajâpati sprach zu ihnen: ,,Was sehet ihr?"
3. Sie aber sprachen: Ganz wie wir hier, o Ehrwürdiger. schön geschmückt, angetan mit schönen Kleidern und ausgeputzt stehen, ebenso sind, o Ehrwürdiger, diese dort schön geschmückt, mit schönen Kleidern angetan und ausgeputzt."[Anmerkung X3] Und er sprach: Das ist das Selbst, das ist das Unsterbliche, das Furchtlose, das ist das Brahman." Da zogen sie zufriedenen Herzens von dannen.
4. Prajâpati aber blickte ihnen nach und sprach: Da ziehen sie hin, ohne das Selbst wahrgenommen und gefunden zu haben! Welche von beiden (yatare) aber dieser Lehre (upanishad) anhängen werden, seien es die Götter oder die Dämonen, die werden unterliegen."
Und der eine, Virocana, kam zufriedenen Herzens zu den Dämonen und verkündigte ihnen diese Lehre: Seinen Leib (âtman Selbst, hier: Leib) muß man hienieden erfreuen, seinen Leib pflegen; und wer hienieden seinen Leib erfreut, seinen Leib pflegt, der erlangt damit beide Welten, die diesseitige und die jenseitige [d. h. er genießt die himmlischen Freuden schon hienieden"]." [Anmerkung X4]
5. Darum auch jetzt noch, wenn hier einer nicht freigebig, nicht gläubig, nicht opferfreudig ist, so
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Sâmaveda.
sagt man: O welch ein dämonischer Mensch!" Denn dieses ist die Lehre der Dämonen. Und wenn einer gestorben ist, so putzen sie seinen Leichnam mit allerlei Plunder (bhikshâ), mit Kleidern und Schmuck aus. Sie glauben wohl, damit die jenseitige Welt zu gewinnen!
Neunter Khaṇḍa.
1. Hingegen Indra, ehe er noch bei den Göttern angelangt war, hatte dieses Bedenken:
Ebensowohl wie, wenn dieser Leib schön geschmückt, mit schönen Kleidern angetanund ausgeputzt ist, auch dieses [im Leibe bestehende] Selbst schön geschmückt, mit schönen Kleidern angetan und ausgeputzt ist, ebensowohl ist auch dieses Selbst, wenn der Leib blind ist, blind, wenn er Iahm ist, lahm, wenn er verstümmelt ist, verstümmelt; auch gehet es, mit dem Untergange des Leibes, zugleich mit zugrunde. Hierin kann ich nichts Tröstliches erblicken."
2. Und er kam abermals mit dem Brennholze in der Hand heran. Aber Prajâpati sprach zu ihm :
Dieweil du, o Maghavan, zufriedenen Herzens zusammen mit Virocana von hinnen gezogen bist, was begehrest du, daß du abermals herankommst?" Und er sprach: O Ehrwürdiger! ebensowohl wie, wenn dieser Leib schön geschmückt, mit schönen Kleidern angetan und ausgeputzt ist, auch dieses Selbst schön geschmückt, mit schönen Kleidern angetan und ausgeputzt ist, ebensowohl ist auch dieses Selbst, wenn der Leib blind ist, blind, wenn er lahm ist, Iahm, wenn er verstümmelt ist, verstümmelt; auch gehet es, mit dem Untergange des Leibes, zugleich mit zugrunde. Hierin kann ich nichts Tröstlichtes erblicken." 3.
Freilich steht es so damit, o Maghavan", sprach er: ich will dir aber dasselbe noch welter erklären; verweile andre zweiunddreißig Jahre als Schüler!" Und er verweilte andre zweiunddreißig Jahre als Schüler. Da sprach er zu ihm:
Zehnter Khaṇḍa.
1.
Jener [Geist], der im Traume fröhlich umherschweift, der ist das Selbst", so sprach er, der ist das Unsterbliche. das Furchtlose, der ist das Brahman." Da zog er zufriedenen
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Chândogya-Upanishad 8,10,1.
Herzens von dannen. Aber ehe er noch bei den Göttern angelangt war, hatte er dieses Bedenken:
Allerdings ist dieses [Selbst], wenn auch der Körper blind ist, nicht blind, wenn er Iahm ist, nicht lahm; allerdings wird es von des Leibes Gebrechen nicht mitbetroffen, 2. es wird nicht getötet, wenn jener ermordet wird, es wird nicht Iahm, wenn jener gelähmt wird, aber es ist doch, als wenn es getötet würde, es ist doch, als wenn sie es bedrängten (vicchâyayanti, wie Bṛih. 4,3,20), als wenn es Unliebes erführe, und es ist, als wenn es weinte, hierin kann ich nichts Tröstliches erblicken." 3. Und er kam abermals mit dem Brennholze in der Hand heran. Aber Prajâpati sprach zu ihm: Dieweil du, o Maghavan, zufriedenen Herzens von hinnen gezogen bist, was begehrest du, daß du abermals herankommst?" Und er sprach: Allerdings, o Ehrwürdiger, ist dieses [Selbst], wenn auch der Körper blind ist, nicht blind, wenn er Iahm ist, nicht lahm; allerdings wird es von des Leibes Gebrechen nicht mitbetroffen, 4. es wird nicht getötet, wenn jener ermordet wird, es wird nicht lahm, wenn jener gelähmt wird, aber es ist doch, als wenn es getötet würde, es ist doch, als wenn sie es bedrängten. als wenn es Unliebes erführe, und es ist, als wenn es weinte, hierin kann ich nichts Tröstliches erblicken." Freilich steht es so damit, o Maghavan", sprach er: ich will dir aber dasselbe noch welter erklären; verweile weitere zweiunddreißig Jahre als Schüler!" Und er verweilte weitere zweiunddreißig Jahre als Schüler. Da sprach er zu ihm:
Elfter Khaṇḍa.
1.
Wenn einer so eingeschlafen ist ganz und gar und völlig zur Ruhe gekommen, daß er kein Traumbild erkennt, das ist das Selbst", so sprach er, das ist das Unsterbliche, das Furchtlose, das ist das Brahman." Da zog er zufriedenen Herzens von dannen. Aber ehe er noch bei den Göttern angelangt war, hatte er dieses Bedenken: Ach, da kennt doch nun einer in diesem Zustande sich selber nicht und weiß nicht, daß er dieser ist, noch auch kennt er die andern Wesen! In Vernichtung ist er eingegangen; hierin kann ich nichts Tröstliches erblicken." 2. Und er kam aber-
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Sâmaveda.
mals mit dem Brennholze in der Hand heran. Aber Prajâpati sprach zu ihm:
Dieweil du, o Maghavan, zufriedenen Herzens von hinnen gezogen bist, was begehrest du, daß du abermals herankommst?" Und er sprach: Ach, da kennt doch nun einer, o Ehrwürdiger, in diesem Zustande sich selber nicht und weiß nicht, daß er dieser ist, noch auch kennt er die andern Wesen! In Vernichtung ist er eingegangen; hierin kann ich nichts Tröstliches erblicken." 3. Freilich steht es so damit, o Maghavan", sprach er, ich will dir aber dasselbe noch welter erklären; doch ist es nicht anderswo als in diesem zu finden. Verweile weitere fünf Jahre als Schüler!" Und er verweilte weitere fünf Jahre als Schüler. Das macht zusammen einhundertundeines. Darum heißt es: Einhundertundein Jahre, fürwahr, weilte Maghavan bei Prajâpati als Brahmanschüler." Und er sprach zu ihm:
Zwölfter Khaṇḍa.
1.
O Maghavan, sterblich, fürwahr, ist dieser Körper, vom Tode besessen; er ist der Wohnplatz für jenes unsterbliche, körperlose Selbst. Besessen wird der Bekörperte von Lust und Schmerz: denn well er bekörpert ist, ist keine Abwehr möglich der Lust und des Schmerzes. Den Körperlosen aber berühren Lust und Schmerz nicht. 2. Körperlos ist der Wind; die Wolke, der Blitz, der Donner sind körperlos. Sowie nun diese aus dem Weltraume [in welchem sie, wie die Seele im Leibe, gebunden sind] sich erheben, eingehen in das höchste Licht und dadurch hervortreten in ihrer eignen Gestalt.
3. so auch erhebt sich diese VoIlberuhigung [d. h. die Seele im tiefen Schlaf] aus diesem Leibe, gehet ein in das höchste Licht und tritt dadurch hervor in eigner Gestalt: das ist der höchste Geist,
der dort umherwandelt , indem er scherzt und spielt und sich ergötzt, sei es mit Weibern, oder mit Wagen, oder mit Freunden und nicht zurückdenkt an dieses Anhängsel von Leib, an welches der Prâṇa angespannt ist wie ein Zugtier an den Karren. 4. Wenn das Auge sich richtet auf den Weltraum, so ist er der Geist im Auge, das Auge [selbst] dient [nur] zum Sehen; und wer da riechen will, das ist der Âtman, die Nase dient nur zum
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Chândogya-Upanishad 8,12,'L
Geruche; und wer da reden will, das ist der Atman, die Stimme dient nur zum Reden; und wer da hören will, das ist der Âtman, das Ohr dient nur zum Hören; 5. und wer da verstehen will, das ist der Âtman, der Verstand ist sein göttliches [Vergangenheit und Zukunft umspannendes] Auge; mit diesem göttlichen Auge, dem Verstande, erschaut er jene Genüsse und freut sich ihrer.
6. Ihn verehren jene Götter in der Brahmanwelt [die von Indra die Belehrung erhalten werden] als das Selbst: darum besit.zen sie alle Welten und alle Wünsche. Der erlangt alle Welten und alle Wünsche, er dieses Selbst gefunden hat und kennt."Also sprach Prajâpati,
sprach Prajâpati.
C. Anhang (drei abschließende Stücke enthaltend).
Dreizehnter Khaṇḍa.
1) Dieser Weihespruch (pâvana mantra) schließt sich unmittelbar an den ersten Tell des Prapâṭaka (1
6, oben S. 194) an, mit dem er wohl auch ursprünglich zusammenhing, und von dem er durch spätere Einschiebung der Prajâpati- Legende ( 712) abgetrennt wurde. Dort war von dem Herzensbrahman und der Brahmanwelt und von der Verbindung beider durch Adern und Sonnenstrahlen die Rede. Hier drückt der Sprechende seine Angehörigkeit zu beiden Wohnstätten des Brahman und das stetige Übergehen von der einen zur Andern aus, wobei in mystischer Weise das Brahman im Herzen als das Dunkle, die Brahmanwelt als das Bunte bezeichnet wird.
Vom Dunkeln wandre ich zum Bunten, vom Bunten wandre ich zum Dunkeln. Gleichwie ein Roß seine [abgestorbenen] Mähnenhaare, abschüttelnd das Böse,
gleichwie der Mond aus Râhu's Rachen, mich befreiend, abwerfend den Leib, gehe ich, bereiteten Selbstes, in die unbereitete [unerschaffene] Brahmanwelt ein, Brahmanwelt ein.
Vierzehnter Khaṇḍa.
2) Ein kurzes Glaubensbekenntnis (im Anschluß an die Stelle von Brahman als dem Erde und Himmel und alle Dinge in sich befassenden Herzensraum, Chând. 8,1,3) für den ausscheidenden Scbüler, der, je nachdem er Brahmane, Kshatriya oder Vaiçya war, wohl einen der drei hier nebeneinander sehenden Ausdrücke auswählte. Der Schlußsatz wird vom Kommentator als der Wunsch aufgefaßt, nicht wieder in einen Mutterschoß zu neuer Geburt eingehen zu müssen, könnte aber auch eine Bitte um Bewahrung
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Sâmaveda.
vor den Beschwerden des Greisenalters (durch frühzeitiges Sterben sein. Das sonst nicht vorkommende lindu (vgl. klid, viklindu Atharvav. 12,4,5) mit Böhtlingk in liñgam zu korrigieren, haben wir wohl keine Veranlassuug.
Der Âther (Raum, âkâça) ist es, welcher die Namen und estalten auseinanderdehnt: worin diese beiden sind [oder: was in diesen beiden ist], das ist das Brahman, das ist das Unsterbliche, das ist der Âtman. Ich gehe fort zur Halle des Herrn der Schöpfung, zu seinem Hause [ich trete ein in die Welt]: ich bin
die Zierde der Brahmanen,
die Zierde der Krieger,
die Zierde der Ansiedler:
zur Zierde bin nachfolgend ich gelangt: nicht möge ich, der Zierden Zier, eingehen in das Graue ohne Zähne,
das ohne Zähne, Graue, Schleimige!
Fünfzehnter Khaṇḍa.
3) Schlußwort der Upanishad mit Ausblick aut das künftige Leben des ausscheidenden Schülers, dem wohl am Ende der Lehrzeit diese Ermahnung (ähnlich wie das Schlußkapitel Bṛih. 6,4) mit auf den Weg gegeben wurde. Wenn dabei die Pflichten des Gṛihastha allein vorschweben, und für deren treue Ausübung yâvadâyusham
durch die ganze Dauer des Lebens" die Brahmanwelt verheißen wird, so beweist auch dieses wieder, sowie Chând. 2,23,1, daß die Theorie der vier zu durchlaufenden Lebensstadien (als Brahmacârin, Gṛihastha, Vânaprastha, Saṃnyâsin) erst in der Bildung begriffen war.Diese Lehre hier hat Brahmán (masc. ) dem Prajâpati, Prajâpati dem Manu, Manu den Geschöpfen verkündigt. Wer aus der Familie des Lehrers, nach vorschriftsmäßigem Vedastudium in der von der Arbeit für den Lehrer übrig bleibenden Zeit, nach Hause zurückkehrt, im [eignen] Hausstande in einer reinen [den Brahmanen zum Aufthalte gestatteten] Gegend das Selbststudium des Veda betreibt, fromme [Söhne und Schüler] erzieht, als seine Organe in dem Âtman zum Stillstande bringt, auch kein Wesen verletzt, ausgenommen an heiliger Stätte [beim Opfer] [Anmerkung X4],
der, fürwahr, wenn er diesen Wandel die Dauer seines Lebens hindurch einhält, gehet ein in die Brahmanwelt und kehrt nicht wieder zurück, und kehrt nicht wieder zurück.
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Deussen, Prof. Dr. Paul, "Sechzig Upanishad's des Veda - aus dem Sanskrit übersetzt und mit Einleitungen und Anmerkungen versehen von Dr. Paul Deussen, Professor an der Universität Kiel", zweite Auflage, Leipzig, F.A. Brockhaus, 1905, Seiten 187 - 202
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1. Der Âtman, der ist die Brücke (der Damm), welche diese Welten auseinanderhält, daß sie nicht verfließen. Diese Brücke überschreiten nicht Tag und Nacht, nicht das Alter, nicht der Tod und nicht das Leiden, nicht gutes Werk noch böses Werk, alle Sünden kehren vor ihr um, denn sündlos ist diese Brahmanwelt.
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Hinweis:
Die folgenden Anmerkungen X1 bis X4 sind vom Autor dieser WEBSeite:
Anmerkung X1:
Allerdings ist man sich im Klaren, daß man selber in den Spiegel schaut, ins Wasser und ins Auge und man sieht zwar den Körper, aber meinend, man sei der Körper, meint und sagt man, daß man sich selbst darin sehe und also den zu sehen meint, der sich für den Körper hält. Auch wenn man einer Täuschung unterliegt, so ist diejenige/derjenige oder auch dasjenige, was die Wirklichkeit und Wahrheit betreffs einem selber nicht nicht-existent, da man ansonsten ja einen Anfang hätte und insofern auch ein Ende und dann die Möglichkeit einer Erkenntnis der Wahrheitg unmöglich wäre. Man vergleiche dazu auch, unter anderen, die folgenden Aussagen des Buddha:
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"Und der Erhabene," berichtet die Tradition, "sprach zu den fünf Jüngern" also:
"Die Körperlichkeit, ihr Jünger, ist nicht das Selbst. Wäre die Körperlichkeit das Selbst, ihr Jünger, so könnte diese Körperlichkeit nicht der Krankheit unterworfen sein, und man müßte bei der Körperlichkeit sagen können: so soll mein Körper sein; so soll mein Körper nicht sein. Da aber, ihr Jünger, die Körperlichkeit nicht das Selbst ist, deshalb ist die Körperlichkeit der Krankheit unterworfen, und man kann bei der Körperlichkeit nicht sagen: so soll mein Körper sein; so soll mein Körper nicht sein.
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"Buddha, Sein Leben Seine Lehre, Seine Gemeinde" von Hermann Oldenberg, siebente Auflage, Stuttgart und Berlin 1920, J.G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger, Seite 239
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35.
Buddha spricht zu dem jungen Rohitassa.
Wo man, mein Freund, nicht geboren wird, nicht altert, nicht stirbt, kein früheres Dasein verläßt, zu keinem neuen Dasein gelangt - ein Ende der Welt, von dem solches gilt, kann durch kein Wandern erkannt, erschaut, erreicht werden: so sage ich. Aber ich sage dir auch, Freund, daß ohne der Welt Ende zu erreichen man des Leidens Ende nicht finden mag.
Und ich lehre, Freund, daß in diesem klaftergroßen Körper, der von Bewußtsein erfüllt ist, der nach Asktenweise lebt, die Welt enthalten ist und der Welt Entstehung und der Welt Aufhebung und der Weg zur Aufhebung der Welt."
Durch kein Wandern zum WeltendeJemals man hingelangen kann,
Doch wer nicht dringt zum Weltende,
Wird von dem Leiden nicht erlöst.
Darum der Weisheitsreiche, Weltenkundge
Weltend-erreichend, heilgen Wandel übend,
Von der Welt Ende wissend, voller Frieden,
Nicht diese Welt, nicht jene Welt begehret."
" Ich sage euch, ihr Mönche, daß durch kein Wandern der Welt Ende erkannt, erschaut, erreicht werden kann. Aber ich sage euch auch, ihr Mönche, daß ohne der Welt Ende zu erreichen man des Leidens Ende nicht finden mag."
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"Reden des Buddha, Lehre/Verse/Erzählungen", übersetzt und eingeleitet von Hermann Oldenberg, Kurt Wolff Verlag, München, 1922 (es heißt dazu auf der Seite vor dem Inhalt: "Aus seinem Nachlaß von Herman Oldenberg ... herausgegeben"), Seite 137
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95. Das todlose Reich
Udāna VIII, 1-4
So hab ich es gehört: Einst weilte der Erhabene bei S
āvatthī im Jeta-Haine, im Klostergarten des Anāthapiṇḍika. Damals aber belehrte, ermahnte, ermunterte und erfreute der Erhabene die Mönche durch eine Rede über das Nibbāna. Und die Mönche hörten die Lehre aufmerksamen Ohres, indem sie Acht gaben, es sich vergegenwärtigten und alle Gedanken zusammennahmen.
Da tat der Erhabene, nachdem er erkannt, was dies zu bedeuten hatte, bei jener Gelegenheit folgenden feierlichen Ausspruch:
" Es ist, ihr Mönche, jenes Reich, wo nicht Erde noch Wasser ist, nicht Feuer noch Luft, nicht unendliches Raumgebiet, noch unendliches Bewusstseinsgebiet, nicht das Gebiet der Nichtirgendetwasheit, noch das Gebiet der Wahrnehmung und auch nicht Nicht-Wahrnehmung, nicht diese Welt noch eine andere Welt, nicht beide, Sonne und Mond. Das, ihr Mönche, nenne ich weder Kommen noch Gehen noch Stehen noch Vergehen noch Entstehen. Ohne Stützpunkt, ohne Anfang, ohne Grundlage ist das; eben dies ist das Ende des Leidens."
Schwer zu sehen, wahrlich eben ist das Nicht-Ich, nicht leicht zu begreifen ist ja die Wahrheit; überwunden ist der Durst für den Wissenden; für den Schauenden ist nicht irgend etwas."
" Es gibt ihr Mönche ein nicht Geborenes, nicht Gewordenes, nicht Geschaffenes, nicht Gestaltetes.
Wenn es, ihr Mönche, dieses nicht Geborene, nicht Gewordene, nicht Geschaffene, nicht Gestaltete nicht gäbe, dann wäre hier ein Entrinnen aus dem Geborenen, Gewordenen, Geschaffenen, Gestalteten nicht zu erkennen. Weil es nun aber, ihr Mönche, ein nicht Geborenes, nicht Gewordenes, nicht Geschaffenes, nicht Gestaltetes gibt, darum läßt sich ein Entrinnen aus dem dem Geborenen, Gewordenen, Geschaffenen, Gestalteten erkennen."
Für das, was abhängig ist, gibt es auch Bewegung; für das, was nicht abhängig ist, gibt es keine Bewegung; wo keine Bewegung ist, ist Ruhe; wo Ruhe ist, ist kein Verlangen; wo kein Verlangen ist, ist kein Kommen und Gehen; wo kein Kommen und Gehen ist, ist kein Vergehen und Neuentstehen; wo kein Vergehen und Neuentstehen ist, ist weder ein Hienieden noch ein Jenseits noch (ein Etwas) zwischen beiden; eben dies ist das Ende des Leidens."...
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"Pāli-Buddhismus in Übersetzungen - Texte aus dem Buddhistischen Pāli-Kanon und dem Kammavāca", aus dem Pāli übersetzt nebst Erläuterungen und einer Tabelle, von Karl Seidenstücker, zweite vermehrte und verbesserte Auflage, 4. bis 8. Tausend, Oskar Schloss Verlag München-Neubiberg, 1923, Druck von W. Hoppe in Borsdorf-Leipzig), Seite 126
Anmerkung X2:
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Da machten sich auf von den Göttern Indra und von den Dämonen Virocana, und beide, ohne voneinander zu wissen, kamen mit dem Brennholze in der Hand [d. h. als Schüler] zu Prajâpati.
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Deussen, Prof. Dr. Paul, "Sechzig Upanishad's des Veda - aus dem Sanskrit übersetzt und mit Einleitungen und Anmerkungen versehen von Dr. Paul Deussen, Professor an der Universität Kiel", zweite Auflage, Leipzig, F.A. Brockhaus, 1905, Seite 196
Betreffs jenes Symbols des "Brennholzes" gibt es da ein interessantes Beispiel aus der Gegenwart. In dem Dokumentarfilm "Papua-Neuguinea extrem: Hölle oder Paradies?" von Florian Bahrdt und Lennart Banholzer, der im Weltspiegel in der ARD am 17.11.2024 gesendet wurde, wird (ab ca Minute 27:54) gezeigt, daß alle SchülerInnen zu Beginn des Unterrichts ein Holzscheit für die Lehrerin niederlegen (ca Minute 28:25).
https:// www. ardmediathek.de/video/weltspiegel-doku/papua-neuguinea-extrem-hoelle-oder-paradies/ard/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL3dlbHRzcGllZ2VsLWRva3UvMjAyNC0xMS0xN18xOC0zMC1NRVo
(Der Link war auch noch funktionierend am: 31.12.2024; daß ich nach "https://" und "www" jeweils ein Leerzeichen in den Link einfügte, hat den Grund, daß ich keinen juristischen Ärger mit ansonsten entstehenden "Weiterleitbarkeiten", dh gewissen "Maschinen" bekommen möchte.)
Anmerkung X3:
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Ganz wie wir hier, o Ehrwürdiger. schön geschmückt, angetan mit schönen Kleidern und ausgeputzt stehen, ebenso sind, o Ehrwürdiger, diese dort schön geschmückt, mit schönen Kleidern angetan und
ausgeputzt.
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Deussen, Prof. Dr. Paul, "Sechzig Upanishad's des Veda - aus dem Sanskrit übersetzt und mit Einleitungen und Anmerkungen versehen von Dr. Paul Deussen, Professor an der Universität Kiel", zweite Auflage, Leipzig, F.A. Brockhaus, 1905, Seite 197
Nunja, wenn sich jemand einmal das eine Kleid anzieht und ein andermal ein anders Kleid anzieht, so weiß die Person zu jedem Zeitpunkt, daß das nur Kleider sind, die sie angezogen hat und daß man beidemale dieselbe Person war und ist. Insofern folgt aus dem was da von jenem Upanishad-Lehrer seinen zwei Schülern beobachtbar gemacht wurde, eben gerade nicht, daß man der Körper sei bzw sein müßte.
Ich denke, daß auch Otto von Böhtlingk, Shankara und andere das selbstverständlich so verstanden.
Wenn ich dann mal die Chândogya-Upanishad mit Shankara's Kommentar übersetzte und auch die weiteren möglichen existenten Übersetzungen einfügte, wird's wohl klarer werden.
Anmerkung X4:
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auch kein Wesen verletzt, ausgenommen an heiliger Stätte [beim Opfer]
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Deussen, Prof. Dr. Paul, "Sechzig Upanishad's des Veda - aus dem Sanskrit übersetzt und mit Einleitungen und Anmerkungen versehen von Dr. Paul Deussen, Professor an der Universität Kiel", zweite Auflage, Leipzig, F.A. Brockhaus, 1905, Seite 202
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1. Der Âtman, der ist die Brücke (der Damm), welche diese Welten auseinanderhält, daß sie nicht verfließen. Diese Brücke überschreiten nicht Tag und Nacht, nicht das Alter, nicht der Tod und nicht das Leiden, nicht gutes Werk noch böses Werk, alle Sünden kehren vor ihr um, denn sündlos ist diese Brahmanwelt.
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Deussen, Prof. Dr. Paul, "Sechzig Upanishad's des Veda - aus dem Sanskrit übersetzt und mit Einleitungen und Anmerkungen versehen von Dr. Paul Deussen, Professor an der Universität Kiel", zweite Auflage, Leipzig, F.A. Brockhaus, 1905, Seite 192
Daß Tieropfer anzulehnen sind, schreibt auch Professor Deussen an verscheidenen Stellen; er weist darauf hin, daß solche Stellen allegorisch zu verstehen seien.
An dieser Stelle möchte ich auch auf die Seite "Gut-möglich" in www.schulerlebnis--91-19i.bayern hinweisen; auch in meinen Anmerkungen zu den Patañjali-Yogasutren gehe ich mehrfach darauf ein.